Tagungsbericht

BÜDINGER FORSCHUNGEN ZUR
SOZIALGESCHICHTE

veranstaltet von Günther Schulz (Köln) in Zusammenarbeit
mit der Ranke-Gesellschaft, Vereinigung für Geschichte im öffentlichen Leben e.V. (Kiel)
und dem Institut für personengeschichtliche Forschung (Bensheim)

Vertriebene Eliten. Vertreibung und Verfolgung von Führungsschichten im 20. Jahrhundert – so lautete das Thema der 37. "Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte", die vom 6. bis 8. Mai 1999 in Büdingen stattfanden. Tagungsleiter Günther Schulz (Köln) betonte einleitend, daß Verfolgung, Vertreibung und Flucht nicht zuletzt die deutsche Gesellschaft im 20. Jahrhundert stark verändert haben – sie prägten die Strukturen und individuellen Erfahrungen der Bevölkerung und führten zur Mischung traditioneller und neuer Führungsgruppen. Es gehe darum diesen Prozeß zu erhellen, indem untersucht werde, welche Führungsschichten und -gruppen von Verfolgung, Flucht und Vertreibung vornehmlich betroffen waren und was dies für die jeweils "abgebenden" und "aufnehmenden" Gesellschaften bzw. Gesellschaftsstrukturen zur Folge hatte. Ferner gelte es, die spezifische Situation der jeweiligen Vertriebenen, ihre Selbstwahrnehmung, Möglichkeiten und Perspektiven sowie die von ihnen entwickelten (Überlebens-) Strategien herauszuarbeiten.

Zunächst stellte Hans Hecker (Düsseldorf) grundlegende Überlegungen zum Thema Vertreibung und Verfolgung in der jüngeren deutschen Geschichte an. Er verglich die Begriffe "Verfolgung", "Vertreibung" "Flucht", "Deportation" sowie "Auswanderung" bzw. "Emigration", untersuchte sie auf ihre Bedeutungsunterschiede und bestimmte Kriterien, die diese Bedeutungsunterschiede hervorrufen. In diesem Zusammenhang verwies er z.B. auf die Schwierigkeit, den Gefährdungsgrad zu bestimmen, von dem an ein Mensch als verfolgt gilt – muß unmittelbar Gefahr für Leib und Leben drohen, oder handelt es sich bereits um Verfolgung, wenn Meinungs- und künstlerische Freiheit beschränkt werden? – und ferner auf den Umstand, daß gesellschaftliche Eliten von allen Vertreibungs- und Vernichtungsaktionen wegen ihrer führenden gesellschaftlichen Rolle zuerst betroffen sind. Ausgehend von dem dichotomischen, zugleich unauflösbaren Begriffspaar Heimat – Exil entwickelte Hecker weitere grundlegende Fragen zum Thema, inwieweit z.B. vertriebene Eliten die "wahre" heimatliche Kultur repräsentieren, ob sie jemals ihre Prägung und/oder Traumatisierung durch die Vertreibung verlören, was sie dazu bringe, aus dem Exil zurückzukehren oder ihr Zufluchtsland als Heimat anzuerkennen und ihre Identität zu wechseln und schließlich, ob sich das Schicksal innerhalb vertriebener Eliten je nach Geschlecht unterscheide.

Wolfgang Kessler (Herne) untersuchte in seinem Beitrag Die Folgen des Ersten Weltkriegs für die deutschen Führungsschichten im Staatsdienst und in der Wirtschaft in den Provinzen Posen-Westpreußen und Oberschlesien. Bis 1918/20 waren hier die zu großen Teilen aus anderen preußischen Provinzen stammende Beamtenschaft, die technische Intelligenz und die Großindustriellen Oberschlesiens fast ausschließlich deutsch, die polnische Bevölkerung war in den preußischen "Ostmarken" Posen-Westpreußen und in Oberschlesien von der öffentlichen Verwaltung einschließlich der Eisenbahn und Post de facto ausgeschlossen– nur innerhalb der katholischen Geistlichkeit und unter den Großgrundbesitzern gab es eine polnische Elite. Der Übergang dieser Landesteile an Polen infolge der Bestimmungen des Versailler Vertrags führte hier – so Kessler – zu einer Umkehrung der Führungsstruktur: an die Stelle der deutschen traten nun weitgehend polnische Eliten. Die deutsche Beamtenschaft verließ fast vollständig die polnisch werdenden Gebiete, wurde vom öffentlichen Dienst im Deutschen Reich aufgenommen – was insgesamt unproblematisch gewesen zu sein scheint –, und die deutsche politisch-administrative Elite in diesen Gebieten wurde durch eine polnische ersetzt. Die deutschen Grundbesitzer dagegen optierten zum größten Teil für Polen, denn der Versailler Vertrag verband die Option für Deutschland mit der "Liquidation" des Grundbesitzes. Die in Polen verbliebene Führung der deutschen Minderheit wurde vor allem über die Deutsche Stiftung vom Deutschen Reich heimlich subventioniert. Von staatlichen Funktionen blieb sie in derselben Weise ausgeschlossen wie die polnischen Eliten im preußischen Osten bis 1918/20.

Daß die Vertreibung von intellektuellen Eliten aus Deutschland nach 1933 das Ende der heute vielfach verklärten "Weimarer Kultur" bedeutete, zeigte Claus-Dieter Krohn (Lüneburg) in seinem Beitrag über Vertriebene intellektuelle Eliten aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Insgesamt befanden sich unter den ca. 500.000 von den Nationalsozialisten aus der "Volksgemeinschaft" Ausgestoßenen etwa 12.000 bis 15.000 Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler – davon waren rund 3.000 Hochschullehrer, d.h. rund ein Drittel des akademischen Lehrkörpers. Von der Vertreibung im Hochschulbereich waren besonders die modernen Sozialwissenschaften (Ökonomie, Soziologie, Politikwissenschaften) sowie Teildisziplinen der Naturwissenschaften betroffen, die sich in den 1920er Jahren gerade professionalisiert hatten. Hier betrug die Entlassungsquote an einzelnen Universitäten bis zu 60 Prozent, so etwa in Frankfurt, Heidelberg und Kiel. Rund zwei Drittel von ihnen gingen ins Exil. Die meisten dieser "refugee scholars" fanden – direkt oder nach Zwischenstationen in anderen Ländern – Zuflucht in den USA; für sie galten dort die üblichen rigiden, durch Quoten festgelegten Einreisebeschränkungen nicht. Durch finanzielle Hilfen der spontan eingerichteten Hilfskomitees sowie der großen Stiftungen konnten sie ihre Karriere in der Regel bruchlos fortsetzen; in New York wurde 1933 sogar eine einzigartige "University in Exile" gegründet. Am Beispiel einzelner Gelehrter und ausgewählter Wissenschaftsmilieus stellte Krohn das innovative Profil mehrerer sozialwissenschaftlicher Disziplinen in den 1920er Jahren und deren Wirkung in den USA vor und betonte, daß dort seit einigen Jahren eine kontroverse Debatte darüber geführt werde, ob der heutige international führende Stand der amerikanischen Wissenschaften mit auf die Einflüsse der Flüchtlinge zurückzuführen sei oder ob er allein auf den materiellen Ressourcen des Landes beruhe.

Etwa 3.000 Schriftsteller und Publizisten, etwa doppelt so viele Künstler der Sparten Bildende Kunst, Film, Theater, Photographie und Tanz verließen Deutschland nach 1933. Die größte und gefährdetste Gruppe vor allem der oppositionellen Schriftsteller und linken Publizisten floh nach den politischen Ereignissen im März und April 1933. Der Beitrag von Hiltrud Häntzschel (München), Vertriebene kulturelle Eliten aus dem nationalsozialistischen Deutschland - "Die wahre deutsche Kultur", zeigte, wie am Beispiel der Mitgliedervertreibung an der Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste die Konkurrenz um den Vertretungsanspruch der deutschen kulturellen Elite zwischen den Deutschnationalen und den überwiegend jüdischen Vertriebenen offenkundig wird. Ihrer Meinung ist der Begriff "Elite" weder für die linksintellektuelle Opposition noch für die gesellschaftlich immer ausgegrenzten jüdischen Künstler geeignet, für die sie den Begriff "Gegenelite" bevorzugt. Aus dem Selbstverständnis der Emigranten, die sich als Vertreter des wahren und besseren Deutschlands sahen, leitete sie ein neues, moralisches Kriterium zur Bestimmung des Elitebegriffs ab. Sie veranschaulichte diese Auseinandersetzung der miteinander konkurrierenden Eliten am Beispiel der Familie Mann, die nach Herkunft, Status, Leistung und Einfluß kulturelle Elite verkörpert.

Die Rückkehr der Vertriebenen aus ihrem Exil behandelte Marita Kraus (Bremen) in ihrem Beitrag Remigration nach Deutschland nach 1945. Da die Exilanten aufgrund individueller Überlegungen und unabhängig voneinander nach Deutschland zurückkehrten, sei – so Kraus einleitend – die Frage, welche Personengruppen und -schichten remigrierten, nur schwer zu beantworten. Im Vergleich zur Emigration war die Remigration kein Massenphänomen: Es kamen in den ersten Jahren nach Kriegsende etwa 50 bis 60 Prozent der aus politischen Gründen Emigrierten zurück, vor allem Gewerkschaftler und Politiker der Linksparteien. Hier – so Kraus – handelte es sich weitgehend um Elitenremigration, da vor allem höhere Funktionäre, nicht Mitglieder hatten fliehen müssen. Die politischen Remigranten in Ost und West wurden vielfach wieder in Führungspositionen tätig, so die aus Moskau zurückkehrenden Kommunisten in der SBZ/DDR oder die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik. Obwohl die Westalliierten eher darauf setzten, die lokalen Eliten umzuerziehen als Rückkehrer in einflußreiche Positionen einzusetzen, gelang es den Betreffenden meist, sich im Westen (wieder) zu etablieren. Von der geflohenen jüdischen Bevölkerung wagten sich etwa vier Prozent, rund 20.000 Personen, wieder nach Deutschland zurück. Darunter befanden sich Künstler und Intellektuelle, Anwälte und Geschäftsleute. Schwer zu messen ist der Anteil der Emigranten, die nie wieder ganz zurückkehrten, die jedoch als Teilhaber in Anwaltskanzleien und Firmen, als Vortragsreisende und Gastprofessoren durch ihre Auftritte und Publikationen in Deutschland wirkten. Ihr Anteil an der Demokratisierung und internationalen Öffnung des Landes ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Am Beispiel der Unterdrückung traditionaler agrarischer Führungsgruppen in der UdSSR in den frühen dreißiger Jahren und in der DDR zwanzig Jahre später zeigte Arnd Bauerkämper (Potsdam), daß sich Vertreibungen in stalinistischen Diktaturen nicht vorrangig gegen ethnische Minderheiten, sondern vor allem gegen – als "Feinde" stigmatisierte - traditionale Führungsgruppen richteten (Vertreibung als Exklusion gesellschaftlicher Führungsgruppen. Die Verdrängung der "Großbauern" in der SBZ/DDR und die Vernichtung der "Kulaken" in der UdSSR). Die gewaltsamen Vertreibungen zielten – so führte Bauerkämper aus – nicht auf den Ausschluß der Enteigneten und Entmachteten aus den Staatsverbänden, sondern auf Entwurzelung dieser Personengruppen durch Verdrängung, Ausweisung und Deportation aus ihren jeweiligen Lebenskontexten. Damit bildete der Elitewechsel das Korrelat der Gesellschaftskonstruktion stalinistischer Diktaturen, in denen sich Repression und Terror als Mittel grenzenloser Herrschaftsausübung mit einem weitreichenden Gestaltungsanspruch gegenüber der Gesellschaft verbanden. Die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Diktaturen bei dieser Vertreibung führte Bauerkämper darauf zurück, daß die SED-Spitzenfunktionäre - anders als die Staats- und Parteiführung der UdSSR in den späten zwanziger Jahren - zwei Jahrzehnte später in ihrer Agrarpolitik nicht autonom entscheiden konnten, sondern den deutschlandpolitischen Zielen der sowjetischen Führungsmacht unterworfen waren und daß sie darüber hinaus die Wirkung ihrer Repressionsmaßnahmen auf die propagandistische Selbstdarstellung des Regimes sowie die offene Grenze zur Bundesrepublik Deutschland berücksichtigen mußten. Folge dieser Exklusion traditionaler agrarischer Führungsgruppen in beiden stalinistischen Diktaturen bzw. der Verdrängung der wirtschaftsstarken Landwirte in der DDR war ein nachhaltiger Qualifikationsverlust.

Michael Schwartz (Berlin) behandelte mit seinem Beitrag Die Vertreibung aus dem Osten und die Formation neuer administrativer Eliten in der SBZ/DDR ein Thema, das bislang nur unzureichend Gegenstand der Forschung ist. Seine Untersuchungen bestätigten die Annahme, daß eine große Anzahl von Vertriebenen in den öffentlichen Dienst der SBZ/DDR integriert wurde. Diese mit heftigen Verteilungskämpfen um solche beruflichen Positionen zwischen Vertriebenen und Einheimischen verbundene Entwicklung war – so Schwartz – nicht zuletzt eine Folge des politisch motivierten Personalwechsels im Zuge der Entnazifizierung und des zeitweilig erheblichen Personalausbaus der öffentlichen Verwaltungen in der SBZ. Die Entwicklung zeichnete sich zum einen dadurch aus, daß die Integration der Vertriebenen in den öffentlichen Dienst regional sehr unterschiedlich war; zum zweiten gab es zeitliche Konjunkturen und landsmannschaftlich-politische Bevorzugungsstrategien, die insbesondere altkommunistische antifaschistische Umsiedler aus der CSR begünstigten. Aber einen Zugang von Vertriebenen zu echten Führungspositionen im öffentlichen Dienst konnte Schwartz nur vereinzelt feststellen: eine Integration erfolgte primär an der Verwaltungsbasis, um qualitative Personalprobleme kurzfristig zu lösen, und nur vereinzelt in der Elite des administrativen Systems. Selbst den wenigen privilegierten Antifa-Umsiedlern gelang, so Schwartz, nur in wenigen Sektoren eine Elite-Laufbahn, insbesondere in den Bereichen der Kulturpolitik, des Auswärtigen Dienstes der DDR und in den Sicherheits- und Repressionsapparaten des SED-Staates.

Wie sich Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Ost-Mitteleuropa als Folge des Zweiten Weltkriegs auf die Struktur der politisch-administrativen Elite der frühen Bundesrepublik und auf die vertriebenen Eliten selbst auswirkten, war Thema des Beitrag von Mathias Beer, Tübingen (Die Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa und die politisch-administrative Elite der Bundesrepublik). Er skizzierte zunächst Evakuierung, Flucht und Vertreibung, deren Folgen für die westlichen Besatzungszonen und die Bundesrepublik sowie die diesbezüglichen Ergebnisse der Flüchtlings-, Eliten- und zeitgeschichtlichen Forschung, ging dabei auch auf Probleme des Datenmaterials ein, fragte nach der regionalen Herkunft der politisch-administrativen Eliten der frühen Bundesrepublik, um vor diesem Hintergrund den Anteil der Flüchtlinge und Vertriebenen in unterschiedlichen Segmenten dieser Funktionseliten zu bestimmen. Als Ergebnis präsentierte er zwei Thesen: Erstens, daß im Vergleich mit anderen Gruppen der geflüchteten und vertriebenen Bevölkerung sich die Eingliederung – verstanden als Herstellung von Chancengleichheit zwischen eingesessener und zugezogener Bevölkerung – bei den politisch-administrativen Eliten insgesamt früher und reibungsloser vollzog. Zweitens, daß der Einfluß der Flüchtlinge und Vertriebenen auf die Entwicklung der Bundesrepublik - aufgrund des hohen Anteils dieser Gruppen an der politisch-administrativen Elite - größer war als man aufgrund ihrer Zahl annehmen würde.

Am Beispiel der westdeutschen Nachkriegsliteratur sowie der sogenannten Ostforschung verdeutlichte Hans-Werner Rautenberg (Marburg) Werk, Wirken und Bedeutung von Schriftstellern und Historikern aus dem ehemals deutschen Sprachgebiet im östlichen Europa innerhalb der kulturellen Eliten der Nachkriegszeit (Die Vertreibung aus dem deutschen Osten und die kulturelle Elite). Es ging ihm vor allem darum zu erörtern, in welcher Weise sich ihre Herkunft auf ihr literarisches Schaffen auswirkte und welchen Beitrag sie zur Entwicklung der deutschen Nachkriegsliteratur insgesamt leisteten. Hierbei unterschied Rautenberg zwischen zwei Schriftsteller-Generationen: derjenigen, die den Ersten Weltkrieg und den Beginn der Weimarer Republik noch bewußt erlebt hatte und derjenigen, deren prägender Lebensabschnitt Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit umspannte. Am Beispiel einiger Historiker, die vor 1945 zumindest einen Teil ihres Bildungsgangs an der Universität Königsberg durchlaufen hatten, zeigte er deren Integration in die sich allmählich konsolidierende westdeutsche Hochschullandschaft, ihre Behauptung als renommierte Fachvertreter und schließlich ihren nachhaltigen Einfluß auf die historische Forschung der frühen Bundesrepublik.

Abschließend referierte Reinhard Buthmann (Berlin) über das Thema Elitezuwanderung aus der SBZ/DDR in die Bundesrepublik. Das Ethos bürgerlicher Wissenschaft im Visier der Staatssicherheit. Der "Kampf um die wissenschaftlich-technische Intelligenz" des SED-Staates war reich an grotesken Situationen, scheinbaren und wirklichen Widersprüchen sowie massiver Karrierebeeinflussung: vor allem aber war er – so Buthmann – von eminent hybrider Natur. Die SED räumte zwar den Wissenschaften einen hohen Stellenwert ein, akzeptierte aber weder die Eigenständigkeit der Forschung noch tolerierte sie den bürgerlichen Wissenschaftler mit seinen spezifischen und tradierten Vorstellungen hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Informationsmöglichkeiten und Kommunikationsbeziehungen. Vor allem aus dieser grundsätzlichen Ablehnung der Ansprüche und den daraus erwachsenden Restriktionen und Repressionen ist die anhaltende Flucht von Angehörigen der Intelligenz erklärbar. In diesem Zusammenhang erhellte Buthmann vernehmlich die Rolle des MfS zwischen Fluchtbekämpfung und Konfliktvermehrung. Die großen Abwanderungswellen – insbesondere Ende der vierziger Jahre bis zum Mauerbau 1961, ferner 1989 – erfaßten auch die wissenschaftlich-technische, geisteswissenschaftliche und künstlerische Intelligenz. Die Dauer-Zwangsabwanderung bedeutender Teile der wissenschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Intelligenz hatte in jeder Beziehung eine destabilisierende (Rück-) Wirkung und verstärkte nicht nur den ohnehin chronischen und strukturellen Arbeitskräftemangel in der DDR. Die Bundesrepublik dagegen gewann durch die Abwanderung risikobereites und innovatives Humankapital. In aller Regel handelte es sich um Personen, die am Beginn ihrer Laufbahn oder im Zenit ihrer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit standen.

Die Beiträge erscheinen im Oldenbourg-Verlag in dem Band: Günther Schulz (Hg.): Vertriebene Eliten. Vertreibung und Verfolgung von Führungsschichten im 20. Jahrhundert. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1999 (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, Band 24), München 2000.

Köln, den 9. August 1999 Bettina Hinterthür


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: hinterthuer@wiso.uni-koeln.de
Subject: Tagungsbericht
Date: 25.9.1999


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