Vom Kaiserlichen Kommissar zum Hohen Repräsentanten: Zwangsadministrationen im historischen Vergleich (17. bis 21. Jahrhundert) Eine Tagung aus Anlass des Jubiläums 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 2012

Vom Kaiserlichen Kommissar zum Hohen Repräsentanten: Zwangsadministrationen im historischen Vergleich (17. bis 21. Jahrhundert) Eine Tagung aus Anlass des Jubiläums 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 2012

Veranstalter
Liechtenstein-Institut
Veranstaltungsort
Erwachsenenbildung/Seminarzentrum Stein Egerta, In der Steinegerta 26, FL-9494 Schaan
Ort
Schaan (Liechtenstein)
Land
Liechtenstein
Vom - Bis
13.09.2012 - 14.09.2012
Deadline
06.09.2012
Von
Fabian Frommelt

1712 verkauften die Grafen von Hohenems über kaiserliche Vermittlung die Reichsgrafschaft Vaduz an das Fürstenhaus Liechtenstein. Dieser Vorgang gilt, zusammen mit dem Kauf der Herrschaft Schellenberg 1699 und der Erhebung zum Reichsfürstentum Liechtenstein 1719, als wesentlicher Schritt der liechtensteinischen Staatsbildung. Mit dem Kauf von 1712 ging eine mehr als zwanzig Jahre dauernde Zwangsverwaltung der Grafschaft Vaduz durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bzw. durch einen kaiserlichen Kommissar zu Ende.

Ausgehend vom Beispiel der Grafschaft Vaduz werden an der Tagung Fälle und Formen der Zwangsadministration von Territorien durch übergeordnete Institutionen vom 17. bis ins 21. Jahrhundert vorgestellt. Historiker, Rechtshistoriker, Völkerrechtler und Politikwissenschaftler diskutieren u.a. Parallelen und Unterschiede im diachronen Vergleich.

Die kaiserliche Administration war in der frühen Neuzeit ein seltenes, aber nicht singuläres Instrument der kaiserlichen Politik, das verschiedenen Zwecken dienen konnte. So standen z.B. auch das Kurfürstentum Bayern (1704-1714) oder das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin (1717-1728/33) sowie verschiedene deutsche Reichsstädte zeitweilig unter der Verwaltung einer kaiserlichen Kommission.

Nach dem Ende des Alten Reiches 1806 und dem Eintritt der ehemaligen Reichsstände in die Souveränität fehlten im 19. Jahrhundert die Voraussetzungen für die Zwangsadministration durch eine staats- oder völkerrechtlich übergeordnete Einheit. Entsprechend hatten die einschlägigen Fälle des 19. Jahrhunderts – etwa die Zwangsverwaltung des „Reichslandes“ Elsass-Lothringen durch den deutschen Kaiser (1871-1918) oder Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn (1878-1908/1918) – einen anderen Charakter.

Im 20. Jahrhundert bestanden ab 1920 mit dem Völkerbund und ab 1945 mit den Vereinten Nationen internationale Organisationen, die einen als legitim akzeptierten völkerrechtlichen Rahmen für die Zwangsadministration instabiler oder zur Selbstverwaltung für unfähig befundener Gebiete abgaben. So wurden nach dem Ersten Weltkrieg die Freie Stadt Danzig (1920-1939) sowie die Abstimmungsgebiete Oberschlesien, Ost- und Westpreussen und Burgenland zeitweilig vom Völkerbund verwaltet. Die ehemaligen deutschen Kolonien und gewisse asiatische Gebiete des Osmanischen Reiches (Palästina, Syrien, Irak) waren dem Völkerbund unterstellt, welcher deren Verwaltung an Mandatarstaaten unter seiner Aufsicht übertrug. Das Mandatssystem des Völkerbundes wurde bei der Schaffung der Vereinten Nationen 1945 in das UN-Treuhandsystem überführt, das im Zuge der Entkolonialisierung allmählich seine Bedeutung einbüsste.

Auch mit der Entlassung des letzten UN-Treuhandgebiets in die Unabhängigkeit (Palau 1994) war die Geschichte der Zwangsadministration staatlicher Entitäten nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Seit den 1990er Jahren ist eine Zunahme internationaler Übergangsverwaltungen zu verzeichnen. So wurde u.a. nach dem Zerfall Jugoslawiens die Föderale Republik Bosnien und Herzegowina durch die Staatengemeinschaft anerkannt (1995) – bis heute übt jedoch der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft einen gewichtigen Teil der Staatsgewalt aus (Dayton-Vertrag). In Kosovo liegen seit 1999 massgebliche Teile der zivilen Verwaltung in den Händen einer UN-Mission (UNMIK) und, seit der kosovarischen Unabhängigkeitserklärung 2008, der Rechtsstaatlichkeitskommission der EU (EULEX).

Die Tagung orientiert sich an folgenden Leitfragen: Welche Gründe und Hintergründe, welche Zwecke und Aufgaben hatten die jeweiligen Zwangsadministrationen? Worin bestand deren politische und juristische Rechtfertigung und Legitimation? Wie und durch wen erfolgte deren Einsetzung und Beendigung? Welche Verwaltungsstrukturen bestanden und wie funktionierten diese in der Praxis? Mit welchen Problemen waren die Administrationen konfrontiert, welche Erfolge und Misserfolge waren zu verzeichnen? Stiessen die Zwangsadministrationen auf Akzeptanz oder auf Ablehnung durch die Bevölkerung, durch die ehemalige, abgesetzte Herrschaftselite und durch die anderen Reichsstände bzw. die Staatengemeinschaft?

Programm

Donnerstag, 13. September 2012

08.30 Begrüssung/Einleitung

08.45 Hon.-Prof. Dr. Leopold Auer (Wien): Zwangsverwaltungen in den Territorien des Alten Reiches. Zu den reichshofrätlichen Debitkommissionen im 18. Jahrhundert.

09.30 Lic. phil. Fabian Frommelt (Bendern): Die kaiserliche Administration der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz (1684-1712)

10.15 Pause

10.45 Dr. Stephan Deutinger (München): Die kaiserliche Administration Bayerns im Spanischen Erbfolgekrieg (1704-1714)

11.30 Prof. Dr. Matthias Asche (Tübingen): Vom Ständekampf zur Ständeanarchie? Ursachen, Verlauf und Folgen der Reichsexekution gegen Herzog Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin und seine überambitionierten Pläne (1717-1728)

12.15 Mittagspause

14.00 Prof. Dr. Anton Schindling (Tübingen): Kaiserliche Administrationen in deutschen freien Reichsstädten im 17. und 18. Jahrhundert

14.45 Prof. Dr. Nada Boškovska (Zürich): Die österreich-ungarische Verwaltung Bosnien-Herzegowinas im Auftrag des Berliner Kongresses (1878-1908)

15.30 Rahmenprogramm (für die Referentinnen und Referenten): Liechtensteinisches Landesmuseum, Vaduz: Sonderausstellung "1712 Das Werden eines Landes"

18.00 Öffentlicher Abendvortrag in Vaduz, Rathaussaal: Botschafter lic. rer. pol. Roland Marxer (Vaduz): Zur Dynamik der Kleinstaatendiplomatie: Einflussnahme Liechtensteins im Konzert der Grossen

Freitag, 14. September 2012

08.30 Prof. Dr. Madeleine Herren (Heidelberg): Formen internationaler Verwaltung im 19. und 20. Jahrhundert: Ein Überblick

09.15 Dr. Stefan Dyroff (Bern): Internationale Kontrolle lokaler Verwaltung in einer Konfliktregion. Das Experiment „Freie Stadt Danzig“ (1920-1939)

10.00 Pause

10.30 Dr. Guy Thomas (Basel): Vom Schutzgebiet zur Mandats- und Treuhandverwaltung: Koloniale Machtverschiebungen in Kamerun (1884-1961)

11.15 Rahmenprogramm (für die Referentinnen und Referenten): Besuch des Liechtenstein-Instituts, Bendern, Mittagspause

15.00 Dr. Sonja Grimm (Konstanz): Verwaltungstätigkeit der Internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina und Kosovo

15.45 Prof. Dr. Stefan Oeter (Hamburg): „International territorial administrations“ als neue Formen der internationalisierten Zwangsverwaltung

16.30 Schlussdiskussion

17.00 Tagungsende

UM ANMELDUNG WIRD GEBETEN

Kontakt

Fabian Frommelt, lic. phil., Forschungsbeauftrager
Liechtenstein-Institut, St. Luziweg 2, FL-9487 Bendern
00423 375 88 45, fabian.frommelt@liechtenstein-institut.li
Anmeldungen bitte an Frau Roswitha Meier, 00423 373 30 22, admin@liechtenstein-institut.li

http://www.liechtenstein-institut.li