Exhibiting Difficult Histories: Benin Objects and their Potential for New Forms of Representation

Exhibiting Difficult Histories: Benin Objects and their Potential for New Forms of Representation

Organisatoren
Verena Rodatus / Maria Ellendorff / Gitti Salami, Ethnologisches Museum Berlin
PLZ
10178
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Fand statt
Hybrid
Vom - Bis
19.04.2024 -
Von
Philipp Molderings, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Keine anderen Objekte haben im Rahmen der Debatten über Raubkunst aus kolonialen Kontexten in Deutschland ein so großes Interesse auf sich gezogen wie die ikonischen Benin-Objekte des Ethnologischen Museums Berlin. In Folge der von Bund, Ländern und Museumsrepräsentanten verabschiedeten „Benin-Erklärung“ hatte das Ethnologische Museum im Sommer 2021 die Entscheidung getroffen, alle 512 Objekte, die in direktem Zusammenhang mit der sogenannten Britischen Strafexpedition von 1897 nach Berlin gelangt waren, an das Herkunftsland Nigeria zu restituieren und sich ebenso genötigt gesehen, die bereits seit 2015 fertig geplante Ausstellung zu Benin innerhalb kürzester Zeit vollständig neu zu konzipieren. Weit nachdrücklicher als zuvor ist für die zuständigen Kuratorinnen seither die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wie sich die Perspektiven von Mitgliedern der Herkunftscommunities und der ebenso auf Mitspracherecht pochenden Vertreter:innen nationaler und internationaler Diaspora-Gruppen in die Ausstellungskonzeptionen einbinden lassen. Aus Anlass der Eröffnung eines neu gestalteten Teilbereichs der Benin-Ausstellung im Humboldt-Forum hat das Ethnologische Museum jüngst fünf renommierte Wissenschaftler:innen aus Nigeria, den USA, Großbritannien, Deutschland und Schweden zu einem Symposium nach Berlin eingeladen, von deren Erkenntnissen zum „Ausstellen schwieriger Geschichten“ die Veranstalterinnen sich Anregungen für die eigene künftige Ausstellungspraxis erhofften.

Sammlungsdirektor LARS-CHRISTIAN KOCH (Berlin) betonte während seiner Begrüßung zu dem in englischer Sprache abgehaltenen Symposium den fortwährenden Wunsch der nigerianischen Partner:innen im Humboldt Forum mit Objekten präsent zu sein und stellte das zentrale Bemühen des Ethnologischen Museums heraus, mit den verschiedenen Herkunftscommunities umstrittener Objekte in einen Prozess der Kollaboration einzutreten sowie nach Wegen zu suchen diesen Prozess auch in den Ausstellungen darzustellen.

Die für die Benin-Objekte zuständigen Kuratorinnen VERENA RODATUS (Berlin) und MARIA ELLENDORFF (Berlin) beschrieben in ihrer Einführung, in welchem Maße die ursprünglich geplante und mit mehr als 200 Originalen bestückte Benin-Ausstellung angesichts der sich abzeichnenden Restitution und eines veränderten öffentlichen Klimas zum Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte zu einer „hindrance and cause of anxiety“ im Humboldt Forum geworden war. Die zur finalen Eröffnung des Hauses im September 2022 konzipierte kuratorische Antwort auf diese Herausforderung hätte sich in eine auf ständige Revision ausgerichtete „process-oriented Exhibition“ verwandelt, in der zum einen die Anzahl der historischen Exponate auf 50 Objekte reduziert wurde und zum anderen nicht mehr wie zuvor die Geschichte, sondern die künstlerische Gegenwart Benins und der Restitutionsprozess in den Mittelpunkt der Ausstellung gestellt wurden. Die im Zuge einer ersten Revision jetzt neu eröffneten Ausstellungs-Vitrinen, in denen neben den regionalen Verflechtungen des historischen Königreichs Benin insbesondere seine Verwicklung in den transatlantischen Sklavenhandel thematisiert wird, lassen sich als eine Reaktion auf die seit etwa zwei Jahren erhobenen Ansprüche diasporischer Gemeinschaften wie der New Yorker Restitution Study Group lesen, die als Nachfahren der vom Königreich Benin versklavten Menschen ein Mitspracherecht bei allen Restitutionsprozessen einfordern. Von dieser komplexen Diskurs- und Repräsentationssituation ausgehend, formulierte Verena Rodatus die Leitfragen des Symposiums: „How do we use the artworks in exhibitions to illuminate their painful history without reducing them solely to witnesses of colonial atrocity? […] And how do we exhibit Benin’s involvement in global, historical entanglements, such as the trade in enslaved people, that favored the production of the brass works?“

ANNIE E. COOMBES (London), Pionierin und Doyenne der kolonialismuskritischen Museumsanalyse, gab zum Auftakt des Symposiums einen Überblick über kuratorische Strategien, mit denen verschiedenartige Museen in Europa und Afrika in den letzten drei Jahrzehnten „Schwierige Geschichten“ aus kolonialen Kontexten aufbereitet und verhandelt haben. An den Beginn ihrer Überlegungen setze sie den Appell, in musealen Präsentationen nicht zu stark vereinfachende „narratives of decolonization“ als Ausgangspunkt zu wählen, sondern die Idee der „Difficult Histories“ aus dem Symposiums-Titel eher zu verkomplifizieren und als eine Form der Geschichte zu begreifen, die zwar traumatisch sei, „but crucially often underwritten by ambiguity and ambivalence, where blame is hard to apportion and where victim and perpetrator are actually much more closely intertwined than either would want to admit.“ Als Beispiele für Initiativen, die in europäischen Museen erfolgreich Vorurteile infrage zu stellen vermocht und für eine größere Vielstimmigkeit gesorgt hätten, verwies Coombes auf Projekte wie das innovative „Refugee tour guides“-Programm der Londoner Wallace Collection von 2012, ein vom Vancouver Museum of Anthropology gemeinsam mit Indigenen erarbeitetes und gemäß dem Klassifizierungssystem der First Nations angelegtes Schaudepot von 2010 sowie eine die Diaspora-Kulturen ins Zentrum rückende Video-Installation im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln von 2015. Als nicht mehr zeitgemäßes Gegenbeispiel verwies sie auf das British Museum, das nicht nur Werke afrikanischer Kunst in seinen Sainsbury African Galleries zur Darstellung eines beschönigenden Bildes von Globalisierungsprozessen in der Region des Niger-Deltas einsetzen, sondern sie im Rahmen von Projekten wie Neil MacGregors „A History of the World in 100 Objects“ zur unkritischen Propagierung und Legitimierung eines überholten universalistischen Museums-Modells instrumentalisieren würde. Intensiv diskutierte Coombes die Bedeutung zeitgenössischer nigerianischer Künstler:innen für die europäische museale Aufarbeitung der Plünderung Benin Citys durch britische Soldaten im Jahr 1897. So käme Künstler:innen wie den im Benin-Modul des Humboldt Forums vertretenen Victor Ehikhamenor, Taiye Idahor und Phil Omadamwen insbesondere in Ethnologischen Museen die Rolle zu, mit ihren Werken kritische Kommentare zu etablierten historischen Betrachtungsweisen sowie Anknüpfungspunkte zur gesellschaftlichen Gegenwart Benins zu liefern und, wie Sharon MacDonald in der anschließenden Diskussion kritisch ergänzte, auf diese Weise potentiell kontroverse Aufgabenfelder von Ausstellungen abzudecken, die von den Kurator:innen mitunter ungern direkt adressiert würden. Am Beispiel von vier musealen „flagship projects“, dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa in Kapstadt, des Palais de Lomé in Togo, dem Musée des civilisations noires in Dakar und dem noch im Bau befindlichen Museum of West African Art in Benin City, veranschaulichte Coombes den aktuell weite Teile Afrikas verbindenden Willen, nicht die tragischen Aspekte des „schwierigen Erbes“ des Kolonialismus, sondern eine die westliche Perspektive korrigierende, konsequent afrikazentrierte Geschichts- und Kunstgeschichtsschreibung ins Zentrum der musealen Programmatik zu stellen. Neben diesen auf internationale Strahlkraft ausgerichteten Häusern dürfe man allerdings nicht die vielfältigen lokalen Initiativen in verschiedenen Regionen Afrikas aus den Augen verlieren, die insbesondere die schwierige Frage der Memorialisierung von Konflikten zwischen verschiedenen Ethnien häufig auf überzeugendere Art und Weise adressieren würden als dies in den auf einheitliche Gruppenidentitäten ausgerichteten Nationalmuseen geschehen würde.

STAFFAN LUNDÉN (Göteborg) präsentierte eine vergleichende Untersuchung der Benin-Ausstellungen im British Museum und im National Museum von Benin City mit einem speziellen Fokus auf die Fragen, wie die Museen schmerzhafte und umstrittene Aspekte der Vergangenheit darstellen und wessen Geschichten im Zuge dessen hervorgehoben oder verschwiegen werden. Am Beispiel der Themen „Wissenschaftlicher Rassismus“, „Koloniale Plünderung“, „Menschenopfer“, „Sklaverei“ und „Geschlechterhierarchien“ konnte Lundén überzeugend herausarbeiten, dass beide Museen verschiedene Strategien der „Neutralisierung“ nutzen, um historische Zusammenhänge zum Vorteil der eigenen Institutionen auszulegen. Während das British Museum beispielsweise die Folgen der Plünderung von 1897 durch den (historisch falschen) Hinweis auf die dadurch ermöglichte Entschädigung britischer Opfer abzuschwächen versuche und beim Thema des „Wissenschaftlichen Rassismus“ nicht die britischen Kuratoren, sondern Felix von Luschan als Beispiel heranziehe, werde im Benin City Museum das Thema „Menschenopfer“ unter Ausblendung bekannter historischer Fakten völlig losgelöst vom Bereich der Religion und des Rituals und einzig im Kontext von Recht und Gesetz diskutiert. Besondere Aufmerksamkeit widmete Lundén der Klassenperspektive am Beispiel neuer Forschungsergebnisse zur erfolgten Entschädigung britischer Offiziere („Hamilton’s pajamas“) gegenüber der nicht-erfolgten Kompensation von Familien der 124 getöteten einheimischen Träger im Nachgang der britischen „Strafexpedition“. Lundén sprach sich für einen intersektionalen Ansatz aus, der bei der Untersuchung „schwieriger Geschichten“ aus kolonialen Kontexten neben der analytischen Kategorie der „Race“ auch die bisher eher vernachlässigten Kategorien „Class“ und „Gender“ stärker berücksichtigen solle.

KOKUNRE EGHAFONA (Benin City) berichtete vom mangelnden Interesse der lokalen Bevölkerung in Benin City an den im National Museum ausgestellten Objekten aus dem früheren Königreich Benin. Den zentralen Grund für die seit 20 Jahren stagnierenden Besucherzahlen will sie in der Beendigung traditioneller Aufbewahrungs- und Präsentationsweisen von Benin-Objekten im Kontext der Kolonisierung und in der Übernahme eines den Einheimischen bis heute fremdgebliebenen westlichen Ausstellungsstils mit seinen „predictable museum glass displays“ erkennen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken plädierte sie für eine an afrikanischen Bedürfnissen ausgerichtete Ausstellungspraxis, die Objekte wie die Benin-Bronzen nicht als bewunderungswürdige Kunstgegenstände inszenieren, sondern ihre alltägliche rituelle Bedeutung herausstellen solle. Als Orientierung für eine derartig veränderte Präsentationsweise verwies sie auf ihre auf Interviews mit Palast-Honoratioren und Angehörigen der Königsfamilie beruhenden Forschungsergebnisse zu den sehr komplexen traditionellen Präsentationsformen von Kultobjekten in Palast- und Familienaltären. Ihre Vision von innovativen Ausstellungen als „play of enlightenment, stimulation, amusement, and instruction“ verband Eghafona mit einem Appell zu größerer Achtsamkeit westlicher Museen bei der Übernahme kolonial-geprägter Terminologien in der Ausstellungsarbeit.

TUKUFU ZUBERI (Philadelphia) hielt einen Vortrag über den Prozess der vom ihm kuratierten Neugestaltung der Africa Galleries im Penn Museum in den Jahren 2016–2019. Neben Erkenntnissen aus zahlreichen Forschungsgesprächen mit afrikanischen Museumskurator:innen seien für ihn hierbei insbesondere die Erfahrungen und Bedürfnisse der Mitglieder der afrikanischen Diaspora leitend gewesen, für die Museen lange Zeit „very hostile spaces“ gewesen seien. Zentrales Ziel der kuratorischen Erneuerung sei deshalb die „decolonization of the museum narratives“ gewesen, die die kolonialistische Prägung der Repräsentationsweisen afrikanischer Materialkultur in westlichen Museen sichtbar gemacht habe. Auf Einsichten aus der Critical Race Theory rekurrierend erläuterte Zuberi, dass wahre Dekolonisierung jedoch weit über das Museum hinausginge und eine tiefgreifende Veränderung globaler ökonomischer Ungleichheiten, dominanter westlicher Epistemologien sowie eine darauf aufbauende Neugestaltung der Beziehungen zu marginalisierten Communities erfordere. Die Bedeutung seiner kuratorischen Referenzpunkte Afrika und Afro-Diaspora unterstreichend, verdeutlichte Zuberi am Beispiel der Benin-Objekte die im Penn Museum neu verfolgte Ausstellungspraxis, die er als eine Kombination aus postkolonialer Provenienzgeschichte und sozialhistorischer Kontextualisierung beschrieb. Spannend wurde es in der sich anschließenden Diskussion, als sich Deadria Farmer-Paelmann, Direktorin und Gründerin der sich als Sprachrohr der afroamerikanischen Diaspora verstehenden New Yorker Restitution Study Group direkt an die anwesenden Kurator:innen wandte und in einem appellierenden Tonfall die Frage stellte: „what kind of efforts are you engaged in to ensure that all of us have a say concerning the repatriation of the relics [die Benin-Bronzen]?“ Eine Antwort auf diese Frage fand einzig Zuberi, der sich energisch für eine stärkere Einbindung von Diaspora-Gruppen in Rückgabe-Prozesse aussprach und die These vorbrachte, hinter der stark verspäteten internationalen Wahrnehmung dieser Interessengemeinschaft stehe der Wunsch „to forget about the connections between colonialism and enslavement.“

In seinem wegen der fortgeschrittenen Zeit leider nur sehr kurzen abschließenden Kommentar setzte JAMIE DAU (Mannheim) die von den Referent:innen vorgetragenen Erkenntnisse und Thesen in Bezug zu seinem Arbeitsfeld der Provenienzforschung. Während sich aus Annie Coombes’ Vortrag für ihn die Perspektive ergab, künftig die kunsthistorische Betrachtungsweise stärker mit einer auf Gewalt ausgerichteten Geschichtsschreibung zu verknüpfen, deutete er insbesondere Tukufu Zuberis auf die Translokationsgeschichte von Kulturgütern abhebenden Ansatz als Beispiel einer sich gegenseitig befruchtenden Verbindung von Provenienzforschung und Ausstellungspraxis.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es den Veranstalterinnen durch die vergleichende Perspektive auf Fallstudien aus Nigeria, Großbritannien, den USA und Deutschland gelungen ist, die Diskussion über museale Strategien im Umgang mit Benin-Objekten weiter zu vertiefen. Zwar blieben so komplizierte Leitfragen wie die nach einer adäquaten historischen Präsentation von mit „schwieriger Geschichte“ verknüpften Objekten, ohne diese ausschließlich auf ihre Zeugenschaft für koloniale Gräueltaten zu reduzieren, weitgehend unbeantwortet. Jedoch wurde auf dem Symposium sehr deutlich, dass ein überzeugender musealer Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten nur darin bestehen kann, die verschiedenen Stimmen der Herkunftscommunities und diasporischer Gemeinschaften zu hören und in Ausstellungen in ein balanciertes Verhältnis zueinander zu bringen. Gleichzeitig wurde klar, dass problematische Aspekte der Geschichte von Partnerländern durchaus sensibel kontextualisiert werden können und ohne den Verlust wissenschaftlicher und politischer Integrität im Ausstellungskontext nicht ausgeklammert werden dürfen. Was die Frage der musealen Repräsentation auch und insbesondere im Zusammenhang „schwieriger Geschichten“ wie jener der Benin-Objekte angeht, wird insoweit – das zeigt auch der Blick auf die internationale Museumslandschaft – das Zauberwort der nächsten Jahre zweifellos „Kollaboration“ lauten.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Lars-Christian Koch (Berlin)

Einführung: Verena Rodatus (Berlin) / Maria Ellendorff (Berlin)

Annie E. Coombes (London): Engaging Histories, Envisaging Futures

Staffan Lundén (Göteborg): On the ‘Benin Bronzes’, Hamilton’s pajamas, Powis’s mother and the Potentials for New Forms of Representation

Kokunre Agbontaen-Eghafona (Benin City): Indigenous Exhibition of Benin Cultural Objects in Reviewing the Display of ‘Benin Bronzes’ in Nigeria, Europe, and America

Tukufu Zuberi (Philadelphia): Colonial, Neocolonial, & Decolonial Projects: African Material Culture

Kommentar: Jamie Dau (Mannheim)

Moderation: Verena Rodatus (Berlin) / Maria Ellendorff (Berlin) / Gitti Salami (Berlin)