Stellungnahme von Dr. Dietrich Herrmann

Das Professorium der Philosophischen Fakultaet der Technischen Universitaet Dresden hat in einer oeffentlich verbreiteten Erklaerung folgendermassen zum Konflikt am Dresdner Hannah-Arendt-Institut fuer Totalitarismusforschung Stellung genommen:

Stellungnahme des Professoriums zur Entscheidung des Kuratoriums des Hannah-Arendt-Institutes fuer Totalitarismusforschung e.V. an der TU Dresden (HAIT) gegen eine Verlaengerung des Vertrages mit dem Direktor Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke

Das Professorium der Philosophischen Fakultaet hat mit Befremden zur Kenntnis genommen, dass sich das Kuratorium des HAIT gegen eine Verlaengerung des Vertrages mit dem derzeitigen Direktor, Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke, ausgesprochen hat, ohne eine Evaluierung der wissenschaftlichen Arbeit des Institutes abzuwarten und in seine Entscheidung einzubeziehen. Damit ist auch § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des HAIT verletzt worden, wo es heisst: "Der Wissenschaftliche Beirat beraet das Kuratorium und den Vorstand in allen wissenschaftlichen Fragen von Gewicht". Selbst wenn die Gruende fuer diesen Mehrheitsbeschluss nicht in einer negativen Beurteilung der Arbeit des Institutes unter dem Direktorat des Kollegen Henke gelegen haben sollten, waere eine kritische Wuerdigung der wissenschaftlichen Leistungen unabdingbar gewesen.

Das HAIT ist in Umsetzung eines Beschlusses des Saechsischen Landtages vom 21.11.1991 gegruendet worden, um "in Zusammenarbeit mit der Technischen Universitaet Dresden" insbesondere "in interdisziplinaerer Arbeit von Historikern und Sozialwissenschaftlern die politischen und gesellschaftlichen Strukturen von NS-Diktatur und SED-Regime sowie ihre Folgen fuer die Gestaltung der deutschen Einheit zu analysieren." Entscheidend ist, dass das HAIT zur Erfuellung dieses Auftrages ohne jede Einschraenkung als ein Forschungsinstitut eingerichtet worden ist. Dass der Eindruck einer mangelnden Beruecksichtigung wissenschaftlicher Kriterien bei wichtigen Entscheidungen des Kuratoriums nicht unbegruendet ist, wird auch durch den Ruecktritt von vier der sechs Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates des HAIT gestuetzt. Darueber hinaus ist der Verdacht nicht abzuweisen, dass trotz entgegenstehender Erklaerungen eine Quelle des Konfliktes am HAIT in der ungeloesten "Spannung von wissenschaftlicher Autonomie (die der Beirat zu hueten hat) und politischem Interesse (das beim Kern des Kuratoriums gegeben ist)" liegt, wie das der aus Protest von seinem Amt als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates zurueckgetretene Muenchener Historiker, Prof. Dr. Hans Guenter Hockerts, ausgedrueckt hat.

Nach Informationen, die dem Professorium vorliegen, geben aus der Perspektive der Wahrung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere folgende Vorgaenge Anlass zu weiteren schweren Bedenken:

- dass die (in der Satzung gar nicht vorgesehene) Position eines zweiten stellvertretenden Direktors eigens geschaffen worden ist, um einen parteipolitischen Proporz in der Leitung des HAIT zu herzustellen:

- dass entgegen den Bestimmungen von § 8 Abs. 1 c) der Satzung der Arbeitsplan des HAIT vom Kuratorium nicht nur "entgegengenommen" wurde, das Kuratorium vielmehr versucht hat, ueber seine satzungsmaessigen Kompetenzen hinaus Einfluss auf die Arbeitsplanung zu nehmen. Die Erstellung des Arbeitsplanes liegt jedoch gemaess § 10 Abs. 4 a) allein in der Kompetenz des Direktors, wobei der Wissenschaftliche Beirat gemaess § 12 Abs. 1 Satz 2 dazu Vorschlaege und Empfehlungen erarbeitet.

Im Interesse der wissenschaftlichen Reputation dieses wichtigen An-Institutes unserer Universitaet waere es wuenschenswert, wenn das Kuratorium seine Entscheidung vor dem Hintergrund einer wissenschaftlichen Evaluation neu ueberdenken wuerde.

Fuer die Stellung des HAIT unter vergleichbaren Forschungseinrichtungen ist unabdingbar, dass das Kuratorium sich an seinen satzungsmaessigen Aufgaben orientiert und jede Dominanz politischer Gesichtspunkte oder eine unangemessene Durchdringung politischer und wissenschaftlicher Zielsetzungen vermeidet. Vor allem sind gerade bei inhaltlichen Fragestellungen und Konflikten auch die Rechte des Wissenschaftlichen Beirates zu wahren.

Um der wissenschaftlichen Geltung des HAIT und der Bedeutung seiner satzungsgemaessen Themenstellungen willen aeussert das Professorium abschliessend die dringliche Hoffnung, dass sich alle an dem Konflikt beteiligten oder in ihn verstrickten Amtstraeger und Mitglieder der zustaendigen Gremien darum bemuehen moegen, fuer die Zukunft dazu beizutragen, die wissenschaftliche Unabhaengigkeit des HAIT und seinen Rang als wichtige Einrichtung einer interdisziplinaeren Erforschung der unterschiedlichen totalitaeren Systeme und Diktaturen zu sichern. Die Erklaerungen des Vorsitzenden des Kuratoriums des HAIT, Staatsminister Dr. Matthias Roessler, gegenueber dem Professorium geben zu der Hoffnung Anlass, dass die wissenschaftliche Unabhaengigkeit des HAIT kuenftig gewahrt bleiben wird.

Dr. Dietrich Herrmann
Sonderforschungsbereich 537
Technische Universitaet Dresden
Dietrich.Herrmann@mailbox.tu-dresden.de

 


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Dietrich Herrmann" <herrmann@Rcs1.urz.tu-dresden.de>
Subject: Stellungnahme von Dr. Dietrich Herrmann zum Konflikt am Dresdner Hannah-Arendt-Institut
Date: 11.01.2001


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