Collège Doctoral Franco-Allemand (Univ. Tübingen)

Von
Dorothea hering

Kultur und Konflikt miteinander in Verbindung zu bringen, ist keine Selbstverständlichkeit. Seit der Aufklärung sind die Konzepte von Kultur und Zivilisation mit einer zivilisatorischen Mission betraut worden, die den Krieg aller gegen alle beenden und das Zeitalter barbarischer Gewalt überwinden sollte. In dem Maß, in dem Kultur und Zivilisation Synonyme für Kommunikation werden, für Austausch, Toleranz, Vermittlung und Handel, in dem Maß werden sie Antonyme für „Konflikt“. Auch, wenn es vereinfachend wäre, Kultur und Konflikt systematisch zu amalgamieren, erscheint es uns doch gerechtfertigt, die Hypothese eines grundlegenden Chiasmus zu erkunden: der Konflikt zwischen Kulturen wäre das Spiegelbild einer Kultur des Konflikts und vice versa. Die Theoriemodelle, die die agonistische Dimension von Kultur anführen, finden sich aus dieser Perspektive bestätigt und bestärkt.

In historischer Perspektive wird die europäische Kultur durch konfliktuelle “Identitäten” und deren Interaktion beherrscht. Die Atomisierung und Heterogenität moderner Gesellschaften resultieren aus einem gänzlich neuen System von Interaktionen, Verschiebungen, Migrationen und Mobilisierungen, das die vernetzte Moderne und die Globalisierung prägt. Dieser Prozess der Verstreuung wirkt sich auf die Sprache aus, auf Religion und Lebensweisen – und er schlägt sich in der literarischen und künstlerischen Produktion nieder, wo man das Echo der gesteigerten sozialen und kulturellen Spannungen findet. Im selben Zug stellt das kulturelle Feld jene Mittel zur Verfügung, mit denen sich Konflikte in Sprache, Symbole und Praktiken übersetzen lassen und mit denen sie zum Gegenstand der Reflexion gemacht werden können. Wir wollen Kunstwerke und Kulturtheorien neu lesen – mit dem Maßstab dieser agonistischen Dimension und der Einordnung in die Diversität längerer Zeiträume.

Die verschiedenen Verbindungen zwischen Konflikt und Kultur bilden sich in gegebenen historischen und geographischen Kontexten. Derjenige der deutsch-französischen Kontexte ist besonders bedeutsam. Sie bilden über einen langen Zeitraum Rivalitäten und Konstruktionen entgegengesetzter Identitäten ab und thematisieren gleichzeitig allgemeinere Antagonismen wie Demokratie vs autoritäres System, Aufklärung vs romantischer Dämonismus. Unser deutsch-französisches Kolleg bietet somit die Aussicht, die Betonung deutsch-französischer Polarität und die totalisierende Konzeption von Kultur in Frage zu stellen. Die transkulturelle Perspektive erlaubt uns dabei Folgendes zu analysieren:

die historiographischen und geographischen Apriori, die deutsche und französische Historiker, Philosophen dazu veranlassen, den Konflikt und seine Regulierung auf jeweilige Weise zu fassen
den Konflikt in verschiedenen Kulturtheorien
die „realen“ dt.-frz. Konflikte (ereignisgeschichtlich in moderner und Zeitgeschichte)
die Konflikte, die die dt.-frz. Vermittlungsarbeit bestimmen
die Darstellung von Konflikten in französisch- und deutschsprachigen Texten und in der Bildkultur (Photo, Kino…) oder für ältere Epochen in lateinischer Produktion
die Interferenzen der deutsch-französischen Konflikte in Denkformen und in der Kultur

Über das Kolleg

Das Kolleg ermöglicht interdisziplinäre Studien und bilaterale Forschungszugänge auf dem Gebiet des Konflikts. Es verwirklicht eine integrierte Organisation der Promotionsstudien durch Aix und Tübingen (wechselseitige Lehrveranstaltungen, bilaterale Betreuung der Dissertationsprojekte, Doppeldiplom, Forschungsaufenthalte der Doktoranden an der jeweiligen Partneruniversität, gemeinsame Veranstaltungen und Publikationen).
Die Ausbildung stellt die wissenschaftliche Exzellenz für frankophone, germanophone und andere Länder sicher.
Organisation

Das Doktorandenkolleg ist von der Deutsch-Französischen Hochschule anerkannt und gefördert. Es ist gekennzeichnet durch eine pluridisziplinäre Organisation folgender Graduiertenkollegs und Forschungsgruppen:

Ecole Doctorale « Langues Lettres et Arts » : EA 4235 CIELAM (Centre Interdisciplinaire d’Etude des Littératures d’Aix-Marseille), EA 4236 ECHANGES (Equipe sur les Cultures et Humanités Anciennes et Nouvelles Germaniques et Slaves);

Ecole Doctorale « Espaces, cultures, sociétés » (für Historiker und Kunsthistoriker): TELEMME (Temps, Espaces, Langages, Europe Médiévale – Méditerranée), LAMM (Laboratoire de l’Archéologie Médiévale Méditerranéenne);

Graduiertenkolleg « Konflikte der Kulturen/Kulturen der Konflikte » (Tübingen).

Verantwortliche
Tübingen:
Prof. Dr. Dorothee Kimmich
E-Mail: dorothee.kimmich(at)uni-tuebingen.de

Koordination:
Dorothea Hering
E-Mail: interkulturellestudien(at)ds.uni-tuebingen.de
Tel. 07071-29-72977

Caroline Merkel
E-Mail: caroline.merkel(at)uni-tuebingen.de

Aix:
Prof. Dr. Nicole Colin-Umlauf
E-Mail: nicole.colin-umlauf(at)univ-amu.fr

Koordination:
Antje Janssen
E-Mail: Antje.Janssen(at)univ-amu.fr

Programm

Doktoranden-Forschungsseminare (15 h + 15 h, ein Seminar in Aix, eines in Tübingen, Dauer : 2 Tage);

Von den Doktoranden und eingeladenen Hochschullehrern organisierte Tagungen;

Workshops, organisiert von den Doktoranden, einmal pro Jahr, 3 Tage;

Methodologie : Abfassen wissenschaftlicher Arbeiten, wissenschaftliche Texte auf Englisch schreiben (Aix) ;

Interdisziplinäres Modul : Seminar « Les polémiques » (Aix) ;

Interkulturelles Modul : Konfliktforschung in Deutschland und Frankreich (Tübingen);

Sprachkurs Französisch in Aix, Sprachkurs Deutsch in Tübingen.

Berufliche Eingliederung :

Aix :

Vorbereitungskurs Berufseinstieg, Wie erstellt man eine Bewerbung; Erstellung eines Lebenslaufs auf Französisch und Englisch; Onlinepublikation; Homepage erstellen, Informatikkurse.

Tübingen :

vielfältiges Angebot an berufsvorbereitenden Kursen im Career Center der Universität.
Abschluss

Die Dissertation wird von einem Dozenten/einer Dozentin in Aix und in Tübingen betreut.

Sie wird von beiden Universitäten begutachtet. Die Verteidigung findet vor einer gemischten Jury statt.

Der Doktorandenstudiengang wird abgeschlossen mit einem doppelten Diplom : docteur Aix-Marseille Université, Dr. phil. der Universität Tübingen.
Finanzierung

Die Doktoranden erhalten eine Mobilitätsbeihilfe von 600 Euro monatlich während des Aufenthalts an der Partneruniversität (maximale Dauer 18 Monate).
Bewerbung

Das Graduiertenkolleg verlängert die Master TuebAix und Interkulturelle Deutsch-französische Studien, richtet sich aber ausdrücklich an Absolventen anderer Master. Die Bewerber müssen einen Masterabschluss in den Fächern Romanistik, Germanistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Geschichte, Kunstgeschichte nachweisen und über gute Kenntnisse der Sprache und der Kultur des Partners verfügen. Bewerbungen aus anderen Disziplinen werden Fall für Fall geprüft. Bewerber, die nicht aus frankophonen oder deutschsprachigen Ländern kommen, sind willkommen.

Die Bewerber müssen ein Dossier auf Französisch an die Universität in Aix schicken, ein Dossier auf Deutsch an die Universität in Tübingen. Ihr Dossier wird von einer gemischten Kommission geprüft. Die Kommission kann Bewerber zu einem Gespräch einladen.

Es kann der Antrag auf Stipendien gestellt werden. Die Kandidaten können ihre Bewerbungsunterlagen einreichen, ohne ihre Masterarbeit verteidigt zu haben. Die endgültige Einschreibung ist vom erfolgreichen Abschluss des Master abhängig.

Das Bewerbungsformular ist unter dem einschlägigen link runterzuladen. Die Bewerbungsfrist für deutsche Bewerber_innen endet am 31.08.2016