Kopf oder Zahl. Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert

Kopf oder Zahl. Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert

Veranstalter
Museum LA8 - Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts
Veranstaltungsort
Museum LA8 - Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts
Ort
Baden-Baden
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.05.2011 - 28.05.2011
Von
Barbara Wagner

Kopf oder Zahl. Die Quantifizierung von allem im 19. Jahrhundert

Zahlen sind objektiv, rational, unabhängig von regionalem Dialekt oder Zeitstimmung, so scheint es. 2+2 ergibt 4, gleichgültig, ob dies heute ein chinesischer Erstklässler, ein Schweizer Kernphysiker oder im 19. Jahrhundert ein badischer Kolonialwarenbesitzer errechnet(e). Zahlen bringen Vernunft, Ordnung, Kalkulierbarkeit in die menschlichen Angelegenheiten, in die Wissenschaft, die Verwaltung, die Industrie, den Handel, das Bankwesen.

Sobald jedoch über die rationale Formalität der Zahl hinaus dasjenige in den Blick kommt, was gezählt wird, verschwindet alle Vernunft, und starke Gefühle treten auf: persönlicher Reichtum, das Handelsvolumen einer Volkswirtschaft, die Armeestärke, die Fläche eines Nationalstaates oder umkämpften Territoriums. Das Glücksspiel reizt mit Zufall und Unberechenbarkeit der Zahl. Aus mythischen und religiösen Quellen speist sich die irrationale Alltagsmacht der 3 („Alle guten Dinge …“), der 7 („Die glorreichen …“) oder der 13 („Freitag, der …“)

Im 19. Jahrhundert vollzieht sich die allgemeine Modernisierung nicht zuletzt als Quantifizierung aller Lebensbereiche. Regional verschiedene Maßeinheiten und Zeittaktungen werden genormt und vereinheitlicht, Bevölkerungsstatistik und Nationalökonomie entstehen, Handel und Geldverkehr werden standardisiert, nationalisiert und ansatzweise globalisiert, an den Börsen von St. Petersburg, Brüssel, New York, Warschau oder München wird im Medium der Zahlen auf die Zukunft gewettet. Die „bare Zahlung“ verbessert die freie Verfügbarkeit vieler neuer Waren, macht zugleich aber alle Waren immer austauschbarer. Nicht wenige Denker des 19. Jahrhunderts beklagen den Verlust aller Qualitäten zugunsten umfassender Quantifizierung.

Auf der Tagung widmen sich Kunst- und Technik-Historiker, Literaturwissenschaftler und Mentalitätsforscher dem bis heute folgenreichen Triumph der Zahl in allen Lebensbereichen des 19. Jahrhunderts. Die Quantifizierung vereinfachte und versachlichte, und zugleich abstrahierte und mystifizierte sie das tägliche Leben.

Programm

9.30 Begrüßung

9.45 Der Badener Autopionier Joseph Vollmer: Vordenker der DIN
Gisela Zincke, Wuppertal

10.20 Kopf oder Zahl? Jedes zweite Los gewinnt.
Dr. Barbara Wagner, Kuratorin des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Baden-Baden

10.55 Kaffeepause

11.10 Zählen und Erzählen. Das Medium Geld in Romanen des 19. Jahrhunderts
Prof. Dr. Lutz Ellrich, Theater-, Film-, Fernseh-, Medienwissenschaftler, Universität zu Köln

11.45 Bare Zahlung in der Kunst des 19. Jahrhunderts
Prof. Dr. Matthias Winzen, Direktor des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts, Baden-Baden

12.20 Mittagspause

13.45 Charles Fourier: Weltharmonie in Zahlen
Prof. Dr. Johannes Bilstein, Professor für Pädagogik, Kunstakademie Düsseldorf

14.20 Demographie – Statistik – Zahlenvergleich. Die Soziologie der Juden als Wissenschaftsthema im späten 19. Jahrhundert
Dr. Nicolas Berg, Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur, Leipzig

14.55 Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden. Und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt. Metaphysik und Empirie im 19. Jahrhundert
Prof. Dr. Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Universtät Mannheim

15.30 Abschließende Diskussion

Kontakt

Barbara Wagner

Lichtentaler Allee 8, 76530 Baden-Baden

bwagner@museum.la8.de

http://www.museum.la8.de
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Deutsch
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