Dreihundert Jahre Preussische Koenigskroenung 1700 - 2000

Symposion, 16. bis 18. November 2000, Berlin

Ein Tagungsbericht von Michael Kaiser

Im Rahmen ihrer Jahresversammlung veranstaltete die Preussische Historische Kommission (PHK) zusammen mit dem Geheimen Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz und der Stiftung Preussische Schloesser und Gaerten Berlin-Brandenburg vom 16. bis zum 18. November 2000 in der Eosander-Kapelle imSchloss Charlottenburg ein Symposion, um verschiedene Aspekte der preussischen Koenigskroenung zu thematisieren.

Im ersten Referat folgte Peter Baumgart einer innenpolitischen Perspektive, um die hoefischen und administrativen Strukturen zu beleuchten, die beim Erwerb der Koenigskrone eine Rolle spielten. Vor allem das neuberufene "Dignitaets-Conseil" war hierbei von herausragender Bedeutung, da in dieser eher informellen Einrichtung die auch in der Folgezeit fuer Friedrich III./I. entscheidenden Berater versammelt waren. Eng mit dieser Thematik verknuepft war die Frage nach dem Regierungsstil des Hohenzollern, der als unselbstaendig und anlehnungsbeduerftig charakterisiert wurde und die Etablierung einer Guenstlingsstruktur befoerdert habe.

Mit der Salbung des Koenigs untersuchte Iselin Gundermann einen einzelnen Aspekt des Kroenungsaktes, der sich gleichwohl als bedeutungsvoll erwies. Denn durch die Salbung erhielt die Kroenungszeremonie eine sakrale Komponente, die sich herrschaftslegitimatorisch im Sinne einer absoluten Fuerstenherrschaft auswirkte. Weiterhin schuf erst eine Salbung jene "Sacra Maiestas", die ein vollgueltiges Koenigtum begruendete und ihm auch jene Vornehmheit verlieh, die vor dem Hintergrund der damals besonders virulenten Praezedenzstreitigkeiten ausschlaggebend sein konnte.

In einem Abendvortrag stellte Hellmut Lorenz den Ausbau des Berliner Schlosses im Kontext der europaeischen Architektur jener Zeit vor. Dabei wurde deutlich, wie sehr sich in Schlueters Projekten die Suche nach "koeniglichen" Formen niederschlugen. Die Offenheit fuer moderne architektonische Loesungen in der Residenzstadt Berlin stand durchaus einzigartig dar, erklaert sich aber dadurch, dass anderen Residenzen wie beispielsweise dem kursaechsischen Dresden und dem kaiserlichen Wien unterschiedliche Konzeptionen zugrunde lagen. Vor allem war dort die bauliche Tradition selbst ein Ausdrucksmittel der Repraesentation. Gleichwohl wurde das Berliner Schloss massstabsetzend, wie sich insbesondere anhand von Architekturpublikationen nachweisen laesst.

Max Plassmann wandte sich in seinem Vortrag der im Krontraktat vereinbarten (und in weiteren Vereinbarungen modifizierten) preussischen Waffenhilfe fuer OEsterreich zu. Konkret beschrieb er die typischen Probleme eines Koalitionskrieges, in dem Friedrich I. keine Scheu hatte, die dem Kaiser zugesagten preussischen Kontingente mit grossem Geschick als politisches Instrument zu gebrauchen. Das Verhaeltnis Preussens zu OEsterreich musste somit erhebliche Belastungen verkraften. Es kam zwar nicht zu einem Bruch, doch war die Allianz einem steten Erosionsprozess ausgesetzt. Insgesamt deutete sich damals schon an, dass das sich auch als Auxiliarmacht sehr selbstbewusst gerierende Preussen hier den ersten Schritt auf dem Weg zur Grossmacht tat.

Was die Wahrnehmung der preussischen Koenigserhebung aus oesterreichischer Sicht angeht, stellte Christine Roll fest, dass die Wiener Hofburg dem Kroenungsakt in Koenigsberg keineswegs eine besonders grosse Bedeutung zugemessen hat. Dieser ueberraschende Befund laesst sich dadurch erklaeren, dass Wien mittlerweile den allgemeinen Prozess der Monarchisierung in Europa nicht mehr glaubte stoppen zu koennen. Anstelle einer Blockadepolitik versuchte die Hofburg nun, diesen Prozess konstruktiv im Sinne der eigenen Interessen mitzugestalten. Insgesamt laesst sich diese Haltung mit dem Wechsel von einer Klientel- hin zu einer Buendnispolitik beschreiben.

Ausgehend von dem beruehmten Verdikt Friedrichs des Grossen ueber Friedrich I. ging Johannes Kunisch auf das Verhaeltnis des Enkels zu den Leistungen seines Grossvaters ein. Anknuepfend daran ist zu konstatieren, dass die Kritik Friedrichs des Grossen an der Repraesentationskunst des ersten preussischen Koenigs nur schlecht zu dem Verhalten passt, das der spaete Friedrich selbst an den Tag legte (Bau des Neuen Palais, umfaengliche Sammlertaetigkeit). Doch der Enkel revidierte sein frueheres Urteil ueber den Grossvater auch spaeter nicht, was sich moeglicherweise damit erklaeren laesst, dass sich Friedrich der Grosse im Bewusstsein seiner eigenen monarchischen Groesse auch eine andere Berechtigung fuer diese Form von herrscherlicher Repraesentation zugebilligt hat.

Das Verhaeltnis der preussischen Landstaende zu ihrem nun gekroenten Landesherrn war das Thema des Vortrags von Michael Kaiser. So war Friedrich I. sehr bemueht, die Rolle der Landstaende beim Kroenungsakt zu marginalisieren, um auf diese Weise auch seine Souveraenitaet sinnfaellig werden zu lassen. Begriffsanalytisch laesst sich desweiteren zeigen, dass anlaesslich der erteilten landesherrlichen Assekuration, der staendischen Gratulationen wie auch der Verhandlungen ueber das Donativ resp. die Kroenungssteuer sowohl der Landesherr als auch die Staende ihre jeweilige Interpretation des Verhaeltnisses Landesobrigkeit - Staende praesentieren konnten.

Auf die grosse legitimatorische Bedeutung der genealogischen Geschichtsschreibung kam Wolfgang Neugebauer zu sprechen. Fuer die Hohenzollern gab es eine ganze Reihe von genealogischen Entwuerfen, unter denen die Colonna-Tradition die wichtigste und bis ins 17. Jahrhundert auch die dominierende war. Doch schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts begann sich bei den schwaebischen Hohenzollern ein "Tassilo" als neuer Stammvater zu etablieren. Dieser konstruierte Ahnherr fand seinen Weg auch nach Brandenburg, wo er just im Kontext der Koenigskroenung Eingang in die offizielle Historiographie fand und bis ins 19. Jahrhundert hinein die Genealogie der Hohenzollern praegte.

Mit der Thematik der preussischen Nicht-Kroenungen befasste sich Heinz Duchhardt, der die Gruende eroerterte, warum die Nachfolger Friedrichs I. keine eigentlichen Kroenungszeremonien mehr vornahmen. Einerseits moegen Kostengruende eine Rolle gespielt haben, vor allem aber auch die Frage, inwieweit eine solche Zeremonie noch zeitgemaess war. Bezeichnenderweise wurde erst wieder 1861 ein preussischer Koenig in einer eigenen Zeremonie gekroent, die moeglicherweise einen Kontrapunkt zur konstitutionellen Monarchie setzen sollte.

Barbara Stollberg-Rilinger ging in einem weiteren Abendvortrag weit ueber den eigentlichen Kroenungsvorgang hinaus und stellte ihn in den Kontext der europaeischen Maechtebeziehungen. Denn Friedrich I. ging es vor allemwarum, mit dem Erwerb des Koenigstitels nun auch im zeremoniellen Tractament auf europaeischer Ebene der "honores regii", der koeniglichen Ehren also, zuteil zu werden und damit auch im zeitgenoessischen Voelkerrecht eine sinnfaellige Anerkennung der Koenigswuerde zu erlangen. Erst auf diese Weise wurde der Anspruch, ein gleichberechtigtes Subjekt im Kreise souveraener Potentaten zu sein, dokumentiert und mit der Gewaehrung koeniglicher Ehren im zeremoniellen Umgang auch akzeptiert. Die letzten drei Vortraege wandten sich wiederum kunsthistorischen Themen zu. Christoph Frank ging der Frage nach, warum Schlueters Standbild Friedrichs I. eine prominente Rolle in der oeffentlichen Selbstdarstellung des preussischen Koenigs zu spielen versagt bleiben musste. Als problematisch erwiesen sich deutliche Bezuege zu einem Standbild Ludwigs XIV., dessen Ausfuehrung vielfache Kritik nach sich gezogen hatte. Besonders die apotheotische UEberhoehung wurde bemaengelt und erwies sich auch fuer Brandenburg-Preussen als ein nicht akzeptables Vorbild. Einzukalkulieren sind auch Ruecksichtnahmen auf die Hugenottenpartei, die eine starke anti-ludovizianische Haltung befoerderten.

Einen Ueberblick ueber die Kirchen, aber auch andere Baulichkeiten der Hugenotten in Brandenburg-Preussen bot Sybille Badstuebner-Groeger, indem sie vor allem deren Baugeschichte praesentierte. Auch wenn Friedrich I. die Toleranzpolitik seines Vaters fortsetzte, konnten die Réfugiés nicht so sehr auf materielle Hilfe des Fuersten zaehlen und blieben vielfach auf Selbsthilfe angewiesen. Ihre Bauten waren gepraegt durch Einfachheit und Schmucklosigkeit, was gerade auch die Ausstattung betraf. UEberhaupt war fuer ihren Stil weniger die Kunst als vielmehr die Technik massgeblich; eine auch stilistisch ausgepraegte hugenottische Bautradition ist gleichwohl nicht feststellbar.

Am Schluss stellte Helmut Boersch-Supan die Herrscherportraets Friedrichs I. vor. Der erste preussische Koenig orientierte sich zwar wie sein Vater Friedrich Wilhelm auch an Vorbildern anderer europaeischer Monarchien (vor allem franzoesische, aber auch englische Gemaelde), fuehrte gleichwohl einen neuen Typus der Herrscherdarstellung ein. Friedrich I. liess sich nicht mehr stehend, sondern auf dem Thron sitzend portraetieren. Bedeutsam war auch, dass er sich in Uniform abbilden liess, eine Eigenheit, die in dieser Zeit sonst nur noch bei Karl XII. von Schweden zu beobachten ist. Es ist geplant, die Ergebnisse dieses Symposions in einem Beiheft der "Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte" (Duncker & Humblot, Berlin) zu veroeffentlichen.

Michael Kaiser, Koeln


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Michael Kaiser <Michael.Kaiser@uni-koeln.de>
Subject: Tagungsbericht: Dreihundert Jahre Preussische Koenigskroenung 1700-2000
Date: 29.11.2000


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