Die gregorianische Reform, eine „totale Revolution“? Eine vergleichende Bilanz der Forschungen im deutsch- und französischsprachigen Raum. Internationaler Workshop fuer NachwuchswissenschaftlerInnen

Die gregorianische Reform, eine „totale Revolution“? Eine vergleichende Bilanz der Forschungen im deutsch- und französischsprachigen Raum. Internationaler Workshop fuer NachwuchswissenschaftlerInnen

Veranstalter
Tristan Martine (Université Jean Moulin Lyon 3, CIHAM-UMR 5648); Jérémy Winandy (Universität Hamburg)
Veranstaltungsort
Ort
Lyon
Land
France
Vom - Bis
28.03.2019 - 29.03.2019
Deadline
14.10.2018
Website
Von
Jeremy Winandy

Die Beschäftigung mit der nachkarolingischen Zeit hat in den letzten Jahrzehnten beiderseits des Rheins unterschiedliche Forschungsansätze hervorgebracht. Auf französischer Seite wurde lebhaft über die Bedeutung des Jahrs 1000 und raumtheoretische Fragen diskutiert; auf deutscher Seite hatte man andere Fragen, insbesondere solche nach politischen Ritualen, anderen soziale Gruppen, wie der kaiserlichen Hofkapelle, und andere Epochengrenzen im Blick. So wird beispielsweise das 10. Jahrhundert in der deutschen Historiographie als deutlich geringere Zäsur angesehen, als in der französischen. Auch die „Gregorianische Reform“, als Reformbewegung die den gesamten Okzident von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts prägte und das Verhältnis von clerici und laici neu definierte, ist in den beiden historiographischen Schulen unterschiedlich bewertet worden. Auf diesem Nachwuchsworkshop soll es darum gehen, eine Bilanz über die verschiedenen Forschungsansätze zu ziehen, die diese bewegte Zeit im Heiligen Römischen Reich und in Frankreich betreffen.

Abweichende Definitionen
Bereits der Begriff „Gregorianische Reform“ ist problematisch: Der Ausdruck, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die beiden Protestanten F. Guizot und J. Voigt geprägt und etwa ein halbes Jahrhundert später im deutschsprachigen Raum theoretisch durchdrungen wurde , enthält einerseits eine moralische Dimension, und bezeichnet andererseits ganz konkret den Konflikt zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. Insbesondere diese letzte Bedeutung ist zu knapp bemessen, da bereits seit dem Pontifikat von Leo IX. mehrere Päpste eine ähnliche Programmatik verfolgten, weshalb J. Paul den Begriff der „réforme pontificale“ vorgeschlagen hat. Dennoch bleibt der Begriff, der sich infolge der Publikation des Werkes von A. Fliche zwischen 1924 und 1937 endgültig durchsetzte , weiterhin fest im wissenschaftlichen Sprachgebrauch verankert. Insbesondere im französischsprachigen Raum wird vermehrt wieder von der „Gregorianischen Reform“ gesprochen , wohingegen in der deutschsprachigen Forschung eher vom „Investiturstreit“ gesprochen wird, der besonders die Zeit von 1076-1122 hervorhebt .
Auch die zeitliche Dimension dieser Reformbewegung ist problematisch: Im weitesten Sinne geht es um die Jahre von 1049-1122/1123, die Zeit vom Pontifikat Leons IX. bis zum Wormser Konkordat oder dem ersten Laterankonzil. Doch diese zeitliche Einordnung ist ebenfalls umstritten, da bereits die reformerischen Bewegungen des 10. und 11. Jahrhunderts, insbesondere in Lothringen oder von Cluny ausgehend, die päpstlichen Bestrebungen der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ideell maßgeblich vorgeprägt haben. Andererseits gibt es Regionen, in denen die Konsequenzen der Auseinandersetzungen erst zum Ende des 12. oder sogar erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts konkret spürbar wurden.
Dennoch scheint der „Idealtyp“ der „Gregorianische Reform“ weiterhin nützlich zu sein, um die Zeit zwischen der Mitte des 11. und der Mitte des 12. Jahrhunderts unter einem Schlagwort zusammenzufassen. In diesem Sinne ist eine Neudefinition der Bedeutung und der zeitlichen Grenzen des Begriffes in den letzten Jahren stärker in den Blick gerückt, insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob die Veränderungen dieser Epoche eine mögliche Zäsur zwischen „zwei Mittelaltern“ darstellen kann.

Eine revolutionäre Zäsur?
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts begreift man die „Gregorianische Reform“, die bis dahin vor allem auf das Feld der Religionsgeschichte beschränkt war, in einer erweiterten sozio-politischen Dimension. Bereits G. Tellenbach sprach in den 30er Jahren von den Kontroversen um „die rechte Ordnung in der Welt“ , und S. Weinfurter bezeichnet 70 Jahre später den Gang nach Canossa als „Entzauberung der Welt“ . Parallel dazu wurden lokale Differenzen und unterschiedliche Geschwindigkeiten der Entwicklungen herausgestellt, die zum Beispiel die gemäßigte Unterstützung gregorianischer Ideen durch die Kapetinger in Frankreich unterstrich.
Die Idee einer Gregorianischen „Revolution“, die die gesamte Gesellschaft betraf, von rechtlichen Aspekten zu symbolischen Überlegungen, von ikonographischen Darstellungen bis hin zu den Beziehungen der politischen Kräfte, hat sich seitdem schrittweise durchgesetzt. Zunächst unter der Feder deutschsprachiger Historiker wie W. Ullmann und G. Tellenbach , später fortgeführt von angelsächsischen und französischen Wissenschaftlern. Einige dieser Arbeiten sind bereits intensiv diskutiert worden, sei es in Bezug auf einzelne Aspekte oder allgemeiner im Zusammenhang mit den Diskussionen über die „Mutation de l’an mil“. Die jüngere Forschung hat die Bedeutung dieser Zäsur um 1000 deutlich abgeschwächt und gleichzeitig dazu beigetragen, das gregorianische Moment als fundamentalen Bruch anzusehen. Heute ist zum Teil sogar von einer „Mutation de l’an 1100“ die Rede , die besonders (aber nicht nur) durch die päpstlichen Reformen und deren Konsequenzen in den lateinischen Gesellschaften bestimmt wurden.

Eine vergleichende, interdisziplinäre Forschungsbilanz
Das Ziel dieses Nachwuchsworkshops ist es, eine Bilanz der Forschungen der letzten Jahrzehnte zu ziehen. Angestrebt ist ein besseres Verständnis, wie Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Disziplinen und unterschiedlichen historiographischen Schulen die „Gregorianische Reform“ zeitlich und thematische definieren und, noch bedeutender, wie sie die Veränderungen dieser Epoche begreifen und bewerten.
Die Vorträge werden jeweils 25 Minuten dauern und sollen eine Bilanz über die jeweilige nationale Forschung ziehen. Der Workshop ist dezidiert interdisziplinär, Bewerbungen aus den verschiedensten Fachdisziplinen (Kirchen-, Liturgie-, Politik-, Sozial-, Wirtschafts-, Kultur- und Rechtsgeschichte, Diplomatik, Philologie, Archäologie und Kunstgeschichte) sind erwünscht. Für jeden Fachbereich sollen jeweils ein deutschsprachiger und ein französischsprachiger Vortrag gegenübergestellt werden.

Bewerbungsmodalitäten
Bewerben können sich fortgeschrittene Studierende, Promovierende und Postdocs, sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die sich zwischen diesen Phasen befinden. Es werden alle Bewerbungen zur deutschensprachigen und zur französischsprachigen Forschung berücksichtigt. Die Workshopsprachen sind neben Deutsch und Französisch - falls nötig - auch English. Um den Austausch zu erleichtern, wird darum gebeten, ein Handout oder eine Präsentation in der jeweils anderen Vortragssprache oder auf Englisch zur Verfügung zu stellen. Reisekosten sowie Verpflegung werden im Rahmen des zur Verfügung stehenden Budgets übernommen.
Alle Interessenten werden gebeten, einen einseitigen Abstract in deutscher oder französischer Sprache zu verfassen und diesen zusammen mit einem kurzen Lebenslauf (inklusive Sprachkenntnisse), einem Vortragstitel und den Kontaktdaten bis zum 14. Oktober 2018 an die beiden folgenden Adressen zu senden: tristan.martine@uni-lyon3.fr ; jeremy.winandy@uni-hamburg.de.

Wissenschaftliche Koordination
Tristan Martine (Université Jean Moulin Lyon 3)
Jérémy Winandy (Universität Hamburg)

Wissenschaftlicher Beirat
G. Bührer-Thierry (Université Paris 1)
C. Caby (Université Lumière Lyon 2)
J. Chiffoleau (EHESS)
Ph. Depreux (Universität Hamburg)
M.-C. Isaïa (Université Jean Moulin Lyon 3)
G. Lubich (Universität Bochum)
P. Monnet (IFRA-SHS/ EHESS)
J. Théry (Université Lumière Lyon 2)
S. Vanderputten (Ghent University)

La période post-carolingienne a donné lieu ces dernières décennies à des approches très différentes des deux côtés du Rhin, les débats sur le « mutationnisme » ou sur les questions spatiales étant par exemple beaucoup plus vifs en France, tandis que les chercheurs allemands s’intéressaient à d’autres questions, notamment celles des rituels politiques, à d’autres niveaux de l’aristocratie, avec une prégnance constante des études sur l’entourage impérial, et à d’autres chronologies, la césure que constituerait le Xe siècle étant largement moins forte dans l’historiographie de langue allemande. De même, la « réforme grégorienne », vaste mouvement réformateur qui toucha l’Occident du milieu du XIe au milieu du XIIe siècle dans le but de modifier les rapports entre clerici et laïci, fut très tôt envisagée de manière différente par les deux écoles historiographiques et cet atelier de jeunes chercheurs entend précisément faire le point sur les recherches récentes concernant cette période dans le royaume de France et dans l’Empire.

Des définitions fluctuantes
La notion même de « réforme grégorienne » est problématique : cette expression, initiée dans la première moitié du XIXe siècle par deux protestants, F. Guizot et J. Voigt, puis théorisée en langue allemande un demi-siècle plus tard , renvoie d’une part à une notion morale, tout en faisant, d’autre part, uniquement référence au conflit opposant Grégoire VII à Henri IV, ce qui est trop restrictif, puisque plusieurs papes menèrent une politique similaire dès le pontificat de Léon IX et J. Paul a ainsi proposé la formule de « réforme pontificale » . Mais, à la suite de la publication de l’ouvrage d’A. Fliche entre 1924 et 1937 , l’expression est solidement ancrée dans les esprits, surtout en France , puisque l’on parle surtout de la « Querelle des Investitures » côté allemand, même si cette formule ne décrit que la période 1076-1122 .
Les limites chronologiques de ce mouvement réformateur posent d’ailleurs également problème : on retient en général les années 1049-1122/1123, c’est-à-dire la période allant de l’avènement de Léon IX au concordat de Worms ou au premier concile de Latran. Cette durée chronologique est néanmoins désormais contestée, puisque dans leur philosophie, certains mouvements réformateurs des Xe et XIe siècles, notamment en Lotharingie ou à Cluny, semblent avoir inspiré de manière décisive les théories pontificales de la seconde partie du XIe siècle, tandis qu’à l’inverse, dans certaines régions, les effets concrets de ces conflits ne se firent ressentir qu’à la fin du XIIe, voire au début du XIIIe siècle.
Pourtant, l’« idéal-type » que constitue la « réforme grégorienne » semble nécessaire, et une redéfinition de son contenu et de ses limites a été entamée ces dernières années, afin notamment de mesurer en quoi elle fut une période de changement, une césure potentielle entre deux Moyen Âge.

Une rupture « révolutionnaire » ?
Dès le début du XXe siècle, la réforme grégorienne, cantonnée jusque-là principalement au champ de l’histoire religieuse, a été comprise dans un sens socio-politique plus large, G. Tellenbach évoquant le passage d’un « ordonnancement politique du monde » à un autre, tandis que S. Weinfurter décrivit l’épisode de Canossa comme étant la cause d’un « désenchantement » du monde . Dans le même temps, la recherche a montré les particularismes locaux et les rythmes différents, soulignant par exemple le grégorianisme modéré soutenu par les Capétiens dans le royaume de France.
L’idée d’une « révolution » grégorienne touchant l’ensemble de la société, de ses aspects juridiques aux considérations symboliques, de ses représentations iconographiques aux rapports de force politiques, s’est alors progressivement diffusée, d’abord sous la plume d’historiens germanophones, comme W. Ullmann et G. Tellenbach , puis sous celle de chercheurs de tradition anglo-saxonne et français . Certaines de ces positions ont pu être discutées, que ce soit sur des aspects précis ou de manière plus globale, en lien notamment avec les débats sur la « mutation de l’an mil », qui constituerait la véritable scansion du Moyen Âge. Les travaux récents ayant fortement atténué la pertinence de cette rupture, on assiste désormais en France à une nouvelle compréhension du moment grégorien comme période de rupture principale du Moyen Âge, au point que certains évoquent désormais une « mutation de l’an 1100 » , laquelle serait fortement (mais non uniquement) liée aux réformes pontificales et à leurs conséquences dans les sociétés latines.

Un état des lieux comparatif et interdisciplinaire
L’objectif de cette journée d’étude est justement de faire un état des lieux de la recherche des dernières décennies afin de comprendre comment les chercheurs issus de différentes disciplines et de plusieurs écoles historiographiques définissent d’un point de vue chronologique et thématique la « réforme grégorienne », d’une part, et surtout comment ils comprennent et mesurent les changements survenus durant cette période, d’autre part.
Les communications, d’une durée de 25 mn, devront donc faire le point sur l’état des recherches dans leur pays selon une perspective disciplinaire. En effet, cet atelier se veut résolument multidisciplinaire. Sont attendues des propositions en histoire religieuse, en liturgie, en histoire politique, sociale, économique et culturelle, en histoire du droit, en diplomatique, en philologie, en archéologie et en histoire de l’art. Nous essaierons de faire dialoguer pour chacune de ces disciplines les communications de deux jeunes chercheurs, l’un présentant les travaux germanophones et l’autre francophones.

Modalités de soumission
Peuvent répondre à cet appel à communication les étudiant.e.s en Master, (post)doctorant.e.s ainsi que les personnes qui se trouvent entre ces différentes phases. Nous acceptons toutes les propositions concernant les recherches de langues française et allemande. Les langues de travail du colloque seront prioritairement le français et l’allemand, mais l’anglais pourra être utilisé si nécessaire. Pour simplifier les échanges, un plan détaillé de la présentation ou un powerpoint dans l’autre langue que celle de la présentation ou éventuellement en anglais devra être fourni par les participant.e.s. Les frais de transport et d’hébergement seront pris en charge dans les limites du budget disponible.
Les candidat.e.s doivent envoyer un résumé d’une page en allemand ou en français, accompagné d’un titre, de l’affiliation universitaire, d’un bref C.V. précisant les capacités linguistiques ainsi que de leurs coordonnées. Merci de transmettre le résumé, avant le 14 octobre 2018 aux deux adresses suivantes : tristan.martine@uni-lyon3.fr ; jeremy.winandy@uni-hamburg.de.

Coordination scientifique
Tristan Martine (Université Jean Moulin Lyon 3)
Jérémy Winandy (Universität Hamburg)

Comité scientifique
G. Bührer-Thierry (Université Paris 1)
C. Caby (Université Lumière Lyon 2)
J. Chiffoleau (EHESS)
Ph. Depreux (Universität Hamburg)
M.-C. Isaïa (Université Jean Moulin Lyon 3)
G. Lubich (Universität Bochum)
P. Monnet (IFRA-SHS/ EHESS)
J. Théry (Université Lumière Lyon 2)
S. Vanderputten (Ghent University)

Programm

Kontakt

Jeremy Winandy

Universität Hamburg
Überseering 35#5
22297 Hamburg

15771305185

jeremy.winandy@uni-hamburg.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Französisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung