Geschichte als Kritik

Veranstalter
Philipp McLean, Jörg van Norden
Ausrichter
Philipp McLean, Jörg van Norden
Veranstaltungsort
Bielefeld
Gefördert durch
Universität Bielefeld Abteilung Geschichte
PLZ
33615
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
18.03.2024 - 19.03.2024
Deadline
02.02.2024
Von
Jörg van Norden, Geschichtsdidaktik, Universität Bielefeld

Die Tagung dreht sich um die Frage, ob Geschichte als Kritik wirken kann, eine Kritik, die gesellschaftliche Verhältnisse problematisiert und auf Befreiung ausgelegt ist. In Krisenzeiten ist eine solche Kritik möglicherweise besonders wichtig. Aufbauend auf den entsprechenden, noch unveröffentlichten Sammelband soll die Diskussion weitergeführt und die verschiedenen Ansätze verknüpft werden, um ein Netzwerk „Geschichte als Kritik“ entstehen zu lassen.

Geschichte als Kritik

Die (wissenschaftliche) Beschäftigung mit Geschichte(n) soll der einflussreichen Geschichtstheorie Rüsens nach der Orientierung in der Zeit dienen. Aber auch abseits des Rüsen‘schen Diktums ist die Vorstellung verbreitet, dass die Beschäftigung mit Geschichte(n) bezweckt, sich in der Gegenwart zurechtzufinden und etwas über die Fundamente zu erfahren, auf der die jeweiligen gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse ruhen, um die Gegenwart entsprechend interpretieren und um schlussendlich etwas aus der Vergangenheit für die Gegenwart und vielleicht gar für die Gestaltung der Zukunft zu lernen. Entsprechende Narrative verknüpfen die drei Zeitebenen in handlungsorientierender Absicht.

Auffälliger Weise scheint diese Orientierung an und in der Geschichte häufig zu einer Stabilisierung der jeweiligen gegenwärtigen Verhältnisse zu führen. Narrative erklären dann den gesellschaftlichen Status quo und orientieren auf eine sinnvolle Existenz in der bestehenden Gesellschaft hin. Identität, sei es die von Individuen, Nationen oder anderen Kollektiven, soll durch die jeweiligen Narrationen gesichert und gar erst durch sie gestiftet werden. Eine solche auf Loyalität gegenüber dem, was ist, abzielende Historizität, beschränkt kritische Narrative darauf, zu einer höheren – d.h. gewissermaßen besseren – Erzählweise zu gelangen, um auf diese Art und Weise Widersprüche aus der Welt zu schaffen.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob historische Bildung, die auch auf die Mündigkeit bzw. die Emanzipation ihrer Edukand:innen abzielt, nicht viel deutlicher etwas zur Gesellschaftskritik beitragen kann, müsste oder sollte. Durch eine Kritik gegenwärtiger Verhältnisse könnte historische Bildung zur reflexiven Wahrnehmung aktueller Selbstbestimmungsmöglichkeiten und Fremdbestimmungsgefahren beitragen und auf diese Weise eine mündigere, d.h. selbstbestimmtere Praxis vorbereiten. Kann historisches Denken einen Möglichkeitsraum für Emanzipation öffnen?

Die Referent:innen der Tagungen haben sich in ihren Beiträgen zu einem in Kürze erscheinenden Sammelband mit „Geschichte als Kritik“ beschäftigt und sind dabei mit einander intensiv ins Gespräch gekommen. Die Diskussion war so anregend, dass wir sie jetzt in einer Tagung weiterführen wollen. Dabei geht es im Besonderen darum, was letztlich der Gegenstand sein kann, an dem Geschichte Kritik übt. Wie weit soll die Kritik gehen und wo liegen mögliche Grenzen? Welche Funktion soll die Kritik haben, wo soll sie z.B. verunsichern und wo etwas absichern? Wo soll ihr Erkenntnisinteresse liegen? Wird für die so formulierte Kritik ein gesellschaftlicher Bedarf gesehen oder wird sie eher als Zumutung abgelehnt und von wem? Kann und soll historische Bildung für Kritik begeistern?

Programm

Montag 18.03.2024

11:30 Uhr Ankommen
12 :00 Uhr Begrüßung

12:15 – 14:00 Uhr
Panel I: Kritik der Digitalisierung, Digitalisierung als Kritik?

12:15 Rüdiger Brandis (Universität Göttingen), Alexandra Petrus (University of Southern California): Digitale Spiele und die Dekonstruktion von historischem Wissen
12: 30 Mathias Hermann (TU Dresden), Martin Reimer (TU Dresden): “[…]to question the impact of this history[…]”? Digitale und analoge Spiele mit (post)kolonialem Setting als Medien einer kritischen historischen Bildung
12:45 Diskussion
13:00 Marlene Pieper (Universität Bielefeld), Till Neuhaus (Universität Bielefeld): Zur Geschichtsvergessenheit gegenwärtiger Digitalisierungsbemühungen – Eine Rahmung von Digitalisierungsvorhaben als Ausdruck technokratischen Denkens
13:15 Jessica Kreutz (Universität Frankfurt): "Von der Quellenkritik zur digitalen Objektkritik. Über den Beitrag einer digitalbezogenen Historischen Grundwissenschaft zur Medienbildung"
13:30 Diskussion

14:00 Uhr Pause

14:15 – 15:15 Uhr
Podiumsdiskussion: Geschichte als Kritik im (staatlichen) Geschichtsunterricht?
Thanushiyah Korn (Universität Basel),
Nina Reusch (Freie Universität Berlin),
Michael Brunnert (Universität Bielefeld)

15:15 Uhr Pause

15:45 – 18:15 Uhr
Panel II: Geschichtsforschung

15:45 Frank Sobich (Universität Frankfurt): Verkehrte Vergangenheit Fragen eines lesenden Geschichtsdidaktikers – und ein paar Antwortvorschläge
16:00 Moritz Y. Meier (Universität Bielefeld): Überlegungen zu einer kritisch-dialektischen Theorie der Geschichte und ihrer Wissenschaft
16:15 Jan Gräber (Jetztzeit e.V.): Das Zuspätkommen der Geschichte: Eine Kritik an den Veränderungsvorstellungen in der Geschichtsschreibung
16:30 Diskussion
17:00 Sebastian Engelmann (PH Karlsruhe), Katharina Vogel (Universität Göttingen): Die Historie historisieren – Empirische Wissensgeschichte der Pädagogik als Element kritisch-historischer Bildung in der Erziehungswissenschaft
17:15 Sonja Dolinsek (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg): Die Geschichte von „Menschenhandel“ und das kritische Potenzial der Geschlechtergeschichte
17:30 Sebastian Ernst (Universität Potsdam), Ralf Pröve (Universität Potsdam): Vollkornbrot statt Schokolade? Historiographietheater und die Kunst, selber denken zu lernen
17:45 Diskussion
18:15 Uhr Pause

18:45 – 19:45 Uhr
Panel III: Geschichtsdidaktik

18:45 Dieter Friedrichs (Universität Duisburg-Essen): Politische Bildung durch die Bildung der Historiographie
19:00 Benjamin Reiter (Universität Bamberg): Historische Gerechtigkeit. Werteorientierung in der historischen Bildung als Ressource zur Kritik des geschichtspolitischen Umgangs mit historischem Unrecht
19:15 Thomas Hellmuth, Lorenz Prager (Universität Wien): Neue Kritische Geschichtsdidaktik Lebensweltliche Sinnbildung und Gesellschaftskritik
19:30 Diskussion
20:00 Abendessen

Dienstag, 19.03.2024

09:00 Uhr Begrüßung

09:15 – 10:30 Uhr
Panel IV: Erinnerungskultur und die „Anderen“

09:15 Nina Rabuza (Universität Innsbruck): Verdinglichte Erinnerung. Überlegungen zu einer kritischen Analyse von Denkmälern an KZ-Gedenkstätten
09:30 Katrin Antweiler (Universität Bremen): Wider die Gewissheit, es lebe der Zweifel!
09:45 Jan Siefert (Universität Duisburg-Essen): Unangenehme Narrative in der Erzählung der „Anderen“ Zum Potential von Narrationen aus Perspektive außereuropäischer Kulturräume für einen kritischen Geschichtsunterricht in einer globalisierten Geschichtskultur
10:00 Diskussion
10:30 Uhr Pause

11:00 – 12:15 Uhr
Panel V: Holocaust und Nationalsozialismus

11:00 Abraham Ingber (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Jenseits des Bösen. Ein kritischer Blick auf die Grenzen des Rettungswiderstands in der historisch-politischen Bildung
11:15 Karl Sommer (Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg): suum cuique Geschichtsunterricht, (k)eine Kritik des Antisemitismus?
11:30 Arne Meinicke (Universität Hamburg), Johannes Eder (Goethe-Universität Frankfurt am Main): "Aufarbeitungsstolz". Der Nationalsozialismus im Lichte deutscher Geschichtspolitik - eine Kritik
11:45 Diskussion
12:15 – 13:00 Uhr Abschlussrunde
13:00 Uhr Mittagessen in der Mensa

Veranstaltungsort
Universität Bielefeld (X-Gebäude)
Universitätsstraße 25 33615 Bielefeld
Raum X A2 – 103

Kontakt

rita.gaye@uni-​bielefeld.de

Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung