Im Mittelpunkt der Tagung stand der funktionale und strukturelle Wandel von Hospitaelern, der partiell bereits seit dem 13. Jahrhundert, insbesondere aber im Verlaufe des 14. und 15. Jahrhunderts in einzelnen Einrichtungen und Hospitalensembles zu konstatieren ist. Dabei handelte es sich teilweise um sehr individuelle Phaenomene einzelner Einrichtungen, aber im Vergleich lassen sich auch interessante Gemeinsamkeiten feststellen - nicht zuletzt die spezifisch typologischen Auffaecherungen, die bereits auf Entwicklungen der Moderne verweisen. Zum Hintergrund: Nach der Jahrtausendwende war in zahlreichen europaeischen Landschaften ein enormer Zuwachs an wohltaetigen Institutionen im Zusammenhang mit demographischem Wachstum, Landesausbau und Urbanisierung festzustellen. Ueber bereits bestehende Hospitaeler hinaus entstanden in schneller Folge Fuersorgeeinrichtungen, zunaechst unter der Aufsicht von Kloestern, Bischoefen und Stiften, seit dem 12. Jahrhundert dann auch in buergerlich-staedtischer Regie, bisweilen unter gemeinsamer Leitung von Klerikern und Laien. Ueber fruehmittelalterliche Ansaetze hinaus wuchs die Zahl der spezialisierten Einrichtungen, wichtiger aber waren noch multifunktionelle Hospitaeler, die grundsaetzlich verschiedene Fuersorgeaufgaben wahrnahmen, aber auch ueber karitative Zwecke hinaus in Anspruch genommen wurden.
Der europaeische Vergleich habe sich fuer die Betrachtung der Hospitalgeschichte als sinnvoll erwiesen, betonte Prof. Dr. Michael Matheus, Vorsitzender des Instituts fuer Geschichtliche Landeskunde und Professor fuer Mittelalterliche Geschichte an der Universitaet Mainz, in der Schlussdiskussion des Alzeyer Kolloquiums. Mithilfe dieser grenzueberschreitenden Perspektive sei die Frage nach Phasenverschiebungen zu beantworten, ausserdem sei eine Zuordnung des jeweiligen Einzelbeispiels zu einer Entwicklungsstufe moeglich. Allerdings sei deutlich geworden, dass die zeitliche Begrenzung auf das Spaetmittelalter im Hinblick auf das Tagungsthema fragwuerdig erscheine. Viele Phaenomene des 16. Jahrhunderts, die als typisch fuer Reformation und die fruehe Neuzeit angesehen wuerden, gingen auf das fruehe 15. Jahrhundert zurueck. Der Begriff "Hospital" umfasst nur hoechst unzureichend die beeindruckende Vielfalt der schwer voneinander abgrenzbaren Institutionen - auch das wurde im Verlauf des Kolloquiums deutlich. Als brauchbarer fuer die Diskussion wurde eine Definition empfunden, die das Etikett "Hospital" praeziser beschriftet: "Institutionalisierte Fuersorgeeinrichtungen fuer bestimmte Gruppen" seien darunter zu verstehen, wobei die Spannweite von monastischer, stiftischer und kommunaler ueber koenigliche und kaiserliche bis hin zu paepstlicher Traegerschaft reiche. Funktions- und Strukturwandel, so zeigte die Tagung, gab es nicht nur im Spaetmittelalter. Der Trend zur Verpfruendung konnte in vielen Referaten nicht nur fuer das spaete Mittelalter, sondern auch fuer fruehere und spaetere Epochen nachgewiesen werden. Das Beduerfnis nach dem "Einkaufen" in ein Hospital sei offensichtlich ein dauerhaftes Problem, betonte Kolloquiumsleiter Matheus, zu dem zeitspezifische Loesungen gefunden wurden. Als weiteres Ergebnis sei festzuhalten, dass die von der deutschen Forschung quasi kanonisierte Meinung, das Krankenhaus sei eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts, nicht unwidersprochen bleiben duerfe. Angesichts der Medikalisierung und Spezialisierung von Hospitaelern in Florenz, Rom oder Barcelona halte diese Ansicht einer kritischen Ueberpruefung nicht stand. Spaetestens im 14. und 15. Jahrhundert sei die Spezialisierung und typologische Ausfaecherung der Fuersorgeeinrichtungen zu belegen. An den Hospitaelern in London und Rom sowie am St.-Nikolaus-Hospital in Kues habe sich die Differenzierung des Armutbegriffs gezeigt, ein anderer Umgang mit Armut sei die Folge des mentalen Wandels gewesen. Matheus wies darauf hin, die Leistungen der Altersfuersorge sowie der Armen- und Krankenfuersorge nicht allein aus der Sicht der Hospitaeler zu bewerten. Moeglicherweise haetten diese - im Unterschied zu heute - sehr viel staerker auf nicht institutionalisierten Pfeilern geruht, etwa auf der verbreiteten Unterstuetzung und Mildtaetigkeit innerhalb verwandtschaftlicher Kreise, auf sozialen Netzwerken von Nachbarschaft und Kirchspiel oder auf Hilfeleistungen innerhalb der zahlreichen Gemeinschaften.
Zu den einzelnen Vortraegen: Dr. Elisabeth Clementz sprach zum Thema "Das Antoniterhospital in Isenheim: Kontinuitaet vom Spaetmittelalter bis in die Fruehneuzeit". Die Spitaltaetigkeit des Antoniterordens, der auf die Pflege der an Mutterkornbrand erkrankten Patienten spezialisiert war, sei fuer das gesamte Mittelalter in der Praezeptorei Isenheim nachgewiesen. Mit der Reformation seien viele Haeuser des Ordens zugrunde gegangen, Isenheim habe jedoch bis ins 18. Jahrhundert fortbestanden. Clementz erklaerte diese Kontinuitaet mit der therapeutischen Leistungsfaehigkeit des Ordens, die sich in der Spezialisierung auf eine Krankheit begruende. Der Mutterkornbrand, eine Vergiftung des Roggenmehls, sei seit dem 13. Jahrhundert immer seltener geworden. Der Orden habe damit an Bedeutung verloren, auch weil er nicht rechtzeitig die Chance wahrgenommen habe, den Aufgabenbereich zu erweitern, indem er etwa Syphiliskranke kurierte. Clementz erklaerte, am Antoniterhospital liesse sich ein zweifacher Strukturwandel beobachten: 1247 werde aus der Laienbruderschaft ein Chorherrenorden, die Antoniter wuerden Kleriker und ueberliessen die Krankenpflege ihrem Laienpersonal. Ein weiterer Wandel sei in der zweiten Haelfte des 14. Jahrhunderts anzusetzen, als sich das Hospital schliesslich fuer Pfruendner oeffnete.
Professorin Dr. Anna Esposito verwies in ihrem Vortrag "Von der Gastfreundschaft zur Krankenaufnahme. Entwicklung und Organisation des Hospitalwesens in Rom zwischen 15. und 16. Jahrhundert" auf die grosse Tradition der Gastlichkeit in Rom: Bereits im Fruehmittelalter habe man dort Aufnahme- und Versorgungszentren, die Diakonien, in der ganzen Stadt und "scholae" zur Betreuung der Pilger in der Naehe der wichtigsten Kultstaetten finden koennen. Unter den Gruendungen des 13. Jahrhunderts sei das Hospital Santo Spirito, das unter dem Schutz der Paepste stand und dem Hospitaliter- Orden anvertraut wurde, wohl am bekanntesten. Das mit den kommunalen Fuehrungsschichten Roms verbundene Hospital des Salvatore war eine weitere grosse Anstalt, deren Gruendung auf das 13. Jahrhundert zurueckgeht. Die Salvator-Bruderschaft und ihr Hospital dienten im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts als Modell fuer zahlreiche andere Laienbruderschaften. Es entstanden eine Vielzahl neuer Institutionen zur Aufnahme von Armen und Kranken. Die Initiative sei meistens auf Mitglieder der staedtischen Fuehrungsschicht zurueckzufuehren, in einigen Faellen auch auf Kleriker, die sich in Bruderschaften zusammenschlossen. Neben den traditionellen staedtischen Bruderschaften habe es auch die Bruderschaften "nationalen Charakters" gegeben, die alten "scholae peregrinorum". Sie haetten wesentlich dazu beigetragen, die roemische Situation deutlich von der in anderen italienischen Staedten zu unterscheiden. Ihre Hospize seien speziell zur Aufnahme der eigenen Landsleute, der Roemer, aber auch der Pilger und Reisenden gebaut worden. Sie haetten gleichsam die Funktion eines Konsulats erfuellt und in den Jubilaeumsjahren eine wirksame soziale Einrichtung dargestellt. In der zweiten Haelfte des 15. Jahrhunderts habe sich eine schrittweise Entwicklung der Hospize zu Krankenanstalten abgezeichnet. Die Krankenpflege sei bald wichtiger geworden als die Aufnahme der Menschen, die im allgemeinen als "hilfsbeduerftig" galten - die "pauperes" und die "infirmi". Mit Verspaetung sei im Vergleich zu anderen Staedten die Errichtung von Hospitaelern in Rom zu beobachten, die einer bestimmten Gruppe von Kranken gewidmet waren. Im Hinblick auf den Grad der Organisation und die Entwicklung der roemischen Hospitaeler hin zu medizinischen Einrichtungen, erklaerte Esposito, sei ein Ausbau der Gebaeude, eine Erhoehung der Zahl und der Qualifikation des Personals sowie eine Verfeinerung und Verbesserung der Therapien festzustellen.
Prof. Dr. Jean-Luc Fray bezog sich in seinem Referat zum "Funktionswandel der Hospitaeler Mittelfrankreichs" auf die ehemaligen Provinzen Auvergne, Bourbonnais und Velay beziehungsweise auf die Dioezesen Clermont, Saint- Flour und Le Puy. Er bekannte, noch am Anfang seines Forschungsprojekts zu stehen. Trotz mancher Ueberlieferungsluecken liessen sich seit Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts rund 100 Hospitaeler, Hotels-Dieu und Maisons-Dieu urkundlich nachweisen. Im 14. Jahrhundert sei bei den Gruendungen ein deutlicher Rueckgang zu beobachten, erst seit Beginn des 16. Jahrhunderts sei dann wieder von einem Aufleben zu sprechen. Fray wies auf den engen Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Standort des Hospitals und den ueberregionalen Verkehrswegen der Region hin. Der Raum sei eine Durchgangslandschaft fuer Haendler und Pilger gewesen. Mit Blick auf die Zentralisierung versuchte er die Hospitaeler in ein Netz einzubeziehen. Gegen Ende des Untersuchungszeitraums habe bei den Gruendern ein Umdenken eingesetzt: Sie haetten weniger Interesse an der Errichtung von Hospitaelern in den Bergen gezeigt und mehr auf die Foerderung staedtischer Gemeinschaftseinrichtungen gesetzt. Ziel der "caritas" sei nun gewesen, staedtische Arme ebenso zu unterstuetzen wie Reisende. Auf die Frage nach den Gruendern erklaerte Fray, die Stadtraete und Herzoege von Bourbon haetten sich erst spaet, aber in beachtlichem Ausmass an der Ausstattung der Hospitaeler beteiligt.
Dr. John Henderson wies in seinem Vortrag "Healing the body and healing the soul - Hospitals and the sick poor in Renaissance Florence" eine Uebereinstimmung von Architektur und Funktion der Hospitaeler nach. Wenn die Aufgaben eines Hospitals sowohl religioeser wie auch medizinischer Art waren, habe sich dieser Dualismus auch in der Form wiederge-spie-gelt. Obwohl das monastische Vorbild fuer die Bauweise von Hospitaelern sehr ein- flussreich gewesen sei, sei es nicht "in Stein gemeisselt" gewesen: Der Bau neuer Hospitaeler im Florenz der Renaissance habe den Weg fuer Neuerungen bereitet - und das in einer Periode, die von wichtigen architektonischen Entwicklungen gepraegt worden sei. Am auffaelligsten seien Innovationen im aeusseren Erscheinungsbild in Form einer "Loggia" mit Terrakotta-Rundboegen und Szenen als Dekoration. Im Inneren habe sich die Gestaltung der Hospitaeler nicht grundlegend geaendert. Die Forschungsmeinung, der aus Zentral- und Norditalien stammende kreuzfoermig angelegte Pflegesaal sei typischer fuer neue architektonische Formen der Renaissance, muss laut Henderson hinterfragt werden. Schliesslich habe es sich nur um eine Ausweitung der normalen Gestaltung der Raeume gehandelt, die schon seit langer Zeit als passend fuer die Erfordernisse dieser Institutionen angesehen wurde. Die Form zweier langer rechteckiger Saele habe es den Verwaltern ermoeglicht, entlang der Waende eine betraechtliche Anzahl von Patienten unterzubringen. Auch die medizinische und pflegerische Belegschaft habe davon profitiert, denn auf diese Weise habe sie ihren Pflichten leichter nachgehen koennen. Und fuer die Patienten habe dies den wichtigen Vorteil gehabt, dass sie die Feier der Messe sehen konnten. Die Entwicklung der Hospitaeler muesse auch im groesseren Kontext der Entwicklung der Armen- und Fuersorgeeinrichtungen gesehen werden. Angesichts der Bestrebungen, Vagabunden davon abzuhalten, auf der Suche nach Almosen von Tuer zu Tuer zu ziehen oder sich laenger als drei Tage in der Stadt aufzuhalten, ohne zu arbeiten, werde der Uebergang zu fruehneuzeitlichen Einstellungen gegenueber den Armen deutlich. Auch wenn die Armen im 14. und 15. Jahrhundert noch freiwillig in die Hospitaeler von Florenz gingen, um sich behandeln zu lassen, seien doch innerhalb von dreissig Jahren bereits die gefuerchteten "Lazzaretti" fuer Pestopfer entstanden, in die die Kranken gezwungenermassen eintraten. Obwohl die Rolle christlicher Naechstenliebe bei der Etablierung und Unterhaltung der Hospitaeler nicht unterschaetzt werden solle, unterstrich Henderson, haetten die Einrichtungen auch fuer eine wirksame Sozialkontrolle gesorgt.
Meike Hensel veranschaulichte fuer das "St. Nikolaus-Hospital zu Kues im 15. Jahrhundert", wie die Gruendung des beruehmten Kardinals nach seinem Tod zum Objekt und Instrument erzbischoeflicher Territorialpolitik zu werden drohte. Als enger Mitarbeiter und Vertrauter des Papstes Pius II. erreichte Nikolaus von Kues die Exemtion des Hospitals aus Dioezesan- und Pfarrverband. In der Gruendungsurkunde schloss Cusanus ausdruecklich fremden Einfluss bei der Anstellung des Hospitalrektors aus, dafuer sollten die Visitatoren und Superintendenten verantwortlich sein. Die wirtschaftlichen Grundlagen und das grosszuegige Grundkapital der Stiftung haetten jedoch bald das Interesse des Trierer Erzbischofs geweckt, erklaerte Hensel. Durch die Bestellung des Hospitalrektors habe er versucht, die Besitzungen, Rechte und finanziellen Ressourcen des Hospitals fuer seine territorialpolitischen Zwecke zu instrumentalisieren. Der Tod des Cusanus-Familiaren Peter von Erkelenz im Jahre 1494, der sich stark fuer die Wahrung der urspruenglichen Bestimmungen eingesetzt hatte, habe dann eine deutliche Zaesur in der Geschichte des St.-Nikolaus-Hospitals markiert: Unter den Nachfolgern sei es dem Trierer Erzbischof gelungen, seinen Einfluss auf die Stiftung und den Hospitalrektor zu intensivieren.
Prof. Dr. Ulrich Knefelkamp stellte seinem Referat zum "Alltag im spaetmittelalterlichen Spital" grundlegende typologische Ueberlegungen voran: Er unterschied die verschiedenen Hospitaltypen nach den Patienten in zwei Kategorien - in die Einrichtungen fuer Kranke und arme Beduerftige sowie in die Einrichtungen fuer ansteckende Krankheiten. Unter dem ersten Funktionsbereich subsumierte Knefelkamp die Herbergen und Hospitaeler der Kloester, die der geistlichen Stifte, die Hospitaeler der kirchlichen Bruderschaften und Spitalorden, die Buergerspitaeler, die Pilger- und Fremdenspitaeler sowie schliesslich die Armen- und Seelhaeuser. Unter dem zweiten Aufgabenbereich fasste er die Leprosorien, die Pesthaeuser und die Blatternhaeuser zusammen. Knefelkamp betonte, dass die Hospitaeler mehrere dieser Funktionen ausfuellen konnten und sich als genetische Typen in der Entwicklung abloesen, weil Aufgabenbereiche sich im Lauf der Zeit wandelten.
Dr. Michel Pauly stellte in seinem Vortrag "Von der Pilgerherberge zum Seniorenheim. Funktionswandel in Hospitaelern an ausgewaehlten Beispielen aus dem Rhein-Maas-Mosel-Raum vor 1500" erste Ergebnisse seines laufenden Forschungsprojekts in Form eines Werkstattberichts vor. Im Rahmen des SFB 235 der Universitaet Trier untersucht Pauly "Hospitaeler und Leprosorien im Rhein-Maas-Mosel-Raum vom 7. bis zum 15. Jahrhundert", dabei geht es vor allem um raumbezogene Aspekte der Hospitalgeschichte. Die meisten Hospitaeler des Untersuchungsraumes zwischen Maas und Rhein seien im Spaetmittelalter multifunktionell gewesen, erklaerte Pauly. Viele von ihnen seien urspruenglich nur fuer Pilger oder Reisende gedacht gewesen, besonders die an Stadttoren oder entlang der Stadtmauer errichteten sowie die auf dem Lande in der Naehe von Pilger- und Handelswegen liegenden Hospitaeler. An Beispielen aus Bitburg, Namur, Aachen und Koeln zeichnete Pauly nach, wie diese Pilgerherbergen zu allgemeinen Armenhospitaelern wurden, die sich dann vor allem nach der zweiten Haelfte des 13. Jahrhunderts immer haeufiger zu Pfruendneranstalten entwickelten. In diesem Zusammenhang warf Pauly die Frage auf, ob eine Verbindung zwischen Kommunalisierung und Verpfruendung bestehe. Die Zunahme von Pfruendneranstalten habe in manchen Staedten einerseits zur Stiftung traditioneller Hospitaeler fuer Arme und Pilger und andererseits zur Gruendung von Krankenhaeusern gefuehrt. Die Multifunktionalitaet des mittelalterlichen Stadthospitals muesse als Regel angenommen werden, so Pauly, auch noch nach der Aufnahme von Pfruendnern. Das multifunktionelle Hospital sei durch spezialisiertere Anstalten ersetzt worden, doch das Fuersorgeangebot habe sich oft nur voruebergehend differenziert. Denn in neuen Hospitaelern habe der Verpfruendungs-prozess von neuem begonnen.
Dr. Brigitte Pohl-Resl belegte fuer "Das Buergerhospital zu Wien im Spaetmittelalter" einen Funktionswandel in der zweiten Haelfte des 15. Jahrhunderts: Die Strukturen der Einrichtung haetten sich auf allen Ebenen geaendert, am deutlichsten jedoch im "sozialen" Bereich. Die Stifter haetten sich immer ausfuehrlicher mit der feierlichen Ausgestaltung ihrer Jahrtage beschaeftigt, die Armenversorgung sei in den Testamenten nicht mehr angesprochen worden. Pohl-Resl folgerte, dass die Sozialfuersorge aus dem Bereich individuellen Engagements in die staedtische Administration uebergegangen sei. Die Insassen des Spitals seien differenzierter wahrgenommen worden, und die Fuersorge habe sich zusehends spezialisiert. Allgemein sei eine Entwicklung hin zu groesserer Effizienz und einem ausgepraegteren Grad von Buerokratisierung festzustellen.
Prof. Dr. Frank Rexroth zeigte in seinem Vortrag ueber "Londons Arme und die Fruehgeschichte der Armenhaeuser (ca. 1400 bis 1536)", dass der Differenzierung des Armutsbildes in der englischen Metropole des spaeten Mittelalters eine typologische Differenzierung der Spitaelerlandschaft entspreche. Die Zweiteilung des Armutsbildes in die Figur des "wuerdigen" Armen und die Figur des "starken" Bettlers habe dazu gefuehrt, dass waehrend des 15. und fruehen 16. Jahrhunderts immer mehr Fuersorgeeinrichtungen im Stil des Armenhauses errichtet wurden. In den Staedten Englands sei man vom Konzept der grossen Spitaeler abgerueckt und habe kleinen, ueberschaubareren Haeusern den Vorrang gegeben, in denen eine geringere Zahl von persoenlich bekannten, lange Zeit ortsansaessigen Armen dauerhaft versorgt werden sollten - und zwar Arme, die in der betreffenden Gemeinschaft seit langem bekannt waren und ueber deren "Wuerdigkeit" zum Almosen kein Zweifel bestand. Armenhaeuser als Institutionen seien fuer die "unverschuldete" Armut gedacht, betonte Rexroth. Mit dieser Differenzierung des Armutsbildes sei das Beduerfnis sozialer Gruppen einhergegangen, ihre karitativen Aktivitaeten gegenueber ihren geschaeftlichen Transaktionen aufzuwerten. Im Klima des spaeten Mittelalters habe dies bedeutet, demonstrativ zu belegen, dass man sich dabei fuer die "richtigen" Armen engagierte und nicht fuer die vermeintlichen Taugenichtse. Armenhausstiftungen intensivierten die karitativen Taetigkeiten von Gruppen wie etwa den Zuenften. "Ihren Zweck erfuellten sie dann, wenn man die Bewohner als Ausweis der gruppenspezifischen 'caritas' der uebrigen Stadtgesellschaft praesentieren konnte", so Rexroth. Ausserdem seien die Armenhaeuser zugleich eine Konsequenz aus der hohen Wertschaetzung des Armengebets. Armenhausstiftungen seien auch als Seelenheilstiftungen zu bezeichnen. Weil die Benefizitaetengruppe im Gegensatz zu derjenigen der Spitaeler ueber laengere Zeit stabil geblieben sei, haetten die Armenhausbewohner zu "Gebetsexperten" werden koennen. Rexroth betonte, man solle die Ambivalenz und Dialektik zwischen den neuen Institutionen und der sie umgebenden sozialen Wirklichkeit nicht uebersehen. Bei der Versorgung der Wenigen seien die Vielen auf der Strecke geblieben.
Dr. Walter Schneider stuetzte sich bei seinem Beitrag ueber die "Hospitaeler im Raum Alt-Tirol. Probleme einer Pass- und Uebergangsregion" vor allem auf eigene Archivarbeit am Heilig-Geist-Spital Bozen und dem Sondersiechenhaus. In einer Reihe von Kartenuebersichten bot Schneider einen Ueberblick ueber die Klosterhospitaeler der verschiedenen Orden, die Weghospize auf den Alpen- und Passwegen sowie die Hospitaeler in Staedten und Maerkten in Nord-, Ost- , Suedtirol und dem Trentino. Daran anknuepfend untersuchte er verschiedene Hospitaeler hinsichtlich des Wandels in Standort, Struktur, Wirtschaft und Innenleben.
Die Tagungsergebnisse werden in der Reihe "Geschichtliche Landeskunde" veroeffentlicht. Weitere Informationen sind auf postalischem Weg beim Institut fuer Geschichtliche Landeskunde an der Universitaet Mainz e.V., Johann- Friedrich-von-Pfeiffer-Weg 3, 55099 Mainz oder im Internet unter http://www.igl.uni-mainz.de zu erhalten.
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