Erklaerung des Wissenschaftlichen Beirats des Hannah-Arendt-Instituts

Das Kuratorium des Hannah-Arendt-Instituts hat am 11. September 2000 entschieden, dass der Direktor des Instituts, Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke, nach seiner am 31. Januar 2002 ablaufenden ersten Amtsperiode nicht wiedergewaehlt wird. Diese Entscheidung wurde nicht begruendet. Der Wissenschaftliche Beirat des Hannah-Arendt-Instituts hat diese auffaellig fruehe Festlegung auf seiner regulaeren Herbstsitzung am 6. Oktober 2000 mit Befremden zur Kenntnis genommen. Im einzelnen stellt er fest:

1. Das Kuratorium hat in einer fuer das wissenschaftliche Profil des Instituts wichtigen Frage entschieden, ohne den satzungsgemaess gebotenen Rat des Wissenschaftlichen Beirats einzuholen. Das widerspricht auch den Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1997, denen zufolge der Wissenschaftliche Beirat das Aufsichtsorgan bei der Berufung des Direktors beraet. Wie das Kuratorium weiss, hat der Beirat das unter der Leitung von Herrn Henke seit 1997 gewonnene wissenschaftliche Niveau des Instituts in seinen jaehrlichen Sitzungen stets sehr positiv bewertet. Er bedauert daher, dass das Kuratorium die Bewertung des laufenden Arbeitsberichts und des Arbeitsplans fuer das kommende Jahr in der Beiratssitzung vom 6. Oktober 2000 nicht abgewartet hat.

2. Die Satzung des HAIT sieht eine Evaluierung durch den Beirat in der Regel alle drei Jahre vor; die naechste stuende im Fruehjahr 2001 an. Der Beirat hat diese Evaluierung wegen interner Gegensaetze bisher nicht durchgefuehrt. Ueberdies hat das Kuratorium sich die Beteiligung von Wissenschaftlern, die nicht Mitglied des Beirats sind, vorbehalten, ohne bisher entsprechende Schritte unternommen zu haben. Der Evaluierungsauftrag koennte auch an den in Kuerze neu zu berufenden Beirat vergeben werden. Durch seine auf den 11. September 2000 vorgezogene Entscheidung ist das Kuratorium einem Evaluierungsvotum jedoch zuvorgekommen.

3. Das Hannah-Arendt-Institut hat unter der Leitung von Herrn Henke ein hohes Forschungsniveau und zu Recht viel Ansehen in der nationalen und internationalen scientific community gewonnen. Henkes wissenschaftliche Kompetenz ist schlechterdings nicht zu bestreiten. Die eigentlichen Beweggruende fuer die Entscheidung des Kuratoriums muessen daher auf einer anderen Ebene gesucht werden. Der wichtigste Grund liegt darin, dass der dominierende Teil des Aufsichtsgremiums den Charakter des Instituts veraendern moechte: Er ist weniger an einer wissenschaftlich unabhaengigen Erforschung des Jahrhundertphaenomens Totalitarismus interessiert, wie sie der Namen des Instituts erwarten laesst, sondern wuenscht die Zulieferung von Ergebnissen, die fuer die Zwecke landespolitischer Aufgabenstellungen leichter verwertbar sind. Schon bei der Planung der Forschungsthemen soll das Institut den Wuenschen des Kuratoriums unterliegen. In der Spannung von wissenschaftlicher Autonomie und politischem Interesse liegt der Kern des seit langem schwelenden Konflikts. Die unterzeichnenden Mitglieder der Wissenschaftlichen Beirats lehnen eine zu enge Bindung des Instituts an die Politik ab und erklaeren daher mit sofortiger Wirkung ihren Ruecktritt. Sie bedauern den sehr ungluecklichen Gang, den die Auseinandersetzungen um das Hannah-Arendt-Institut seit November des vorigen Jahres genommen haben. Sie hoffen, dass ein Neuanfang gelingen moege; dafuer waere eine Einschraenkung der politischen Dominanz im Kuratorium eine notwendige Voraussetzung.

Hans Guenter Hockerts, Ulrich von Hehl, Christoph Kaehler

Dresden, am 6. Oktober 2000


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Michael C. Schneider" <m-schnei@rcs.urz.tu-dresden.de>
Subject: Erklaerung des Wissenschaftlichen Beirats des Hannah-Arendt-Instituts
Date: 06.10.2000

       


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