H-Soz-u-Kult Debatte zu "Ressourcen" in den Geschichtswissenschaften: Fazit

Von
H-Soz-u-Kult Redaktion

Die Beiträge der dritten Runde finden Sie unter:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?pn=forum&type=diskussionen&id=1886;id=1886

Fazit

Nach drei Runden Diskussion kommen wir nun zurück zum Ausgangspunkt. Nachdem ganz zu Beginn unserer Debatte nach dem analytischen Potenzial des Ressourcen-Begriffs gefragt wurde, haben Sie in der Diskussion zahlreiche Beispiele von Wertketten, mit geographischen und sozialen Distanzen, langen Akteursketten, und Eigenlogiken der Kommodifizierung bestimmter Märkte aufgezeigt. Trotz der "weiten" Definition hielten sich die Beispiele in der Regel an Stoffen fest. Die mehrfach auftauchenden "Funktionslogiken" einzelner Etappen, die ein Stoff beispielsweise auf dem Weg vom afrikanischen Bergwerk über das Labor und die Fabrik in den westeuropäischen Haushalt durchläuft, deuten den Zusammenhalt der Ressourcengeschichten über einen Stoff ebenso an wie den Zusammenhalt über ebendiese Funktionslogiken. Wenn wir nicht-materielle Ressourcen wie Institutionen in einer Gesellschaft, etablierte Verfahrensweisen oder Werte betrachten, kommen wir in Gedanken unweigerlich zurück zu den Krisen, die den zweiten Teil des Historikertagsmottos bilden und stets zur gesellschaftlichen Debatte einladen. Vor fast genau drei Monaten hat Christine Lagarde der EURO-Zone für dessen Rettung noch drei Monate Zeit gegeben (12. Juni 2012). Wenn wir uns zum Beispiel die gemeinsame Währung, die mit ihr geschaffenen Institutionen und die Debatte über neue Verfahren und Instrumente der europäischen Geldpolitik anschauen - hilft uns dann eine Perspektive, die diese Institutionen als Ressourcen ansieht, für die Analyse, oder verdeckt der Begriff mehr als er offenbart? Allgemeiner gefragt: Bleiben die "Funktionslogiken" zu implizit und verflüchtigt sich das Potenzial des Ressourcen-Begriffs mit dem Stoff, dessen Geschichte er beispielsweise in Produktbiographien erhellen kann?

Frank Uekötter: Institutionen als Ressourcen in der Euro-Krise – unserer Diskussion scheint eine Tendenz zur Entgrenzung innezuwohnen, desgleichen ein Hang zu dem, was die Amerikaner „presentism“ nennen. Nun sitze ich nach meinen früheren Bemerkungen hier im Glashaus, aber vielleicht sollte man an der stets heiklen Grenze von historischer und tagespolitischer Betrachtung auch einmal Zurückhaltung üben. Ob es für die Ressourcengeschichte wirklich hilfreich ist, sich in die Kakophonie der Euro-Debatte einzuklinken? Gute Geschichtsschreibung lässt sich meines Erachtens von der Gegenwart inspirieren, geht in den aktuellen Debatten jedoch nicht auf. Als Anhängsel einer hitzigen gesellschaftlichen Großdebatte wird der einsame Intellektuelle leicht mitgeschleift – und das ist meist keine sehr angenehme Situation.

Mir scheinen solche Bemühungen um Anschluss umso weniger nötig zu sein, als unsere Debatte zweifellos gezeigt hat, dass es bei den Ressourcen weder thematisch noch methodisch einen Mangel an Gesprächsstoff gibt. Es gibt eine Vielzahl von Themen mit geradezu magischer Anziehungskraft – um Monika Dommanns Formulierung aufzugreifen. Ressourcen sind in der Geschichte alles Mögliche, aber bestimmt nicht trivial. Dass Ressourcen problemlos zu sein scheinen, heißt ja noch lange nicht, dass sie tatsächlich problemlos sind.

Von daher könnte es historiographisch lohnend sein, Ressourcengeschichte mehr als eine Geschichte von mehreren ineinander verschachtelten Paradoxien zu schreiben. In der Moderne sind Ressourcen gleichermaßen omnipräsent und umkämpft, knapp und doch billig, gesichtslos und voller Geschichten, veränderbar und zugleich an feste stoffliche Eigenschaften gebunden. Die ständige Verfügbarkeit von Ressourcen ist selbstverständliche Grundlage moderner Wohlstandsgesellschaften und zugleich ausgesprochen prekär. Gemessen daran, wie viel im modernen System der Ressourcenallokation schief gehen kann und tatsächlich schon schiefgegangen ist, kann man die Sorglosigkeit der modernen Konsumenten nur verwunderlich nennen.

Von daher sehe ich ein besonderes historiographisches Potential bei jenen Ressourcen, die stofflich nicht festgelegt sind. Der Wald der Frühen Neuzeit war gleichermaßen Brennstofflieferant, Baumaterial für Städte und Flotten, Weideplatz für Schweine und Grundlage der vormodernen Chemie. Oder man nehme die Maispflanzen, die der menschlichen wie der tierischen Ernährung dient und darüber hinaus seit ein paar Jahren die Energiepflanze par excellence ist. Ein dichtes Geflecht soziokultureller und ökonomischer Bedingungen entscheidet darüber, welche Art des Konsums am Ende die Oberhand gewinnt. Man könnte geradezu von einer Art Indikatorfunktion solcher polyvalenter Ressourcen reden. Stoffströme sind nicht der schlechteste Spiegel einer Gesellschaft.

Christiane Reinecke: Kann man sich produktiv darüber streiten, ob etwas eine „Ressource“ ist oder nicht? Birgt der Begriff der „Ressource“ selbst Konfliktpotential? Wirft man in einer politischen Diskussion den Satz in die Runde, dass es sich bei diesem oder jenem um eine Ressource handelt, ist die Wahrscheinlichkeit jedenfalls groß, dass es die anderen nicht von den Stühlen haut. Entweder werden sie annehmen, dass es irgendwie um Rohstoffe geht, oder sie werden davon ausgehen, dass es um das große Potential einer Sache geht. In jedem Fall gäbe es Klärungsbedarf. Aus ähnlichen Gründen bezweifele ich, dass es hilft, die Eurokrise als Ressourcen-Krise oder die Instrumente der europäischen Geldpolitik als Ressourcen zu fassen. Mal davon abgesehen, dass ich Frank Uekötter zustimme, wenn er eine gewisse Distanz zu aktuellen Debatten für angeraten hält, habe ich nicht den Eindruck, dass der Begriff der Ressource selbst eine eigene Deutungsrichtung nahelegt oder damit eigene Interpretationsangebote verbunden wären. Sofern es das analytische Potential eines Begriffs ausmacht, zuzuspitzen und einen bestimmten Aspekt sichtbarer und verständlicher zu machen, erscheint das Potential des Ressourcenbegriffs begrenzt. Das hängt in erster Linie mit der Ambivalenz oder Vieldeutigkeit des Ressourcenbegriffs zusammen, der zu Beginn dieser Debatte thematisiert wurde. Was jeweils mit dem Begriff der Ressource gemeint ist und war, muss eben stets auf Neue geklärt werden.

Bleibt die Frage, inwiefern die Ambivalenz des Begriffs analytisch tatsächlich eine Stärke ist – oder eben nicht. Einer Veranstaltung wie dem Historikertag kommt es jedenfalls zugute, dass sich über den Begriff verschiedene Themenfelder und Forschungsperspektiven zusammenbringen lassen. Auch kann das Spiel mit der Uneindeutigkeit zu einer Methode werden, indem das, was als Ressource untersucht wird, nicht von vornherein einem Bereich – der Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaft – zugeordnet wird, sondern indem darüber, wie von Monika Dommann empfohlen, Vermischungen von Wirtschaftlichem, Politischem, Kulturellem sichtbar gemacht werden und sich, wie Laura Rischbieter nahelegt, „kulturgeschichtliche mit wirtschafts- und politikhistorischen Perspektiven methodisch verbinden lassen“. Wird Ressource als Stoff analysiert, der verschiedene Etappen und Funktionslogiken durchläuft, der nicht klar einem Feld oder einem Raum (dem Lokalen, Nationalen, Globalen) zugeordnet ist, sondern quer dazu liegt, hat das auf jeden Fall Potential. Doch bleibt es dabei, dass mir „Ressource“ weniger als analytischer Begriff denn als Suchbegriff und als Gegenstandsbereich interessant zu sein scheint, als etwas, über dessen Deutung oder Nutzung die Zeitgenossen in Konflikt gerieten (oder sich einigten) – und das daher historisch von Interesse ist. Über die Frage wiederum, wie man mit der Ambivalnez von Ressourcen als Gegenstand historischer Analysen umgeht, zumal mit Blick auf ihre materielle und immaterielle Dimension, lässt sich durchaus produktiv streiten, denke ich.

Monika Dommann: „Wenn es mir doch gelänge, den Weltmoment in dem wir uns befinden, deutlicher, unzweifelhafter, als es gewöhnlich geschehen mag, zur Anschauung zu bringen.“ Diesen Wunsch, oder vielmehr dieses Programm, stellte niemand geringerer als der alte Übervater der deutschen Historikerzunft Leopold von Ranke seiner 1833 erschienenen Schrift „Die grossen Mächte“ voran. Die Geschichtswissenschaft ist in ihrer Inkubationsphase eine enge Beziehung mit dem Staat und der Politik eingegangen, die sich bis heute erhalten hat und auch an Deutschen Historikertagen durch die Anwesenheit von Politikerinnen und höchsten Richtern gepflegt wird. Die Staatsnähe spiegelt sich an diesem periodisch abgehaltenen Ritual auch in dem von Ranke formulierten Anspruch, die Wissenschaftssoziabilität mit der Weltmomentdeutung zu vereinen.

Neben dem Archivkult (Lorraine Daston) und dem Vetorecht der Quellen (Reinhart Koselleck) ist die Prämisse des Mitbegründers des Historismus, den Augenblick durch Auseinandersetzung mit dem Vergangenen zu deuten, zu analysieren oder zu dekonstruieren (je nachdem ob man der Hermeneutik, der historischen Sozialwissenschaft oder der Postmoderne zugewandt ist) weiterhin ein gemeinsames Paradigma der versammelten deutschen Geschichtswissenschaftler in Mainz geblieben. So weit weg von Leopold von Ranke ist man vielleicht dann doch nicht gekommen in unserer (etwa im Vergleich zur Soziologie oder Politikwissenschaft) traditionellen Disziplin. Die Aufforderung der Redakteurinnen zum Schluss dieser Debatte endlich doch noch etwas zur Eurokrise zu sagen, historisch informiert, wenn möglichst mit Hilfe des Tagungsmottos „Ressource“ und doch bitte in Form einer Debatte, ist also auch in Zusammenhang mit einer periodischen Rückversicherung dieser special relationship zu sehen.

Trotzdem hatte niemand in dieser Runde so richtig Lust den Bogen von der Ressource zur Eurokrise zu schlagen und das Potential des Ressourcenkonzeptes gleichsam einem Weltmomentdeutungslackmustest zu unterwerfen. Die Weigerung unserer Runde die Eurokrise ressourcenhistorisch zu kommentieren, hat gute Gründe. Das ehemalige Monopol der schnellen Gegenwartsdeutung muss das Fach inzwischen mit den Soziologen, den Politologinnen und auch den Ökonomen teilen. Es gibt zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Arbeitsteilung in der Zeitdiagnostik, wobei diese Fächer für die schnelle, theoretisch gestützte Extrapolation verantwortlich geworden sind.

Dies ist für die Geschichte ein eigentlicher Glücksfall. Und zwar ein Glück, dessen sie sich noch viel zu wenig gewahr geworden ist. Sie kann es sich nun leisten langsamer zu sein, gründlicher, vorsichtiger aber auch spielerischer. Sie kann nun Spielverderberin spielen, die Politik und den Staat beobachten, ohne dabei gleichzeitig die große Last des staatstragenden Programms zu tragen. Und sie kann damit Rankes Deutung des Weltmoments, beziehungsweise die Frage, warum die Welt zu dem geworden ist, was sie heute ist, vielleicht in neuer Leichtigkeit angehen. Und damit hoffentlich der Welt Überlegungen zur Verfügung stellen, die fremder, überraschender, verstörender und damit vielleicht gerade deshalb hilfreicher sind, als die schnellen Urteile der Gegenwartsdiagnostiker.

Auf nach Mainz, geschätzte Kollegen und Kolleginnen!

Ralf Banken: Wenn es dem Ende zugeht, fehlt irgendwie immer die Zeit und alle sollten sich kürzer fassen; dem Beispiel der anderen Beiträge der vierten Runde schließe ich mich gerne an. Auf die Frage, inwieweit "Funktionslogiken" zu implizit bleiben und das Potenzial des Ressourcen-Begriffs sich alleine für „Stoff-Geschichten“ als nützlich erweist, habe ich bereits in meiner ersten Antwort darauf verwiesen, werden in der Ökonomie nicht nur Roh- oder stoffliche Güter als Ressourcen betrachtet, sondern auch Kapital, Arbeit, Institutionen und der menschliche Erfindungsgeist. Insofern ist es mehr als gerechtfertigt, auch Institutionen als Ressourcen in der Eurokrise zu betrachten und anders als Monika Dommann bin ich durchaus der Meinung, dass Historiker sich auch zu momentanen Krisen äußern sollten: sie sollten einzig die Prognosen anderen überlassen und selbst auf vergleichbare Situation in der Geschichte und die vielfach unterschätzten unterschwelligen Kontinuitäten der modernen Wirtschaftsgesellschaften hinweisen, wozu zweifelsohne auch Institutionen im weiteren Sinne gehören.

Nicht nur wegen der damaligen Festlegung bin ich auch jetzt am Ende der Diskussion weiter der Überzeugung, dass der Ressourcenbegriff sich nicht nur auf „Stoff-Geschichte“ reduzieren sollte, sondern auch in einem weiteren Sinne durchaus nützlich ist. Allerdings – und da kommt bei mir dann doch wieder der sozialwissenschaftlich arbeitende Historiker durch –, kann man nur vor einer Überstrapazierung dieses Begriffes und einer Beliebigkeit seiner Anwendung waren. Wie auch bei anderen neueren Forschungsbegriffen und -konzepten besteht in der mittlerweile stark von schnellen Modezyklen beeinflussten Geschichtswissenschaft die Gefahr (diese erscheint mir in den letzten zehn, zwanzig Jahren sehr viel realer als die Nähe der Historiker zu Politikern und anderen Großen der Gesellschaft), dass durch einen inflationären Gebrauch irgendwann alles Ressource ist und der Begriff inhaltsleer wird. Die Verwendung der Konzepte des „Sozialen Kapitals“ oder noch aktueller des „Netzwerks“, das vielfach mit sozialen Beziehungen gleichgesetzt und so absurdum geführt wird, zieht schließlich nach sich, dass die historischen Prozesse mehr verdeckt als offen gelegt werden.

Dies spricht nicht gegen die Verwendung derartiger Konzepte, sei es als Motto eines Historikertages oder aber zu einer spielerischen Annäherung an neue Sichtweisen wie von Monika Dommann gefordert. Mir scheint jedoch, dass durch einen unflektierten und inflationären Gebrauch das Potential auch des Ressourcenbegriffes verschenkt werden könnte, bevor die Erkenntnismöglichkeiten nur annähernd ausgelotet würden. Wünschenswert wären daher sowohl eine weiterführende – aber nicht ausufernde und sich selbst genügende – theoretische Auseinandersetzung mit „Ressourcen“, als auch zahlreiche Einzelstudien. Diese sollten den Begriff mit begrenzten Fragestellungen und klaren Definitionen nutzen, da durch eine schwammige Begrifflichkeit nicht nur das Erkenntnispotential des Begriffes verschenkt würde, sondern die Studien auch innerhalb kürzester Zeit unmodisch würden. Ich bin mir sicher, dass in dieser Weise gut fundierte Ressourcenstudien die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft quer zu bisherigen klassisch „sektoralen“ Zugriffsweisen aufschließen können. Auf diese Weise könnten mittels Wertschöpfungs- und Akteursketten nebst den dazugehörigen Rahmenbedingungen über einzelne Produktbiographien hinaus Kontinuitäten, Pfadabhängigkeiten oder Veränderungsprozesse der modernen Ökonomien und Konsumgesellschaften gut erklärt werden.

Laura Rischbieter: Ob nun analytisches Potential oder nicht, ob nun eher materieller oder doch flüchtiger Gegenstand mit Agency oder nicht, ob nun aktuell, innovativ oder originell oder all das auch eher nicht, unsere Debatte zeigt vor allem, dass sich die Suche nach angemessenen geschichtswissenschaftlichen Narrativen (Runde 2) und Methoden (Runde 3) zur Analyse der Vergangenheit nicht einfach in Begriffsdefinitionen, Methodenpluralismen und gegenwartsbezogenen Themensetzungen auflösen lässt. Zumindest ist das unbefriedigend. Zwar lassen sich Ressourcen vielfältig definieren und ebenso vielfältig analysieren. Dieser Befund verdeutlicht aber allein, dass in dem Schlagwort „Ressourcen“ selbst sich nicht wie von selbst auch zugleich analytisches Potential verbirgt.

Vermutlich sind und bleiben es allein unsere gegenwartsbezogenen Fragen, angewendet auf die Vergangenheit, die das Schlagwort „Ressourcen“ in geschichtswissenschaftliche Analysen überführen können. Daher erscheint es mir (egal in welcher Spielart, also ob nun kultur- oder wirtschaftshistorisch, in globalgeschichtlicher Absicht oder mit regionalem Fokus), dass das Debattieren über „Ressourcen“ zumindest eines zeigt: Deutsche Historikerinnen und Historiker interessieren sich wieder (vermehrt) für langfristige Prozesse des gesellschaftlichen Wandels und zwar unter dem Vorzeichen der Knappheit. Die Frage nach der Anwesenheit, dem Zugang, der Zuordnung, Verteilung, Verwaltung oder Abwesenheit von „Ressourcen“, zwingt meiner Meinung nach zu analysieren, wie die Relation der (sozialen) Akteure zu diesen Ressourcen ist.

Genauer gesagt: Ging es beim letzten Historikertag um Phänomene globaler Entgrenzung, so ließe sich unter dem diesjährigen Motto das Erkenntnisinteresse vielleicht auf sozialhistorische Themen richten. Es geht also darum – so eine Ressourcengeschichte würde ich mir wünschen –, über eine Analyse der Allokation und Distribution von Ressourcen in der longue durée zu untersuchen, wie Gesellschaften sozial verfasst sind und welche Rolle hierfür Politik, Haushalte, Unternehmen, Märkte, aber auch öffentliche Institutionen, einzelne Rohstoffe oder Bildung bis hin zu Ideen spielen. Wenn die Sozialgeschichte auf diese Art und Weise revitalisiert werden könnte, also eine so verstandene „Ressourcengeschichte“ eine neue Perspektive auf vergangene Lebensumstände bis hin zu politischen Konflikten zwischen Nationalstaaten ergäbe, dann wäre das Motto des Historikertags in der Tat innovativ und originell.

Birte Förster: Wenn ich zurück an den Anfang der Debatte gehe, dann sind Ressourcen aus meiner Sicht vor allem aus zwei Gründen interessante, lohnenswerte Gegenstandsbereiche historischer Forschung: Zum einen sind sie eine methodische Herausforderung, denn sie fordern einen Methodenpluralismus und damit auch zur Reflexion des eigenen Fachs heraus. Gewinnbringend scheint eine engere Verzahnung mit wirtschafts- und technikhistorischen Themen zu sein, um Stoffströme und Wertzuschreibungen noch genauer untersuchen zu können. Zugleich bieten sich Ressourcen jedoch auch an, um neue Perspektiven auf Macht und Herrschaft zu gewinnen. Aus meiner Sicht lässt sich anhand von Ressourcen eben jenes vielfältige Beziehungsgeflecht von Kräfteverhältnissen beobachten, mit Foucault seinen prozessualen, dynamischen Machtbegriff charakterisiert. Dies würde den vielfältigen Akteursgruppen, die den Lebenszyklus von Ressourcen begleiten, ebenso gerecht werden wie den damit verbundenen Wissensordnungen, technischen Systemen und Wertzuschreibungen. Und damit auch der mehrfach angesprochenen Verschränkung von Wirtschaftlichem, Politischem und Kulturellem. Die machtvollen Erzählungen, die mit den Ressourcen verbunden sind, sind Teil dieses Machtgeflechts. Sie haben performativen Charakter, denn sie beeinflussen deren weitere Wahrnehmung und sind damit handlungsleitende Ordnungsvorstellungen. Zum zweiten sind Ressourcen ein lohnenswerter Gegenstand, da sie häufig transnational verflochten sind, also dem vielfach geforderten Abschied von einer national orientierten Geschichtsschreibung entgegen kommen.

Wie auch die meisten anderen Diskutandinnen und Diskutanden mag ich aus unserer Debatte keine tagespolitischen Beurteilungen ableiten. Wesentlicher als den Begriff auch auf Institutionen auszuweiten scheint mir der Umgang von Institutionen mit bestimmten Ressourcenlogiken zu sein, zum Beispiel an der Interaktion von Finanz- und Kolonialministerium in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn Ressourcen schließlich auch dabei helfen könnten, den Begriff „Krise“ konsequent zu historisieren, wäre aus meiner Sicht viel gewonnen.

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