Aufruf gegen die Marginalisierung einer Generation

Die Situation von NachwuchswissenschaftlerInnen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Gegenwaertig wird eine stetig wachsende Zahl von HistorikerInnen mit zunehmend duesteren Berufsperspektiven konfrontiert. Fuer diese Situation duerften drei Faktoren ursaechlich sein:

Diese Art der Nachwuchsplanung war und ist fahrlaessig! Schon heute verfuegt das Fach nicht mehr ueber ausreichende Ressourcen, um die aus ihm hervorgegangenen NachwuchswissenschaftlerInnen angemessen, d.h. ihrer Qualifikation entsprechend und mit einer dauerhaften Perspektive versehen, in den Hochschulbetrieb zu integrieren. Die Angehoerigen der "geburtenstarken Jahrgaenge" stehen im Stellenstau!

Dabei befindet sich die grosse Zahl beschaeftigungsloser oder befristet angestellter WissenschaftlerInnen schon jetzt in einem krassen Missverhaeltnis zum hohen Personalbedarf an den Universitaeten. Die aus Gruenden der internationalen Wettbewerbsfaehigkeit dringend erforderliche und in den Ministerien bereits geplante Reform des Hochschulstudiums wird diese Personalnot nur noch weiter verschaerfen. Bei den anstehenden wissenschafts- und hochschulpolitischen Ueberlegungen muessen Nachwuchskraefte miteinbezogen und am Diskussionsprozess beteiligt werden.

Es besteht die Gefahr, dass die deutsche Geschichtswissenschaft eine ganze Generation hervorragend ausgewiesener WissenschaftlerInnen durch Abwanderung in andere Berufe oder ins Ausland verliert. Dieser Kontinuitaetsbruch muss vermieden werden! Daher sollte ein vordringliches Ziel des Fachverbandes darin bestehen, bei den ministeriellen und politischen Instanzen auf die Integration dieser NachwuchshistorikerInnen an den Bildungseinrichtungen zu dringen: durch Schaffung von C 2-Stellen als Lehr- oder Forschungsprofessuren ebenso wie durch die Erleichterung der Drittmitteleinwerbung fuer nichtetatisierte ForscherInnen.

Ein neues "Privatdozentenelend" steht bevor - wenn das wissenschaftliche System nicht durchgreifend reformiert wird. Aber auch das Fach selbst traegt Verantwortung fuer die Zukunft. Der Diskursdruck auf die "zuenftig" verfasste Geschichtswissenschaft waechst, weil Innovationen zu langsam aufgenommen, oeffentliche Interessen zu wenig beruecksichtigt werden. Die Geschichtswissenschaft braucht den Generationswechsel - jetzt!

Mit freundlichen Gruessen aus Giessen und Marburg
Anne Chr. Nagel & Ulrich Sieg


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Anne.C.Nagel@geschichte.uni-giessen.de
Subject: NachwuchshistorikerInnen-Initiative
Date: 08.06.2000


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