Quelle - email <H-Soz-u-Kult>
From: "Mark Spoerer" <spoerer@uni-hohenheim.de> |
Das Expose von Peter Horvath ueber History Online fand ich hoechst interessant und seine Loesungsvorschlaege sehr gescheit. Mir ist jedoch ein Problem aufgefallen, das er in seiner Kurzfassung nicht angesprochen hat: Wie steht's mit der Sprache?
In einer privaten e-mail hat mir Peter Horvath mitgeteilt, dass sich das Sprachenproblem bei Datenbanken im Prinzip durch automatische Uebersetzung der Suchbegriffe loesen laesst, was nicht nur fuer europaeische, sondern auch einige asiatische Sprachen moeglich ist. Die Entwicklung eines historischen Thesaurus, mit dem man das Material verschlagworten und indizieren kann, stosse jedoch in der Tat auf Sprachprobleme.
Mir scheint, die Frage 'deutsch oder englisch?', die sich hier fuer ein (sehr wichtiges) Spezialproblem stellt, von so grundlegender Bedeutung zu sein, dass eine Diskussion im Rahmen dieser Liste vielleicht lohnt.
Der zur Zeit so vielzitierte Prozess der Globalisierung hat ja in den Wissenschaften schon lange angefangen, am wenigstens (naheliegenderweise) in der Juristerei und (vielleicht nicht ganz so naheliegend) in der Geschichtswissenschaft, allen Bekenntnissen zu komparativen Ansaetzen etc. zum Trotz. In den Naturwissenschaften wird fast nur noch, in den Wirtschaftswissenschaften ueberwiegend auf Englisch publiziert.
Die deutschen Historiker veroeffentlichen dagegen sehr wenig Originalbeitraege auf Englisch, meines Wissens gilt das fuer Historiker anderer Laender ebenso. Auch diese Diskussionsliste hier z.B. ist ja ganz bewusst in deutsch gehalten.
Es gibt ja dafuer auch gute Gruende. Einige Themen sind 'nur' von regionaler Bedeutung oder auf sehr spezifische Teilbereiche der deutschen Geschichte zugeschnitten. Es ist fraglich, ob es lohnen wuerde, dies in Englisch zu publizieren. Aber dass die Vertreter der 'grossen' Geschichtswissenschaft, und insbesondere der Sozialgeschichte, fuer die doch der Vergleich mit den Ergebnissen fuer andere Laender so wichtig ist, ebenfalls nach wie vor ueberwiegend in Deutsch publizieren, ist bedenklich. Und umgekehrt: Wenn man denn mal neugierig ist und versucht, seine eigenen Forschungsergebnisse mit denen anderer Leute fuer andere Laender zu vergleichen, wie schwer ist es dann, eine geeignete englische Darstellung zu finden. Die meisten englischsprachigen relevanten Buecher ueber nicht-angelsaechsische historische Themen sind auf eher breite als spezielle Themen zugeschnitten und haben somit Textbook-Charakter - neue Forschungsergebnisse finden sich da nicht haeufig. Die werden, ganz wie hier bei uns, in der eigenen Sprache publiziert.
Natuerlich koennte man jetzt hingehen und lautstark fordern, der/die aufgeweckte deutsche Junghistoriker/in solle auf Englisch veroeffentlichen, und wenn das in anderen Laendern auch passiere, dann werde sich das Problem in 20 Jahren auswachsen. Genauso ist es ja z.B. bei den Volkswirten gewesen.
Ich sehe da jedoch ein wissenschaftspolitisches Problem: Niemand 'braucht' wirklich Historiker. Unsere Existenzberechtigung - und Finanzierung! - ist m.E. ausschliesslich auf das oeffentliche Interesse an Geschichte als Unterhaltungsstoff zurueckzufuehren. Dieses ist (zum Glueck) immerhin betraechtlich, wie man an den vielen historischen Beitraegen, Rezensionen etc. in ueberregionalen Tageszeitungen und Zeitschriften sieht. Wuerden die deutschen Historiker nun versuchen, ihre Buecher auf englisch zu publizieren, weil das gut fuer den wissenschaftlichen Austausch und letztlich die Karriere waere, so faenden sie kaum noch Verlage. Denn die wissen ganz gut, was das zahlende Publikum will. Hier tut sich also ein Interessenkonflikt zwischen der im Prinzip wuenschenswerten Globalisierung (= u.a. Anglisierung) der Geschichtswissenschaft und ihrer gesellschaftlichen Funktion als Lieferant historischer Folklore auf.
Fazit: Solange das lesende Publikum ausserhalb der Fachwelt wenig bereit ist, sich auf Englisch unterhalten zu lassen, duerfte es schwierig sein, die deutsche Geschichtswissenschaft auf Englisch 'umzustellen'. Vielleicht waere es sinnvoll, Artikel auf englisch und Buecher auf deutsch zu publizieren?
Das sind ein paar spontan, teilweise vielleicht auch etwas ueberpointiert formulierte und unueberlegte Gedanken. Any comments?
Mark Spoerer
Mark Spoerer
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