Staatsstreich und Republik:

Der 200. Jahrestag des 'Brumaire' des Napoleon Bonaparte und seine Wuerdigung

(Bericht ueber Kongresse, Ausstellungen und Publikationen)

von Oliver Benjamin Hemmerle

Der 18. Brumaire des Jahres VIII der <1. franzoesischen> Republik (9.11.1799) steht vom namensmaessigen Bekanntheitsgrad zumindest in Deutschland im Schatten jenes 'achtzehnte<n> Brumaire<s> des Louis Bonaparte' (gemeint: 2.12.1851), den Karl Marx in einer seiner bekanntesten Artikelserien verewigt hat. Mit dem Fortschreiben dieser Aufsaetze im Rahmen der Faschismustheoriedebatte durch August Thalheimer (KPD-O), Leo Trotzki und - nach 1945 - durch rechte bis rechtsradikale deutsche Autoren (letztere als vermeintliche 'Entlastung' fuer die deutsche Staatsideologie der Jahre 1933- 1945) ist der '18. Brumaire' in Deutschland endgueltig zu einem Synonym fuer Militaerdiktatur und fuer die - verkuerzt zusammengefasste - These 'Bonapartismus gleich Faschismusvorlaeufer' geworden (sieht man von dem weitaus differenzierteren deutsch- franzoesischen 'Bonapartismus'-Kolloquium des DHI Paris im Jahr 1975 und wenigen anderen loeblichen Ausnahmen einmal ab). Dabei beginnt die Fehlperzeption schon beim Datum, wurden doch am 18. Brumaire lediglich die beiden Kammern ('Rat der 500' sowie 'Rat der Alten') von Paris nach Saint-Cloud aus (geschuerten) Sicherheitsbedenken verlegt. Dies geschah jedoch auf Beschluss des 'Rats der Alten' im Rahmen der republikanischen Legalitaet, die eine derartige Verlegung ermoeglichte. Auch der am 18. Brumaire erfolgte Ruecktritt von 3 der 5 Direktoren (Sieyes, Ducos und Barras - die ersten beiden mit Aussicht auf weitere Verwendung in der Regierung bzw. Sieyes als eigentlicher Anstifter des folgenden Staatsstreiches, Barras wurde bestochen) war an sich noch kein Staatsstreich. Die militaerische Komponente, die Vertreibung einiger 'widerspenstiger' Abgeordneter des 'Rats der 500' aus dem Sitzungssaal durch Soldaten, und die nachfolgende Ausserkraftsetzung der Verfassung vom 5. Fructidor des Jahres III (22.8.1795) erfolgte erst am 19. Brumaire (10.11.1799), dem eigentlichen Tag des Staatsstreiches. Der '18. Brumaire' als falsches Datum ist allerdings kein rein deutsches Problem, auch in Frankreich steht dieser Tag fuer den Staatsstreich. Darauf wies der wissenschaftliche 'Napoleon-Papst' Jean Tulard (Sorbonne-Professor und Institutsmitglied) in seinem Einfuehrungsvortrag bei der Debatte am 9.11.1999 im Kulturzentrum von Saint-Cloud hin.

Diese Fehlwahrnehmung ginge soweit, dass sein neues Buch 'Brumaire' (keine genauere Datumsangabe) ohne sein Wissen vom Verlag Perrin in 'Le 18 Brumaire' geaendert worden sei. Tulard fuehrte in der von dem Fernsehmoderator Charles Villeneuve (TF1) geleiteten Diskussionsrunde ferner aus, dass man anlaesslich des 200. Jahrestages 'ein republikanisches Feuerwerk' abbrennen solle, da der Staatsstreich die 'Revolution gerettet' habe. Die fast fuenfzehn bzw. sechzehn Jahre, die der Staatsstreich den revolutionaeren Errungenschaften (besonders der Gleichheit, die in der Menschenrechtserklaerung vom 26.8.1789 verbuergt wurde, und der Garantie der Eigentumsverhaeltnisse bei den umverteilten Nationalguetern) Bestand gegeben habe, seien entscheidend gewesen. Die Revolution habe mit und durch Napoleon insgesamt ein Vierteljahrhundert zur Konsolidierung erhalten. Was 1799 noch reversibel gewesen waere, sei nach der Niederlage Napoleons 1814 bzw. 1815 durch die 1. und 2. bourbonische Restauration weitgehend unumkehrbar gewesen. Tulard ging ferner auf die Kritik an den Napoleonischen Kriegen ein. Er argumentierte, dass diese eine direkte Fortsetzung der Revolutionskriege und letztlich eine Erblast der Politik der Girondisten (1792/93) gewesen waeren. Die Napoleonische Kriegsfuehrung habe der Abwehr der Restaurationswuensche Europas gedient, diese Logik sei selbst bei Fehlentscheidungen wie dem Spanienfeldzug (zur Durchsetzung der Kontinentalsperre) gewahrt worden. Der stetige interne Machtausbau Napoleons, der bis zur Kaiserkroenung fuehrte, habe letztlich das 'Erbe der Revolution und Republik gerettet', wohingegen eine 'fruehere <d.h. vor 1814/15> Rueckkehr von Ludwig XVIII. die Revolution ausgeloescht haette'. Die Proklamation der drei Konsuln vom 24. Frimaire des Jahres VIII (15.12.1799) ist folglich nicht nur in den - vielzitierten - letzten drei Worten woertlich zu nehmen: 'Buerger, die Revolution ist auf die Prinzipien zurueckgefuehrt <fixe>, die an ihrem Anfang standen: sie ist beendet.' Zum Beleg fuer die republikanische Kontinuitaet zitierte Tulard den Artikel 1 des Senatsbeschlusses vom 28. Floreal des Jahres XII (18.5.1804): 'Die Regierung der Republik wird einem Kaiser anvertraut, der den Titel 'Kaiser der Franzosen' annimmt.' Der Historiker Thierry Lentz schloss daran an und wies auf die Blutlosigkeit des Staatsstreiches hin, bei dem ausser Napoleon selbst (geringe Verletzung bei einem Tumult mit Abgeordneten) fast niemand zu Schaden gekommen sei. <Im Gegensatz dazu gab es bei dem von Napoleon Bonaparte im Auftrag von Barras niedergeschlagenen Staatsstreich der Royalisten am 13. Vendemiaire des Jahres IV (5.10.1795) wohl 300, beim Staatsstreich des kuenftigen Napoleon III. am 2.12.1851 mindestens 1.200 Tote.> Fuer Lentz waren die Brumaire-Ereignisse eher ein politisches als ein militaerisches Ereignis, dessen geistiger Vater Sieyes gewesen sei. Man muesse angesichts der Entwicklung waehrend des Konsulats seiner Meinung nach von 'mehreren Staatsstreichen' sprechen. Nach dem 19. Brumaire seien rund 5.000 Militaers einer 'Saeuberung' zum Opfer gefallen und bei halbem Gehalt in den Wartestand versetzt worden. Habe sich der Staatsstreich in Paris scheinbar gegen die Linke (Neojakobiner) gerichtet, so sei die 'Saeuberung' in der Provinz hauptsaechlich gegen Rechte (Royalisten) erfolgt, auch wenn sich kein ganz einheitliches Bild ergebe. Der anschliessend referierende Militaerhistoriker Jean Tranie betonte zunaechst den politischen 'Donnerschlag', den die Rueckkehr Napoleons aus Aegypten erzeugt habe. Er wies ferner darauf hin, dass sich die militaerische Lage der Republik zum Zeitpunkt des Staatsstreichs relativ stabilisiert habe (durch die Siege von Brune und Massena), waehrend sie zwei Monate vorher noch desastroes gewesen sei. Tranie diskutierte ferner die diversen militaerischen Konkurrenten Napoleon Bonapartes (Joubert, Bernadotte etc.) und warum diese letztlich nicht zum Zuge gekommen seien.

Darauf schloss erneut Tulard an, der Bonaparte mit dem russischen General Lebed verglich. Durch den Frieden von Campo-Formio (1797) habe Bonaparte die Regel 'Das Militaer siegt, die Diplomatie schliesst den Frieden.' aufgehoben, indem er selbst das Heft des Handels ergriffen habe. Das Problem des Siegers Bonapartes nach den Feldzuegen in Italien in den Jahren 1796/97 sei gewesen, im oeffentlichen Bewusstsein zu bleiben und den richtigen Zeitpunkt fuer eine Machtuebernahme abzuwarten. Dazu habe der zu Land erfolgreiche, aber auf dem Mittelmeer letztlich gescheiterte Aegypten-Feldzug (1798/99 und bis zur Niederlage 1801 anhaltend) beigetragen. Im Gegensatz dazu sei bei Lebed die Wirkung des 'ins Vergessen geraten' zu studieren: Nachdem er die Stunde des moeglichen Staatsstreiches versaeumt habe, tauche er bei den Umfragen zu den naechsten russischen Praesidentschaftswahlen nur noch unter 'ferner liefen' auf. Abschliessend wuerdigten bei der Veranstaltung in Saint-Cloud zwei Nachfahren von 'Brumaire'-Akteuren, der (8.) Prinz Murat sowie Louis Napoleon Bonaparte-Wyse (von Napoleons Bruder Lucien abstammend), den Beitrag ihrer Ahnen zum Gelingen des 19. Brumaire: Lucien Bonaparte habe durch einen kuehlen Kopf, den er angesichts der Aechtungsrufe einiger Abgeordneter bezueglich seines Bruders bewahrt habe, den Erfolg erst ermoeglicht und als Vorsitzender des 'Rats der 500' dem militaerischen Eingreifen der Truppen unter Murat die Legalitaet gegeben. Murat habe, so sein Nachkomme, stets dem 'interet general' gedient und sei bis zu seiner Hinrichtung durch die Bourbonen (sizilianischer Zweig) im Jahre 1815 ein Verteidiger der Menschenrechtserklaerung von 1789 gewesen.

War die von der Stadt Saint-Cloud ausgerichtete Diskussionsveranstaltung an eine interessierte Oeffentlichkeit gerichtet, so wandte sich die Tagung des 1932 gegruendeten und bei der Sorbonne angesiedelten 'Institut Napoleon' am 13.11.1999 in Boulogne-Billancourt an ein Fachpublikum. In seiner Einfuehrung ging Institutspraesident Jacques-Olivier Boudon (Universitaet Rouen) auf den Bedeutungswandel des Wortes 'coup d'Etat' (Staatsstreich) ein. Der Bedeutungsunterschied zwischen 'coup d'Etat' und 'revolution' sei erst in der 2. Haelfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Nicole Gotteri (Franzoesisches Nationalarchiv, Paris) berichtete ueber die 'oeffentliche Meinung' und die Stimmung in der Hauptstadt Paris im Jahre 1799, wobei sich die Referentin hauptsaechlich auf ueberlieferte Spitzelakten stuetzte. Anschliessend referierte General Jacques Schmitt ueber den General Joubert (am 15.8.1799 gefallen bei Novi), der die erste Wahl von Sieyes gewesen waere, bevor dieser sich an Bonaparte wandte. Jean Tulard, Ehrenvorsitzender des 'Institut Napoleon' und Fouche-Biograph (Paris 1998), wies in seinem Vortrag 'Die Polizei am Vorabend des Staatsstreichs' darauf hin, dass der Staatsstreich einerseits ohne Komplizenschaft der Polizei nicht moeglich gewesen waere, andererseits aber der 19. Brumaire auch als Geburtsstunde der modernen Polizei zu begreifen sei. Am Rande bemerkte er, dass die Polizei des Direktoriums und des Konsulats in ihrer Geheimhaltung den Polizei- und Geheimdienstapparaten des 20. Jahrhunderts (z. B. Stasi und KGB) in gewisser Hinsicht ueberlegen gewesen sei, so wisse man - trotz Forschungen seit der 2. Haelfte des 19. Jahrhunderts - bis heute von fast allen Polizeispitzeln nur die Nummern und nicht die Namen. Den Vormittag beschloss Georges Poisson (Konservator und Direktor h.c. des Ile-de-France- Museums) mit Ausfuehrungen ueber die baulichen Gegebenheiten in dem Schloss von Saint-Cloud.

Der erste Nachmittagsvortrag von Thierry Lentz widmete sich der Frage 'Was ist ein Brumairianer?'. Lentz unterschied drei, sich teilweise ueberlappende Gruppen: gemaessigte Republikaner, gemaessigte Royalisten ('Royalisten ohne Koenig') und 'Ideologen'. Letzteren kam, wie auch Tulard ausfuehrte, eine besondere Rolle zu: Die 'Ideologen' rekrutierten sich weitgehend aus den Mitgliedern des 'Instituts', dem auch Napoleon angehoerte. Sie sahen sich als Hueter der Aufklaerung und wurden als 'Gewissen der Revolution' und 'Garant ihrer Errungenschaften' in der Oeffentlichkeit wahrgenommen (z. B. der Chemiker Berthollet, der Astronom Laplace und der Mathematiker Monge). Ueber die Finanziers des 18. Brumaire herrscht in der Forschung bis heute Unklarheit. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Staatsstreich aus dem Bankenmilieu und von Heereslieferanten finanziert wurde, obgleich Bonaparte gegen letztere waehrend des Italienfeldzuges massiv vorgegangen war. Mit wenigen Ausnahmen bleiben solche Aussagen jedoch spekulativ, da kaum diesbezuegliche Quellen ueberliefert sind. Den europaeischen Reaktionen auf den Staatsstreich widmete sich anschliessend Michel Kerautret (Ecole Pratique des Hautes Etudes, Paris). Man habe das Ereignis an den europaeischen Hoefen zunaechst nur als eine Fortsetzung der seit 1789 anhaltenden Regierungswechsel angesehen und ihm keine aussergewoehnliche Bedeutung zugemessen. Abschliessend gingen Berthelemy Jobert und Bruno Foucart (beide Universitaet Paris IV) auf die Ikonographie der Brumaire-Ereignisse ein. Sie diskutierten dabei sowohl zeitgenoessische Bilderboegen verherrlichender Natur als auch (auslaendische) Karikaturen. Ferner rekonstruierten sie die Darstellung in den der Napoleonischen Aera nachfolgenden Regimen, wobei sie besonders auf das von Louis-Philippe fuer Versailles erworbene Gemaelde 'Bonaparte im 'Rat der 500' in Saint-Cloud' von Francois Bouchot eingingen. In seinem Schlusswort diskutierte Jean Tulard die Modellhaftigkeit und die Modernitaet des Brumaire-Staatsstreiches, wie sie von Curzio Malaparte (als Gegensatzwort zu 'Bonaparte' von Kurt Suckert verwendetes Pseudonym) in seinem Buch 'Die Technik des Staatsstreichs' (1931, deutsch: 1932) behauptet wurde.

Ergaenzend sei noch auf weitere Kolloquien und Vortraege zum Thema hingewiesen: Der 'Souvenir Napoleonien' organisierte in den Raeumlichkeiten des franzoesischen Senats eine Tagung 'Bonaparte et le Directoire' (1./2.10.1999), die US- amerikanische 'Emory University' veranstaltete ein grosses Symposium 'The Impossible Settlement: Problems of a New Order in Post- Revolutionary France' (12./13.11.1999 in Atlanta, Georgia) mit hauptsaechlich angloamerikanischen, aber auch franzoesischen und anderen europaeischen Beitraegen. Weitere Einzelvortraege unterschiedlicher Referenten gab es von Oktober bis Dezember in Grenoble, Lyon, Paris und Stockholm; in der Provence wurde Anfang Oktober als oeffentlichkeitswirksame Aktion zur Belebung des Fremdenverkehrs die Landung Napoleons in Frankreich bei seiner Rueckkehr aus Aegypten nachgestellt. Nicht uebersehen werden darf das durch vier Impulsreferate (von 3 angloamerikanischen Professoren und einer Amsterdamer Professorin) angeregte 'Napoleon Forum' in der wissenschaftlichen Email-Liste 'H-France' (Teil des H-Net; begonnen am 15.11.1999).

Die museale Aufarbeitung der 200-Jahrfeier erfolgte in zwei Ausstellungen im Pariser Nationalarchiv und im kommunalen Museum von Saint-Cloud. Letztere war dabei weitaus umfangreicher und stellte mit 244 - teils hochrangigen - Objekten nicht nur minutioes die Brumaire-Tage, sondern auch die weitere Beziehung Napoleons und seiner Familie zu Saint- Cloud dar (nebst Auswirkungen auf die lokale und 'hohe' Politik). Die Ausstellung im Nationalarchiv bot demgegenueber 'nur' die Originale jener Dokumente, die in Saint-Cloud lediglich als Kopien zu sehen waren (besonders den Demissionsbrief von Barras sowie die Protokolle der beiden Raete). Die Ausstellung im Nationalarchiv war jedoch auch deshalb von Bedeutung, da sie die hoechstrangige staatliche Veranstaltung zum Thema darstellt. In der vom franzoesischen Kulturministerium herausgegebenen Veroeffentlichung 'Celebrations Nationales 1999', in der alle offiziellen Gedenktage vermerkt sind (Ereignisse und Personen), werden zwar ausfuehrlich die 200. Jahrestage des Senats und des Staatsrates gewuerdigt (S. 24-25 bzw. 26- 29), nicht aber das Jubilaeum der 'Brumaire'- Ereignisse (lediglich unter der Jahreszahl '1799' eine unkommentierte Zeile 'Coup d'Etat du 18 brumaire (9.12.)' in der Zeittafel auf Seite 9).

Daneben fand im Schlossmuseum von Boulogne-sur- Mer eine kleinere Ausstellung zum Thema (und zum Aegypten-Feldzug) statt. Die - rein kulturelle - Vereinigung 'Le Souvenir Napoleonien' mit dem Prinzen Charles Napoleon (Ur-Urenkel des Napoleon-Bruders Jerome) als Praesidenten und die wohlhabende 'Fondation Napoleon' gedachten der 200. Wiederkehr des Staatsstreiches mit der Installierung einer grossen (Boden-) Gedenkplatte in den Ueberbleibseln des im Krieg 1870/71 ausgebrannten und anschliessend weitgehend abgetragenen Schlosses von Saint- Cloud. Die uebersetzte Inschrift der Platte lautet: 'Am 19. Brumaire des Jahres VIII (10. November 1799) setzte Napoleon Bonaparte in der Orangerie von Saint-Cloud gegenueber den <beiden> Raeten die Aufhebung des Direktoriums und die Einfuehrung des Konsulats durch': Bei allen Interpretationsmoeglichkeiten des Verbs 'imposa' und des Substantives 'suppression' ist diese Inschrift auf einer von einem privaten Verein und einer Stiftung (letztere mit staatlichen Repraesentanten in ihren Organen) installierten Gedenktafel auf staatlichem Gelaende denkbar weit von jedwedem 'Bonapartismus' entfernt, wie er noch bis kurz nach dem 1. Weltkrieg in parlamentarischer Form anzutreffen war (sieht man von laengerwaehrenden Ueberbleibseln in Korsika ab). Die Abtragung des ausgebrannten, aber restaurierungsfaehigen Schlosses von Saint-Cloud in den fruehen 1890er Jahren entsprang uebrigens, wie der Konservator Georges Poisson mitteilte, ebenso wie der Abriss des ebenfalls beschaedigten Tuilerien-Palastes in Paris einem antibonapartistischen (aber auch antiroyalistischen) Reflex der fruehen 3. Republik (vgl. auch das Thronpraetendentengesetz von 1886, das diese aus Frankreich verbannte).

Abschliessend muss noch auf die publizistische Begleitung des 200. Jahrestages eingegangen werden: Als wissenschaftliche Standardwerke werden sich sicherlich 'Le 18 Brumaire - Comment terminer une revolution' von Jean Tulard (Paris 1999, Librairie Academique Perrin, ISBN 2-262- 01221-0, 109 FF) und der Katalog 'Du coup d'etat de Brumaire a la fin de l'Empire - Napoleon Bonaparte a Saint-Cloud' (Saint-Cloud 1999, Musee municipal, ohne ISBN, 160 FF) erweisen. Ferner erschien das Buch '18 Brumaire an VIII' des Journalisten Euloge Boissonnade (Boulogne- Billancourt 1999, Edition Michel Hagege, ISBN 2- 912160-16-2, 39 FF). Die in Frankreich weitverbreiteten populaerwissenschaftlichen Zeitschriften 'L'Histoire' und 'Historia' widmeten dem Jahrestag in ihren November-Nummern Sonderteile (S. 31-55 bzw. S. 30-34), dies gilt auch fuer die rechtsradikal-royalistische Zweiwochenschrift 'L'Action francaise 2000' (Ausgabe vom 4.11.1999, S. 7-9; Quintessenz der Kommentare: Napoleon waere gut gewesen, wenn er nach dem 19. Brumaire die Restauration unter Ludwig XVIII. angestrebt haette - in Ermangelung dessen sei er zwar 'ein grosser Mann, aber kein grosser Franzose'). Die Buchhandlung J. Clavreuil (37, rue Saint-Andre-des-Arts; F-75006 Paris) editierte fuer ihre Kunden einen kostenlosen bibliophilen Verkaufskatalog 'De Bonaparte a Napoleon' (auch bibliographisch wertvoll). Daneben gab es ein breites Medienecho in Form kuerzerer oder laengerer Artikel in der Tages- und Wochenpresse, z. B. in Deutschland: 'Die Zeit' vom 11.11.1999 (S. 92) oder 'die tageszeitung' vom 9.11.1999 (S. 14).


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Oliver Benjamin Hemmerle" <hemmerle@rumms.uni-mannheim.de>
Subject: Artikel: Staatsstreich und Republik
Date: 14.09.2000