Gewaltgedächtnisse. Analysen zur Präsenz vergangener Gewalt sowie zur Gewaltsamkeit gesellschaftlicher Vergangenheitsbezüge

Gewaltgedächtnisse. Analysen zur Präsenz vergangener Gewalt sowie zur Gewaltsamkeit gesellschaftlicher Vergangenheitsbezüge

Veranstalter
Arbeitskreis „Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen“, Sektion Wissenssoziologie, Deutsches Gesellschaft für Soziologie (DGS); Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)
Veranstaltungsort
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.03.2019 - 15.03.2019
Deadline
30.11.2018
Website
Von
Nina Leonhard

Die Einebnung antiker Stätten des Nahen und Mittleren Ostens durch Kämpfer des sogenannten ‚Islamischen Staates‘ ist nicht einfach nur Vandalismus; es handelt sich vielmehr um eine gezielte Vernichtung von Erinnerungsstimuli und damit von bestimmten, an der Aura des Originals sich entzündenden Chancen der individuellen und kollektiven Herstellung kulturspezifischer Vergangenheitsbezüge. Nicht dass durch einen solchen Angriff historisches Wissen per se verlorenginge – zerstört werden jedoch die materialen Grundlagen kultureller Identität: Der Vergewisserung über Anfänge und Herkunft der Kultur fehlen wesentliche Anhaltspunkte. Doch nicht nur das gewaltsame Vorgehen gegen bedeutsame Dinge verweist auf Momente, wenn nicht sogar Politiken des Vergessenmachens; auch kollektives Tabuisieren oder Beschweigen, Redeverbote und Geheimhaltung dienen, wenn sie mit starker Sanktionsmacht versehen sind, der gewaltsamen Unterdrückung jedweder das gegenwärtige Verhalten und Handeln orientierenden Vergangenheitsbezüge. Wir haben es hier folglich mit sozialem Erinnern zu tun, das auf unterschiedlichen Spielarten gewaltsam durchgeführter Gedächtnismanipulation beruht, die immer auf die Vorbereitung von Prozessen eines (sozialen) Vergessens gerichtet ist.

Der Erforschung derartig gewaltsam bedingter Wechselspiele von Erinnern und Vergessen ist eine Tagung des Arbeitskreises Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen gewidmet, die im Frühjahr 2019 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam stattfinden soll. Ausgangspunkt hierfür ist eine wissenssoziologisch grundierte Forschungsperspektive, die sich in den letzten Jahren unter dem Begriff des sozialen Gedächtnisses entwickelt hat und die Muster, Modi und Funktionen sozialen Gewordenseins in den Blick nimmt. So verstanden treten soziale Gedächtnisse in der empirisch beobachtbaren Realität stets im Plural auf: sowohl explizit in Form bestimmter vergangenheitsbezogener Wissensbestände, als auch implizit als Routinen und Gewohnheiten, die eine materielle wie immaterielle Basis haben (können) – und zwar auf allen Ebenen des Sozialen, von der Familie über Organisationen zu Großkollektiven wie der Nation.

Diese Perspektive folgend rückt die geplante Tagung die theoretische wie empirische Analyse von „Gewaltgedächtnissen“ in den Mittelpunkt und damit die Frage nach der gedächtnisbildenden beziehungsweise - zerstörenden Rolle von Gewalt als prinzipiell jedem Menschen (und daher auch jedem Kollektiv) zur Verfügung stehenden Aktionsmacht (Popitz), die auf absichtliche Schädigung eines anderen abzielt oder diese zumindest androht.
Von Interesse sind daher Beiträge, die
- entweder den Blick auf konkrete Aktionsformen richten, die auf eine gewaltsame Beeinflussung des Erinnerns und seiner sachlichen, sozialen und zeitlichen Bedingungen abheben, um so ‚neue‘ und/oder ‚andere‘ Gedächtnisformationen hervorzubringen – zu denken ist hierbei beispielsweise an die Vernichtung materialer Wissensreservoirs in Geschichte und Gegenwart (Bücherverbrennung, damnatio memoriae, ethnische ‚Säuberung‘, Kontrolle und Zensur des Internet etc.)
- oder die gedächtniskonstituierenden oder -modifizierenden Folgen gewaltsamer Phänomene metaphorisch, theoretisch oder rekonstruktiv auf abstrahierende Weise beleuchten – zu denken wäre hier beispielsweise an Diskussionen zur Übertragbarkeit des ‚Phantomschmerzes‘, der ‚Narbe‘ oder des ‚Gespenstes‘ auf soziale Kontexte.

Ziel der Tagung ist es letztlich, das Verhältnis von Gedächtnis und Gewalt und damit insbesondere die Gewalthandeln eingeschriebenen Selektivitäten und Temporalitäten zu untersuchen, um so die ‚Gedächtnishaftigkeit‘ von Gewalt ebenso wie die ‚Gewalttätigkeit‘ sozialer Gedächtnisse theoretisch wie empirisch bestimmen zu können.

Vorschläge für Beiträge im Umfang von bis 2.500 Zeichen werden zusammen mit einer kurzen biografischen Notiz bis zum 30. November 2018 erbeten an Nina Leonhard (NinaLeonhard[at]bundeswehr.org) und an Oliver Dimbath (dimbath[at]uni-koblenz.de).

Tagungsorganisation:

Prof. Dr. Oliver Dimbath
Universität Koblenz-Landau
Campus Koblenz
Institut für Soziologie
Universitätsstraße 1
56070 Koblenz

PD Dr. Nina Leonhard
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Zeppelinstr. 127/128
14471 Potsdam

Programm

Kontakt

Nina Leonhard

Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Zeppelinstr. 127/128, 14471 Potsdam

NinaLeonhard@bundeswehr.org


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Deutsch
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