Bericht ueber die 1. Tagung des Arbeitskreises Ordensgeschichte 19./20. Jahrhundert (AKO) vom 9. - 11. Feb. 2001 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar

Ziel des Arbeitskreises ist es, ein wissenschaftliches Diskussionsforum zur Ordensgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu schaffen und ggf. in eine Projektarbeit einzusteigen. Bei der ersten Tagung standen fuenf Themenbereiche im Mittelpunkt. Dr. Johannes Kistenich, Niederkassel, untersuchte die Uebernahme oeffentlicher Lehraemter durch Mendikanten in der ersten Haelfte des 19. Jahrhunderts am Niederrhein und im suedlichen Westfalen, die ihren Hoehepunkt um 1810 hatte. Die von weltlicher Seite an die Orden herangetragene Forderung, sich etwa durch Schuldienst fuer den Nutzen der Allgemeinheit staerker zu engagieren, korrespondierte mit dem Bestreben der Orden, der drohenden Aufhebung einer Niederlassung durch die Uebernahme entsprechender Aufgaben zu entgehen. Das Schulengagement der Mendikanten zeigte beispielhaft, dass Funktionen zuweilen deutlich langlebiger als die Institutionen sind und die Saekularisation der Jahre 1802 ff. nur eingeschraenkt als Epochengrenze in der Ordensgeschichte betrachtet werden kann. In der Diskussion wurde deutlich, dass dies ein auf das Untersuchungsgebiet beschraenktes Phaenomen ist. Die Funktion der Mendikanten im sueddeutschen Raum ist damit nicht zu vergleichen.

Prof. Dr. Leo Weber, Benediktbeuren, spuerte den Motiven junger Maenner fuer einen Ordenseintritt bei den Salesianern Don Boscos in der ersten Haelfte des 20. Jahrhunderts nach. Sein besonderes Augenmerk galt den Spaetberufenen. Dabei stuetzte er sich auf ordensinterne Quellen. Diese liessen allerdings in ihrer Ausfuehrlichkeit zu den interessierenden Personalangaben viele Wuensche offen. Weber konnte daher anhand seiner Befunde nur erste Thesen aufstellen: Ein Anstieg der Eintritte war in der Zeit der Weltwirtschaftskrise zu verzeichnen. Doch dieser Zulauf war nicht auf die Salesianer beschraenkt. Die Kandidaten kamen ueberwiegend aus laendlichen Gebieten und es waren zumeist die spaeter geborenen Kinder, die den Ordensberuf waehlten. Fuer einen Eintritt waren nicht ausschliesslich oekonomische Motive massgebend, sondern es wirkte auch das Vorbild von Verwandten ("Klostertanten", "Pfarronkel").

Dr. Relinde Meiwes, Bielefeld/Siegen, beschaeftigte sich thesenartig mit dem "Frauenkongregationsfruehling" ab 1850. Neben dem Klerus repraesentierten Frauen das kirchliche Personal in der Oeffentlichkeit. Dabei ist das Phaenomen einer Feminisierung der Religionen im 19. und 20. Jahrhundert zu verzeichnen. Meiwes plaedierte fuer eine Untersuchung aus der Sicht der Akteure bzw. Akteurinnen im kirchlichen Raum und nicht der Amtstraeger. Ebenso muss der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung von Frauen nachgespuert werden, wobei das Ordensleben (Glaube als Lebenspraxis) durchaus mit anderen Lebensmodellen von Frauen (Heirat, Leben als Single) - auch in anderen Konfessionen - kontrastiert werden muss. Warum war fuer eine Frau ein religioeses Leben attraktiv?

Sr. Anna Damas, Moenchengladbach, reflektierte den Wandel des Selbstverstaendnisses der Steyler Missionsschwestern (Dienerinnen des Heiligen Geistes) von ihrer Gruendung 1889 bis in die Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil. Zunaechst waren die Schwestern keine Missionarinnen, sondern Missionshelferinnen. In der Gruendungsphase bedeutete Mission "Seelen retten". Dieses Verstaendnis wandelte sich mit dem II. Vatikanischen Konzil, welches jedem Glaeubigen eine Missionsberufung zuspricht. Jetzt waren die Schwestern zwar Missionarinnen, doch ohne ein eigenes Profil. Dies fuehrte zur Suche nach einer neuen Richtungsbestimmung im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext und damit zur Versuchung, eine "geliehene Identitaet" anzunehmen, weil der Gruendungsimpuls nicht mehr traegt. Eric Steinhauer, Ruethen-Kallenhardt, wies auf Darstellungen von Orden im Internet hin und auf Suchstrategien, Linksammlungen, Mailinglisten (http://www.egroups.de/group/ordensgeschichte1920) und Newsgroups zur Ordensgeschichte. Sein Beitrag findet sich unter http://v.hbi-stuttgart.de/Bibliothek/wd.

In der Diskussion angeschnitten wurden Methodenfragen, Periodisierungen der Ordensgeschichte, die Stellung der Orden als Sondergesellschaft, Rezeption von Ordensgeschichte sowie eine Fuelle von Desideraten in der modernen Ordensgeschichtsforschung. Genug Stoff fuer eine weitere Tagung des Arbeitskreises, die fuer den 1.-3. Februar 2002 geplant ist. Weitere Informationen bei der Leitung des AKO: Dr. Antonia Leugers (Muenchen), Prof. Dr. Joachim Schmiedl (Vallendar), und Dr. Gisela Fleckenstein (Detmold)

Gisela Fleckenstein ( gfl@wtal.de), Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar

Arbeitskreis Ordensgeschichte19/20

Pallottistr. 3 56174 Vallendar


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From:"Gisela Fleckenstein" <gfl@wtal.de>
Subject: Tagungsbericht: Arbeitskreis Ordensgeschichte 19./20. Jahrhundert
Date: 01.03.2001


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