Transformations.Zeit.Räume. Gedächtnis, Identität und politisches Handeln in Transformationen des 20. und 21. Jahrhunderts

Organisatoren
Josephine Starke / Anselm Meyer, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.
PLZ
01062
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Fand statt
Hybrid
Vom - Bis
15.01.2024 - 16.01.2024
Von
Robert Bosse, Technische Universität Dresden

In der gegenwärtigen Debatte omnipräsent, evoziert der Begriff der „Transformation“ in erster Linie Momente eines umfassenden sozialen Wandels. Diskussionen wie jene um die Spezifika der Politischen Kultur der ostdeutschen Bundesländer und ihre Wurzeln in der DDR und den 1990er-Jahren verweisen aber zugleich auf Momente der Trägheit vor-transformatorischer Lebenswelten, die über gesellschaftliche Umbrüche hinaus nach- und mit den neuen institutionellen und sozialen Bedingungen wechselwirken. Die von ANSELM MEYER (Dresden) und JOSEPHINE STARKE (Dresden) organisierte Doktorand:innen-Tagung „Transformations.Zeit.Räume“ am Hannah-Arendt-Institut in Dresden beleuchtete ebendiese Momente der Kontinuität und fragte in kritischer Auseinandersetzung mit den Konzepten des „Gedächtnisses“ und der „Identität“ danach, auf welche Weise den Systemumbrüchen voraus- und mit ihnen einhergehende Erfahrungen politisches Handeln in der Gegenwart beeinflussen. Die Versammlung von Fallbeispielen verschiedener Systemtransformationen des 20. Jahrhunderts in Asien und Europa und die große interdisziplinäre Spannweite der Beiträge eröffneten dabei die Chance zur Dezentrierung der im deutschen Kontext häufig auf die neuen Bundesländer verengten Betrachtung.

So adressierte KORNELIA KOŃCZAL (Bielefeld) in ihrer Keynote die titelgebende Thematik des Forums anhand ihres aktuellen Forschungsprojektes zur europäischen Geschichte des Erinnerungspopulismus. Ihr Projekt geht von der Beobachtung aus, dass im Verhältnis zwischen der Forschung zum Rechtspopulismus und der Erinnerungsforschung einige Leerstellen bestehen. So gebe es in der Erinnerungsforschung zwar viele Konzepte zum globalen, multidirektionalen oder transkulturellen Gedächtnis. Auseinandersetzungen um das kollektive Gedächtnis erwiesen sich in der Empirie dagegen noch immer als beharrlich nationszentriert. „Erinnerungspopulismus“, den sie als „monochrome, manichäische und metonymische Interpretation der Geschichte“ definierte, präsentierte im Anschluss daran als ein Konzept, mit dem sich der rechtspopulistische Umgang mit dem kollektiven Gedächtnis adäquater erfassen ließe. Ihr Untersuchungszeitraum beginnt in den 1970er-Jahren. Hier habe sich ein umfassender gesellschaftlicher Strukturbruch ereignet, infolgedessen der Aufstieg des Rechtspopulismus eingesetzt habe. Sie betonte die Notwendigkeit eines vergleichenden wie verflechtungsgeschichtlichen Vorgehens, das von einer analytischen Trennung in Ost und West absieht und stattdessen im Sinne Philipp Thers1 auch die Rückwirkungen der postsozialistischen Umbruchsprozesse im „westlichen“ Teil der Welt in den Blick rückt. Damit setzte sie den Ton für einen sowohl zeitlich als auch räumlich weitgefassten Blick auf europäische Transformationsprozesse.

Eine geschichtswissenschaftliche Perspektive auf den Zusammenhang zwischen Biografie, Transformation und politischem Kontext, dem Thema das ersten Panels, eröffnete RAPHAELA MONIKA BOLLWEIN (Wien) mit einem Vortrag zum Schicksal der „Child Survivors“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt ihrer Darstellung standen verschiedene (Resettlement-)Schemes, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges von Hilfsorganisationen für die Erfassung der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen geschaffen worden waren. Durch den vergleichenden Blick auf die „Anforderungen“, die von unterschiedlichen Organisationen an die unbegleiteten Kinder zur Aufnahme in die jeweiligen Schemes gestellt wurden, arbeitete sie die Varianz der Lebensverläufe der Kinder heraus, deren Chancen auf baldige Aufnahme in eines der Schemes sich je nach Alter, Geschlecht oder Konfession stark voneinander unterschieden. Neben humanitären Motiven für die Aufnahme der unbegleiteten Kinder dienten diese als „best possible immigrants“ etwa der nationalen Identitätskonstruktion oder standen symbolisch für den Neuanfang und die mehrheitlich ersehnte Normalität nach dem Krieg.

HANS-MARTIN BEHRISCH (Leipzig) fokussierte in seinem Vortrag dagegen auf die „Autobiografie“ als Textsorte und diskutierte Grenzen und Potenziale dieser Quellengattung. Anhand der 1982 erschienenen Autobiografie des Dresdner Gemeindepfarrers Walter Feurich2 plädierte er dafür, autobiografische Selbstzeugnisse vor allem als Instrument der Konstruktion personaler Identität zu lesen, deren Form und Gehalt stets auch von den Adressaten des Textes und den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Produktion abhingen. Dies demonstrierte er am widersprüchlichen Fall Walter Feurichs, der von 1945 bis 1948 kurze Zeit Mitglied der CDU war, sich öffentlich gegen den SED-Staat positionierte, ab den 1960er-Jahren bis zu seinem Tod neben seiner Tätigkeit als gut vernetzter Gemeindepfarrer allerdings auch als Inoffizieller Mitarbeiter für die Staatssicherheit arbeitete. Einen Vergleich von Ausschnitten aus dem SED-Gründungsdokument von 1946 und der Autobiografie Feurichs, wodurch ähnliche Formulierungen in beiden Dokumenten deutlich wurden, nutzte Behrisch als Beleg für seine Hypothese, dass Feurich seine Beweggründe retrospektiv und öffentlichkeitswirksam in Richtung der Parteilinie umdeutete.

Wie das Verhältnis von Biographie und Transformation im Rahmen ethnographischer Forschung beschrieben werden kann, zeigten MICHELLE ORTH (München) und ELISA STOWE (München). Unter Einbeziehung heterogener Daten wie Interviews, Feldtagebüchern und Zeitungsartikeln reflektierten sie über die Bedeutung von „Kultur“ in den Landkreisen Görlitz (Sachsen) und Wunsiedel im Fichtelgebirge (Bayern). Ausgewählt wurden diese beiden Regionen, da sie seit den 1990er-Jahren jeweils tiefgreifende ökonomische und soziale Transformationen erfahren haben; Görlitz im Zuge des Systemwechsels 1990 und Wunsiedel als ein früheres Zentrum lokaler Porzellan- und Textilindustrie, dessen heimisches Gewerbe aufgrund der Liberalisierung des globalen Marktes in den 1990er-Jahren zusammengebrochen war. Unter dem Paradigma des biographic turn stellten die Vortragenden jeweils eine Person aus dem Landkreis vor und beschrieben individuelle Vorgehensweisen, die sich in Reaktion auf die Transformationen entwickelt hatten. So gelang es Stow und Orth, in Kooperation mit ihren „Forschungspartner:innen“ den heterogenen Umgang mit den vielfältigen Änderungen in den jeweiligen Orten einzufangen und zu beschreiben.

Das zweite Panel verschob den Schwerpunkt der Betrachtung von individuellen Biografien hin zur Frage nach generationellen Selbstverständnissen und der intergenerationalen Aushandlung von politischem Wissen. CONSTANZE STUTZ (Frankfurt am Main) eröffnete mit einem Vortrag über weibliche Emanzipationsvorstellungen in der Transformationsgesellschaft Ostdeutschlands. Dabei beschrieb sie (post-)sozialistische Emanzipationsvorstellungen als ein widersprüchliches Erbe, das auf die Widersprüche zwischen dem Anspruch des sozialistischen Ideals der Gleichheit zwischen den Geschlechtern und der Wirklichkeit, in der sich Frauen Mehrfachbelastungen zwischen Kindern und Karriere ausgesetzt sahen, zurückgehe. Anhand vorläufiger Auswertungsergebnisse von biografisch-narrativen Interviews, die sie mit in Ostdeutschland aufgewachsenen, sich als „feministisch“ verstehenden Frauen der Nachwendegeneration geführt hat, zeigte Stutz, dass sich die Auseinandersetzung mit den Widersprüchen des realsozialistischen Geschlechterarrangements bis in die heutige Zeit fortschreiben.

Darauf folgte FRANK KELL (Mannheim) mit einem Vortrag über Vergangenheitsaneignung in betrieblichen Traditionsvereinen in Nordthüringen nach 1989/90. Die Transformationsprozesse nach 1989/90 in Ostdeutschland beschrieb er nach Wolfgang Engler zunächst als Erosion der „arbeiterlichen Gesellschaft“3, womit sich dominante Ordnungsvorstellungen, Regeln und Praktiken der Gesellschaft aufgelöst hätten. Auf Grundlage seiner Beschäftigung mit sechs Traditionsvereinen aus den Bereichen Berg- und Maschinenbau präsentierte er konkrete erinnerungskulturelle Praktiken, mit denen die ehemaligen Industrie- und Bergarbeiter auf den umfassenden Wandel reagierten. Von besonderer Bedeutung war hier die ähnliche generationelle Zugehörigkeit der Vereinsmitglieder (zur „integrierten Generation“4), wodurch die Konstitution eines gemeinsamen Erinnerungsraumes begünstigt wurde, in dem die Mitglieder arbeiterliche Normen und Strukturen gegenüber äußerem Wandlungsdruck absicherten.

Die generationelle Verortung bestimmter Gruppen thematisierte auch THORSTEN FEHLBERG (Köln), als er seine vorläufigen Forschungsergebnisse zu jüdischem Engagement in Deutschland vorstellte. Kernstück seines Vortrags war eine Reihe von empirisch begründeten Idealtypen für Personen, die sich als Jüd:innen in verschiedener Weise – also etwa in Parteien, in universitären oder in antifaschistischen Bündnissen – engagierten. Dabei differenzierte er zwischen drei Typen, die mit ihrem Engagement jeweils eher auf Verständigung, auf Selbstwirksamkeit oder auf Widerständigkeit abzielten. Als Dimension der Typenbildung nahm er die Gruppen u.a. in Bezug auf ihre „Erfahrung und Tradierung“ und in ihrem jeweiligen „Bezug zum Judentum“ in den Blick. Gerade anhand dieser beiden Vergleichsebenen beleuchtete Fehlberg historische Bezüge, aus denen heraus die jeweilige Gruppe ihre Selbstidentifikation ableitet. Generationszusammenhänge spielten hierbei eine entscheidende Rolle, wenn etwa ein wichtiges Movens für jüdisches Engagement das Verantwortungsgefühl gegenüber den Vorfahren oder ein erfahrenes Fremdheitsgefühl nach der Zuwanderung darstellte.

Das dritte Panel versammelte Beiträge, in denen Vergangenheit als Gegenstand politischen Handelns untersucht wurde. SIMON MEIER (Passau) widmete sich dem Wirken des Passauer Kirchenhistorikers Max Heuwieser, der als Vordenker der Ostbairischen Heimatbewegung gilt und maßgeblich an der Gründung des Instituts für Ostbairische Heimatforschung 1926 in Passau mitwirkte. Im Mittelpunkt des Beitrags stand das Geschichtsbild und die kollektiven Identitätsvorstellungen, die im Laufe mehrerer Jahrzehnte im Umfeld der Ostbairischen Heimatbewegung entstanden und mit verschiedentlicher Zielrichtung instrumentalisiert wurden. Ein besonderer Fokus lag auf der Frage, inwiefern bestimmte regionale Geschichts- und Identitätsvorstellungen über verschiedene Transformationen hinweg (vom ersten Weltkrieg über das Dritte Reich bis zum Deutschen Katholikentag 1950) konstant blieben. So zeigten sich innerhalb dieser stark vom historischen Wandel geprägten Zeitspanne beständige Traditionslinien des Institutes, etwa die propagierte Verteidigung einer „deutsch-katholischen Kultur“ gegen eine angeblich „osteuropäische Fremdkultur“.

Von Ostbaiern verschob sich der Fokus weiter nach Osteuropa. CENGIZ HAKSÖZ (Marburg) sprach in seinem Vortrag über „Politics of (In)Visibilities“ im post-sozialistischen Bulgarien. In seinem Beitrag präsentierte er einige Beispiele von „Musealisierung“ in Bulgarien, womit er die Umwandlung von Moscheen in Museen als politische Maßnahme adressierte. Während derartige „Maßnahmen“ bereits während der Zeit des Staatssozialismus durchgeführt worden waren, zeige sich in den letzten Jahren die Fortführung dieser Praxis auch in der Republik Bulgarien. Mit dem Begriff der „Politics of (In)Visibilities“ ließen sich die daraus resultierenden Konflikte zwischen der muslimischen Minderheit und staatlichen Autoritäten sowie hegemonialen gesellschaftlichen Gruppen theoretisch einfangen, wenn etwa durch die Musealisierung von aktiv genutzten Moscheen die Ausführung religiöser Praktiken von Minderheiten eingeschränkt und damit weniger sichtbar gemacht werde. Auf der anderen Seite stünden Praktiken der Sichtbarmachung, mit denen die Minderheiten auf die repressive Politik reagierten.

Alsdann stellte OLGA JUUTISTENAHO (Berlin) ihre Überlegungen zur „Finnlandisierung“ vor, einem Begriff, der auf das ambivalente Verhältnis Finnlands zur Sowjetunion während des Kalten Krieges zurückgeht, und eine Politik beschreibt, in der Finnland eine politische Agenda im Sinne der Sowjetunion verfolgte. Die ambivalenten Tendenzen dieser Politik verdeutlichte Juutistenaho mit ihrer Analyse der finnischen Denkmalpolitik. So zeige sich zunächst der Einfluss des diktatorischen Nachbarn auf das demokratische Land in einem Denkmal wie der „Friedensstatue“, das 1968 in Helsinki enthüllt wurde, um das Narrativ der Freundschaft zwischen Finnland und der Sowjetunion im öffentlichen Raum zu propagieren. Ein solches Narrativ habe wiederrum in Konflikt gestanden mit einer patriotischen memory culture, mit der das Land an den Zweiten Weltkrieg erinnerte, als es an der Seite der Nazis Krieg gegen die Sowjetunion führte. Trotz dieses augenfälligen Widerspruches, der sich im Kontext des Kalten Krieges herausbildete, habe es nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 keine nennenswerte Umorientierung in der finnischen Erinnerungspolitik gegeben. Diese finde erst seit 2022 in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine statt.

Das letzte Panel widmete sich der Verfertigung kollektiver Identitäten in popkulturellen Medien und wurde von ALENA PANTIUKHINA (Dresden) mit einem Vortrag zu „Counter-Narratives“ in der Prosa des russischen Schriftstellers Friedrich Gorenstein eröffnet. Die literarische Auseinandersetzung des Schriftstellers mit dem Zweiten Weltkrieg verglich sie mit der in der Sowjetunion damals vorherrschenden Erzählung der Kriegserlebnisse, die von einem triumphalen und heroischen Duktus getragen waren, der den Horror des Krieges beschwiegen habe. Der Holocaust sei zwar Teil solcher offiziellen Narrative gewesen, jedoch nicht als exzeptionelles Ereignis. Die literarischen Texte Gorensteins seien dagegen nach Lynn Viola als „Counter-narrative“5 zu verstehen, in denen Geschichten über das ansonsten Verheimlichte zur Sprache kämen. So handle Gorensteins The House with a Turret (1964) nicht von heroischen Schlachterlebnissen, sondern erzähle die Geschichte von kindlicher Demütigung, Einsamkeit und Verwundbarkeit in der Welt des Krieges, während im Roman Redemption (1967) über den Holocaust als ein monumentales Ereignis reflektiert werde, das grundlegende Selbstverständlichkeiten der menschlichen Existenz in Frage stelle.

SABRINA KIRSCHNER (Eupen) blieb beim literarischen Medium und präsentierte ihre Ergebnisse aus einer Quellenanalyse der Anthologie Wer bist du? (2003)6, ein Werk, in dem junge Menschen aus Ostbelgien in Form von literarischen und essayistischen Texten die Frage nach der eigenen Identität stellten. Dabei ging sie auf ausgewählte Beiträge des Buches ein, die sie insbesondere vor dem Hintergrund des außerordentlichen geopolitischen und historischen Kontextes der Region besprach. So hätten die häufigen Nationalitätenwechsel des 20. Jahrhunderts die Frage nach Identität für die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien besonders virulent werden lassen. Als Fazit hielt sie fest, dass sich die jungen Autor:innen der Anthologie aufgrund fehlender eigener Kriegserlebnisse der Frage nach Identität ohne den Ballast der Vergangenheit hätten nähern können, wodurch sie sich deutlich von anderen Generationen abgrenzten. Für den Großteil der Beitragenden gebe es zudem nicht die eine ostbelgische Identität, sondern multiple Identitäten einer Person. Der Vortrag gab somit Einblick in literarische Identitätskonstruktionen für eine Gruppe eines Raumes, der vielfach Transformationen ausgesetzt war.

Anschließend präsentierte LAURA MUES (Bochum) ihr Promotionsprojekt zu medialen Konstruktionen von Erinnerungsdiskursen bezüglich der Transformationserfahrungen nach 1989 in politischen Talkshows. Dafür skizzierte sie zunächst den von ihr erarbeiteten diskursanalytischen Rahmen und reflektierte die spezifischen Produktionsbedingungen ihrer Quellenbasis, d.h. non-fiktionaler Fernsehprogramme. Ihre Auswertungen sollten von Fragen geleitet werden, die auf die jeweiligen Partizipation und Repräsentation in den einzelnen Talkrunden, Hintergründe zu den jeweiligen Themensetzungen der entsprechenden Sendungen sowie Formen der Verbalisierung abzielten; kurz: Wer spricht wie mit wem, wie oft und warum über Transformationserfahrungen in politischen Talkshows?

Nach den Vorträgen zu Literatur und Fernsehen stellte MAXIMILIAN KRETER (Dresden) in seinem Beitrag drei Fallstudien zu ostdeutschen Rockbands vor. Zuvor eröffnete er seinen theoretischen und analytischen Rahmen und entwickelte dabei seine Leitfrage, nämlich inwiefern „neuer Deutschrock“ als Sprachrohr einer (n)ostalgischen Gemeinschaft angesehen werden könne. So bezog er sich in seinen Fallstudien auf theoretische Konzepte der „Nation as imagined community“ (nach Benedict Anderson7) und DDR-Nostalgie8 und untersuchte in der Analyse die Musik vor allem anhand der strukturellen Merkmale des Populismus und der Ideologeme der Ungleichheit. Die drei untersuchten Bands „Weimar“, „Goitzsche Front“ und „Trabireiter“ waren mit dem zuvor entwickelten analytischen Rahmen unterschiedlich gut fassbar, weshalb die anfangs aufgeworfene Leitfrage vorerst offen bleiben musste.

Konferenzübersicht:

Kornelia Kończal (Bielefeld): Keynote: Erinnerungspopulismus: Für eine vergleichende Geschichte vergangenheitspolitischer Praktiken in Europa seit den 1970er Jahren

Panel 1: Biografie und Transformation: Erfahrungen des Politischen und das Politische der Erfahrung

Raphaela Monika Bollwein (Wien): Im Interesse der Kinder? Die Migration und Ansiedlung von unbegleiteten Kindern zwischen Schutzbedürftigkeit und nationalen, politischen Interessen nach Ende des Zweiten Weltkrieges

Hans-Martin Behrisch (Leipzig): Autobiographische Reflexion und Verarbeitung: Das Fallbeispiel des Dresdner Gemeindepfarrers Walter Feurich

Michelle Orth und Elisa Stowe (München): Ethnographien von Transformationserfahrungen und sich wandelnden Identitäten in den Landkreisen Görlitz (Sachsen) und Wunsiedel im Fichtelgebirge (Bayern)

Panel 2: Generationen in der Transformation: Politische Selbstverständnisse und die Aushandlung und Weitergabe politischen Wissens

Constanze Stutz (Frankfurt am Main): Die allseits emanzipierte Frau und ihre Töchter.
(Post-)sozialistische Feminismen und Emanzipationsvorstellungen als widersprüchliches Erbe

Frank Kell (Mannheim): DDR-Nostalgie, Demokratieskepsis, ostdeutsche Identität? Lokale Erinnerungsräume und die Erosion einer ostdeutschen Werteordnung nach 1989/90

Thorsten Fehlberg (Köln): Jüdischkeit und Jüdischsein im Kontext von gesellschaftlichem Engagement

Panel 3: Die Vergangenheit als Gegenstand politischen Handelns: Memory Activism und Geschichtspolitik

Simon Meier (Passau): Regionale Identitätskonstruktion zwischen Geschichte und Politik – Max Heuwieser (1878–1944) und das Institut für Ostbairische Heimatforschung

Cengiz Haksöz (Marburg): Minority Collective Memory and Politics of Museumification in Bulgaria

Olga Juutistenaho (Berlin): Spatializing Finlandization in Cold War Helsinki. Solidifying an Uneasy Friendship?

Panel 4: Das Politische der (Pop-)Kultur? Die mediale Verfertigung kollektiver Identität in der Transformationsgesellschaft

Alena Pantiukhina (Dresden): Counter-Narrative against Heroism: Erased Memory of WWII in Friedrich Gorenstein’s Prose
Sabrina Kirschner (Eupen): Identity Discourses in East Belgium as Reflected in the Anthology Wer bist Du?

Laura Mues (Bochum): Besprechen, beschweigen, beschreien? Erinnerungsnarrative über die Umgestaltungsprozesse nach 1989 in politischen Talkshows

Maximilian Kreter (Dresden): “Isser so, der Ossi?” ‚Neuer Deutschrock‘ als Sprachrohr einer (n)ostalgischen Gemeinschaft?

Anmerkungen:
1 Philipp Ther, Das andere Ende der Geschichte. Über die große Transformation. Berlin 2019.
2 Walter Feurich, Lebensbericht eines Dresdner Gemeindepfarrers. Berlin 1982.
3 Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land. 1. erweiterte Auflage Berlin
2019 (1. Aufl. 1999), bes. S. 177-212.
4 Bernd Lindner, „Bau auf, Freie Deutsche Jugend“ – und was dann? Kriterien für ein Modell der Jugendgenrationen der DDR., in: Jürgen Reulecke (Hrsg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 187-215, bes. S. 205-209.
5 Lynn Viola, Counternarratives of Soviet Life. Kulak Special Settlers in the First Person, in: Golfo Alexopoulos u.a. (Hrsg.): Writing in the Stalin Era, New York 2011, S. 87-99.
6 Adrian Küchenberg (Hrsg.), Wer bist du? Neue Blicke auf Ostbelgien, Eupen 2003.
7 Benedict Anderson, Imagined Communities, London/New York 2006.
8 Katja Neller, DDR-Nostalgie: Dimensionen der Orientierungen der Ostdeutschen gegenüber der ehemaligen DDR, ihre Ursachen und politischen Konnotationen, Wiesbaden 2006.

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