Daten, Digitalität und historisches Lernen

Daten, Digitalität und historisches Lernen

Veranstalter
Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, Sabrina Schmitz-Zerres (Universität Münster) und Daniel Brandau (Universität Bielefeld)
Gefördert durch
Konferenz für Geschichtsdidaktik, NFDI4Memory
PLZ
37079
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
10.06.2024 -
Deadline
10.06.2024
Von
Daniel Brandau, Abteilung Geschichtswissenschaft, Universität Bielefeld

Das Themenheft möchte den Begriff der „Daten“ aus theoretischer, empirischer und pragmatischer Perspektive diskutieren. Es fragt danach, welche Bedeutung (digitale) Daten für das historische Lernen selbst haben und wie Daten und Datenkompetenz geschichtsdidaktisch gefasst werden können. Die Beiträge bestimmen dazu das Verhältnis von Data Literacy und Digital Literacy. Das Heft wird wie gewohnt ein „Forum“ enthalten, in dem nicht-themengebundene Beiträge publiziert werden können.

Daten, Digitalität und historisches Lernen

Im Zuge der digitalen Transformation nimmt die Bedeutung von (Massen-)Daten auch in Schule und Hochschule stetig zu – sowohl in der Steuerung und Kontrolle von Arbeits- und Lernprozessen wie auch in der wissenschaftlichen Forschung. Daten sind dabei nicht nur Ressourcen für historisches Lernen, sondern können auch der Lerngegenstand selbst sein. Wenngleich Digitalität das historische Lernen und die Geschichtskultur tiefgreifend verändert, wurde sie bislang in der Geschichtsdidaktik vor allem als medialer Wandel sowie in Bezug auf digitale Einzelmedien und technische Gestaltungsmöglichkeiten des Geschichtsunterrichts diskutiert.

Reflexive Zugänge zur Rolle der Digitalität in Lehr- und Lernprozessen sowie die Digitalität von (Forschungs-)Daten sind aus geschichtsdidaktischer Perspektive bislang nur am Rande thematisiert worden. Zwar verweist das Fach auf traditionelle Stärken und Schwerpunkte im Umgang mit (vordigitalen) Daten, etwa wenn es um heuristische Kritik oder Fragen der Triftigkeit von Narrationen geht. Weniger beachtet wurde dabei bislang die Perspektive auf die Expansion elektronischer Daten: Die Digitalisierung führt zu einer Ausweitung von Datenerhebung, -speicherung und -nutzung sowie zu vernetzten Wegen der Kommunikation. Die „Cultures of Digitality“ (Stalder 2017) stellen damit neue Anforderungen an eine Datenkultur, die erst durch entsprechende Kompetenzbildung erschlossen, reflektiert und demokratisch gestaltet werden kann.

Als ein Kernelement der bei Lernenden zu fördernden digitalen Kompetenzen ist daher in verschiedenen Modellen eine „Data Literacy“, oder Datenkompetenz, beschrieben worden. Es besteht in der geschichtsdidaktischen Forschung Konsens darüber, dass der Geschichtsunterricht ein geeigneter Ort sei, um jene „Digital Literacy“ zu fördern (Seever/Sacher 2022; Tietze-Müller 2020), doch Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur Data Literacy, Information Literacy oder Media Literacy wurden kaum ausgelotet. Außerdem sind bislang weder Digitalität geschichtsdidaktisch reflektiert noch aus jenen fächerübergreifenden Ansätzen fachspezifische Schlussfolgerungen abgeleitet worden. Auch aus der Verbindung zu Methoden der Digital Humanities wurde bislang wenig geschichtsdidaktisches Potential entwickelt. Dabei werden in der Praxis von Forschung und Lehre an Hochschulen Data Literacy-Module erprobt und Methoden der Digital Humanities implementiert, doch sie sind noch selten in den Fächern verankert. Zudem verändert die Digitalisierung nicht nur Lerninhalte, sondern auch die Begleitung, Planung und Reflexion von Lernprozessen. Der Umgang mit Lerndaten und Learning Analytics verlangt von Lehrkräften die Fähigkeit, die von digitalen Werkzeugen produzierten Daten kritisch zu bewerten und zu nutzen sowie innewohnendem Bias zu begegnen.

Das Themenheft möchte den Begriff der „Daten“ aus theoretischer, pragmatischer und empirischer Perspektive diskutieren und für die geschichtsdidaktische Forschung domänenspezifisch fassen. Die Beiträge sollen sich der beschriebenen Desiderate annehmen, die aus der interdisziplinären Beschäftigung resultieren. Es wird danach gefragt, welche Bedeutung (digitale) Daten für das historische Lernen selbst haben, und wie Daten und Datenkompetenz aus fachspezifischer Sicht definiert und Anforderungen benannt werden können. Die Beiträge bestimmen dazu das Verhältnis von Data Literacy und Digital Literacy und beleuchten es auf theoretischer, empirischer und/oder pragmatischer bzw. unterrichtsmethodischer Ebene.

Beiträge können sich mit diesen (und weiteren) Fragestellungen beschäftigen und/oder übergreifende Fragestellungen adressieren:
- Data Literacy und historisches Denken: In welchem Verhältnis stehen digitale Daten und ihre Nutzung zu den geschichtsdidaktischen „Fundamentalkategorien“ des Geschichtsbewusstseins und der Geschichtskultur? Auf welche Weise und mithilfe welcher theoretischen Prämissen können historisches Denken und eine geschichtsdidaktische Data Literacy verknüpft werden? Wie könnten verschiedene Ebenen digitaler (Daten-) Kompetenzen aus theoretischer und pragmatischer Perspektive ausdifferenziert werden?
- Daten in der (digitalen) Geschichtskultur: Welche Merkmale kennzeichnen eine digitale Geschichtskultur? Inwiefern verändern sich die Beziehungen zwischen den Akteuren des „sozialen Systems der Geschichtskultur“ unter den Bedingungen der Digitalität und wie lassen sich jene Transformationsprozesse analytisch fassen? Wie beeinflussen die Merkmale der „Kultur der Digitalität“ geschichtskulturelle Repräsentationen? Welchen Einfluss können Open Data auf die Konstruktion von Geschichtsbildern nehmen? Welche Möglichkeiten bieten (Massen-)Daten zur Analyse digitaler geschichtskultureller Produkte und Repräsentationen?
- Digital Humanities und Geschichtsdidaktik: Inwiefern kann die geschichtsdidaktische Forschung von Forschungsmethoden der Digital Humanities profitieren? Welchen Stellenwert haben digitale Kompetenzen (wie die Fähigkeit zur Verwendung von Programmiersprachen oder die Arbeit mit Datenbanksystemen) in der Geschichtsdidaktik? Welche domänenspezifischen Ansätze gelten für die Arbeit mit Lern- und Forschungsdaten? Inwiefern profitiert die Geschichtsdidaktik in Theorie, Empirie und Pragmatik von Educational Data Mining und Learning Analytics, und welche Grenzen gilt es auszuloten? Wie beeinflussen digitale Akteure wie K.I.-Modelle geschichtsdidaktische Theorien, Zugänge und Fragestellungen?
- Data Literacy in Geschichtsunterricht und Studium: Welche geschichtsdidaktischen Spezifikationen sind notwendig, um Data Literacy in Bezug auf historische Lehr- und Lernprozesse zu profilieren? Auf welche Weise können (welche) Digitalkompetenzen fachspezifisch in den Geschichtsunterricht integriert werden? Welche Anforderungen werden an die Ausbildung von Lehrkräften gestellt? Welche Potentiale und Grenzen hat historisches Lernen mit, von und über Sprachmodelle(n) wie ChatGPT, und wie können Prinzipien der Responsible A.I. geschichtsdidaktisch reflektiert werden? Inwiefern können Open Educational Resources und alternative Prüfungsformate unter Zuhilfenahme digitaler Medien die traditionelle Lern- und Prüfungskultur verändern?
- Massendaten als historische Quelle(n): Welche Bedingungen und Potenziale bestehen in pragmatischer Hinsicht, wenn Daten als Quellen für historisches Lernen verstanden werden? Beobachten wir einen Computational Turn, eine Verschiebung von qualitativer hin zu quantitativer Analyse? Wie kann damit umgegangen werden?

Auch der kommende Jahresband der ZfGD wird wie gewohnt ein „Forum“ enthalten, in dem nicht-themengebundene Beiträge publiziert werden können.

Organisatorisches und Rezensionsteil
Interessent:innen für die Übernahme eines Beitrages werden gebeten, Kurzexposés im Umfang von max. 500 Wörtern sowie einer Kurzbiografie (200 Wörter) bis zum 10. Juni 2024 bei den Heftherausgeber:innen einzureichen. Nach Prüfung der Exposés erfolgt die Rückmeldung und Anforderung der Beiträge gegen Mitte Juli. Die Manuskripte müssen bis zum 30. November 2024 vorliegen. Danach werden die Beiträge in einem doppelt anonymisierten („double blind“) Peer Review-Verfahren begutachtet. Im März 2025 erfolgt die Information über die Ergebnisse der Begutachtung. Der Beitragsumfang ist auf max. 45.000 Zeichen (inkl. Fußnoten und Leerzeichen) begrenzt. Die Redaktionsrichtlinien können Sie unter https://www.historicum.net/kgd/publikationen/zeitschrift-fuer-geschichtsdidaktik abrufen; zudem ist ein CITAVI-Zitationsstil „Zeitschrift für Geschichtsdidaktik“ im Rahmen von CITAVI verfügbar. Aufgrund dieser Redaktionsabläufe (nebst Rückmeldung an die Autor:innen) können nicht fristgerecht eingereichte Manuskripte keine Berücksichtigung finden.
Zudem wird ebenfalls bis zum 10. Juni 2024 um Angebote für Rezensionen zu Neuerscheinungen in den Publikationsjahren 2023 und 2024 gebeten. Der Umfang der Rezensionen ist auf 5.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) begrenzt.
Bitte senden Sie Ihr Beitragsexposé bzw. Ihr Rezensionsangebot an: Daniel Brandau (daniel.brandau@uni-bielefeld.de) und Sabrina Schmitz-Zerres (sabrina.schmitz-zerres@uni-muenster.de).

Kontakt

daniel.brandau@uni-bielefeld.de
sabrina.schmitz-zerres@uni-muenster.de

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