Inscriptio – Quo Vadis? Inschriften als Untersuchungsgegenstand im interdisziplinären Diskurs

Inscriptio – Quo Vadis? Inschriften als Untersuchungsgegenstand im interdisziplinären Diskurs

Veranstalter
Lisa Horstmann
Veranstaltungsort
TU Darmstadt, Fachbereich Architektur
PLZ
64287
Ort
Darmstadt
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.11.2023 - 25.11.2023
Deadline
31.07.2023
Von
Lisa Horstmann, Mediävistische Bild- und Kulturwissenschaften, TU Darmstadt

Jahrestagung des Brackweder Arbeitskreises für Mittelalterforschung vom 24. bis 25.11.2023 an der TU Darmstadt.

Inscriptio – Quo Vadis? Inschriften als Untersuchungsgegenstand im interdisziplinären Diskurs

Galten Schrift und Schriftzeichen lange vornehmlich als Träger von aufgezeichneter Sprache, werden sie in den letzten Jahren zunehmend auch auf weiteren Ebenen untersucht. Über ihre sprachbezogenen Funktionen hinaus wird Schrift als „Spur von Bewegungen und Ergebnis von Handlungen“ verstanden, sie rückt als Kulturtechnik in den Blick, wird in ihrer räumlichen und zeitlichen Dimension untersucht sowie in ihrer Präsenz und Wirksamkeit. Nicht zuletzt hängt das erstarkte Interesse im Besonderen an Inschriften u.a. an dem epigraphischen Großprojekt „Die Deutschen Inschriften“, das in historisch-kritischen Editionen lateinische und deutsche Inschriften aus dem deutschen Sprachraum für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit aufarbeitet. Doch nicht nur bei der Bearbeitung lateinischer und deutscher Inschriften, stellt sich die Frage: Wohin geht der künftige Weg? Welche Erkenntnisse lassen sich über die Funktion von Inschriften im interdisziplinären Diskurs gewinnen? Welche Fragen muss die künftige Inschriftenforschung an ihr Material stellen?

Inschriften sollen im Rahmen der Tagung nach Kloos definiert werden als „Beschriftungen verschiedener Materialien – in Stein, Holz, Metall, Leder, Stoff, Email, Glas, Mosaik usw. –, die von Kräften und mit Methoden hergestellt sind, die nicht dem Schreibschul- oder Kanzleibetrieb angehören „. Sie sind also auf einen materiellen Träger eingeschrieben, aufgemalt, eingemeißelt, gestickt, getrieben, geätzt oder geritzt und gehen damit immer eine besondere Verbindung mit diesem ein. Schriftträger und Schreibtechnik transportieren dabei bereits Bedeutung. Aber auch die Berücksichtigung der Positionierung einer Inschrift im Raum, ihre Zugänglichkeit und Sichtbarkeit bietet einen erkenntnistheoretischen Mehrwert und kann Rückschlüsse auf intendierte Rezeptionsprozesse bzw. ihre Funktion zulassen.

All diese gestalterischen Entscheidungen prägen die Wahrnehmung von Inschriften auf der Rezeptionsseite und können Auskunft über die Intentionen der Produzent:innen geben. Die Inschrift wird somit zu einer wissenschaftlichen Quelle, die weit mehr transportieren kann als einen Text. Letztlich gibt es kein Geschriebenes ohne Gestaltung.

Während Lessing in seinem Laokoon Schrift und Bild deutlich voneinander getrennt hat, wird diese Dichotomie spätestens mit dem Begriff der „Schriftbildlichkeit“ von Sybille Krämer gänzlich aufgehoben. Als „Kippfigur“ oder „Hybride“ vereint Schrift diskursive und ikonische Attribute, die in ihren referentiellen Bezügen synoptisch und simultan aufgenommen werden. Der Schrift ist demnach immer eine Bildlichkeit inhärent, die sich als solche und im Wechselspiel mit der Sprachlichkeit von Inschriften zu untersuchen lohnt.

Epistemische und ästhetische Potenziale von Inschriften sollen im Rahmen dieser Tagung aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen diskutiert werden. Im Zentrum können dabei sowohl reale in situ erhaltene sowie dislozierte oder neu kontextualisierte Inschriften als auch fiktive, erzählte Inschriften stehen.

Um diese Potenziale zu ergründen, können Inschriften beispielweise unter folgenden Aspekten beleuchtet werden:

- Inwiefern werden Informationen jenseits eines möglichen Textes durch Gestaltung oder Positionierung von Inschriften vermittelt?
- In welcher Relation steht die Wahl der Schriftart, die Größe der Buchstaben bzw. Layoutentscheidungen im weitesten Sinne zum Text einer Inschrift?
- Lassen die Inschriften in ihrer Form Rückschlüsse auf intendierte Rezipient:innen oder Rezeptionspraktiken zu?
- In welcher Beziehung stehen sprachlicher und bildlicher Gehalt von Inschriften?
- Welche Auskunft geben Erzählungen über Produktions- und Rezeptionspraktiken von Inschriften?

Dem interdisziplinären Fokus der Tagung entsprechend sind Beiträge von Nachwuchswissenschaftler:innen aus den Bild- und Kunstwissenschaften, der Theologie, Geschichtswissenschaft, Germanistik sowie weiterer relevanter Disziplinen erwünscht.

Vorschläge für einen Redebeitrag von 20–30 Minuten mit anschließender Diskussion senden Sie bitte bis zum 31.07.2023 unter Angabe des Titels, einer knappen inhaltlichen Zusammenfassung (max. 300 Worte), sowie einer wissenschaftlichen Kurzvita (maximal eine Seite) nebst Kontaktdaten an: l.horstmann@kunst.tu-darmstadt.de.

Die Reise- und Übernachtungskosten der Referent:innen können vermutlich übernommen werden. Es wird sich um eine Sicherung der Finanzierung bemüht.

Literatur:

Aleida Assmann, Lesen als Kippfigur. Buchstaben zwischen Transparenz und Bildlichkeit, in: Sybille Krämer / Eva Cancik-Kirschbaum / Rainer Totzke (Hrsg.), Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen (Schriftbildlichkeit 1), Berlin 2012, S. 235–244.
Nikolaus Dietrich / Lisa Horstmann / Andrea Bernini et al., Layout, Gestaltung, Text-Bild, in: Nikolaus Dietrich / Ludger Lieb / Nele Schneidereit (Hrsg.), Theorie und Systematik materialer Textkulturen. Abschlussband des SFB 933 (Materiale Textkulturen 46.1), Berlin/Boston 2023.
Tobias Frese / Wilfried E. Keil / Kristina Krüger (Hrsg.), Verborgen, unsichtbar, unlesbar – zur Problematik restringierter Schriftpräsenz (Materiale Textkulturen 2), Berlin/Boston 2014.
Tobias Frese / Lisa Horstmann / Franziska Wenig (Hrsg.), Sakrale Schriftbilder. Zur ikonischen Präsenz des Geschriebenen im mittelalterlichen Kirchenraum (Materiale Textkulturen 42), erscheint 2023.
Christian Kiening / Martina Stercken (Hg.), SchriftRäume. Dimensionen von Schrift zwischen Mittelalter und Moderne, Zürich 2008.
Sybille Krämer, „Schriftbildlichkeit“ oder: Über eine (fast) vergessene Dimension der Schrift, in: Sybille Krämer / Horst Bredekamp (Hrsg.), Bild, Schrift, Zahl, München 2003, S. 157–176.
Sybille Krämer / Eva Cancik-Kirschbaun / Rainer Totzke (Hrsg.), Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen (Schriftbildlichkeit 1), Berlin 2012.
Sybille Krämer, Das Bild in der Schrift. Über „operative Bildlichkeit“ und die Kreativität des Graphismus, in: Boris Roman Gibhardt / Johannes Grave (Hrsg.), Schrift im Bild. Rezeptionsästhetische Perspektiven auf Text-Bild-Relationen in den Künsten, Hannover 2018, S. 209–222.
Sybille Krämer / Horst Bredekamp (Hrsg.), Bild, Schrift, Zahl, München 2003.
Ulrich Rehm / Linda Simonis (Hrsg.), Poetik der Inschrift, Heidelberg 2019.
Linda Simonis, Ephemere Inschrifte: Sand, Wasser, Schnee, Luft und Graffiti, in: Ulrich Rehm / Linda Simonis (Hrsg.), Poetik der Inschrift, Heidelberg 2019, S. 137–157.
Laura Velte / Ludger Lieb (Hrsg.), Literatur und Epigraphik: Phänomene der Inschriftlichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit (Philologische Studien und Quellen 285), Berlin 2022.

Kontakt

E-Mail: l.horstmann@kunst.tu-darmstadt.de

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