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Subject: Re: "Ein Trauma schlagen?"
Date: Friday, February 28, 1997 23:49:04 MET
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Zu Herrn Lammersdorf Thesen und seiner Erwiderung zu Klaus Vogel.
Das Problem der Diskussion besteht fuer mich gerade darin dass beiden zuzustimmen
ist.
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Klaus Vogel: Zum Verstaendnis der Reaktionen in Muenchen muessen wir "auch
die Leidensgeschichte der Taeter wahrnehmen - die, das sei betont,
mit der Leidensgeschichte der Opfer keineswegs symmetrisch ist.
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Lammersdorf: Angenommen und akzeptiert, dass ganz offensichtlich fuer die
Mehrzahl der Taeter die Beteiligung an Aussonderung, Erniedrigung, Quaelerei,
und Mord nicht als Trauma empfunden worden ist.
Ich empfinde es als eine wertvolle Diskussion, diese "Leidensgeschichte der
Taeter" genauer zu untersuchen. Einige Gedanken hierzu:
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Als moralische Menschen hoffen wir, dass Unrecht auf den Taeter selbst
zurueckfaellt, er oder seine Nachkommen durch Gewissenqualen fuer das Unrecht
zahlen muessen. Dies scheint zwar in Einzelfaellen moeglich, als
Kollektivbeschreibung ist es allerdings wohl untauglich. Dennoch ist es
vielleicht wichtig, diese Hoffnung auszusprechen.
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Das Trauma der Soldaten, nicht fuer Tapferkeit und Opfermut geehrt worden
zu sein, ist wohl Bestandteil der Verletzung des Ego die von Mitscherlich
so gruendlich beschrieben worden ist. Der Wegfall der narzistischen Begeisterung
fuer Hitler und die Nazis ist nicht und konnte vielleicht auch nicht kollektiv
verarbeitet werden. Es handelt sich hierbei doch wohl um ein wirkliches Trauma
- das tiefe Spuren hinterlassen hat und sicherlich auf die naechste Generation
uebertragen wurde. D.h. Du und ich.
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Fuer Millionen von Deutschen gibt es natuerlich andere kriegsbedingte Traumata
(Krieg, Bomben, Vertreibung, Verwundung) die ja wohl auch nicht verarbeitet
worden sind. Auch die Folgen dieser Verwundungen sind ja auf die naechste
Generation uebertragen worden.
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Welche Rolle nehmen wir in dieser Diskussion ein ? Welche Perspektive ? Die
der Opferlaender (so Raimund Lammersdorf) ? Von solcher Perspektive ist eine
Ehrung des Opfermutes deutscher Soldaten absurd. Natuerlich kann es den Opfern
egal sein, wie ehrenhaft die Mehrzahl der deutschen Soldaten gekaempft hat.
Aber den Kindern und Enkeln dieser Soldaten auch ? Doch wohl nicht. Den
Historikern und Soziologen doch wohl auch nicht.
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Welche gegenwartspolitische Funktion nehmen diese Diskussionen ein ? Ist
dies Teil der nationalen Identitaetsfindung ?
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Jetzt, 50/60 Jahre spaeter, sind die Deutschen vielleicht immer noch auf
Hilfe von Aussen angewiesen um die innere Verarbeitung leisten zu koennen.
? Die Naziherrschaft wurden von aussen besiegt und auch nach 1945 konnte
und wollte die deutsche Bevoelkerung den Nationalsozialismus wohl nicht in
eigener Regie ueberwinden. Die Allierten Vorbehaltsrechte, Prozesse,
Entnazifierungsverfahren etc. waren wohl notwendig, um ein Wiedererstarken
zu verhindern. Ohne die Beteiligung der USA, Englands, Israels und besonders
auch der juedischen Teilnehmer scheint eine Integration und Akzeptanz innerhalb
Deutschlands immer noch nicht erreichbar.
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Die Unfaehigkeit der naechsten Generationen in Deutschland, ihre Eltern und
Grosseltern zu akzeptieren, zu ehren, mit ihrem Leiden sich auseinanderzusetzen,
ist vielleicht auch noch eine Folge der Nazizeit. Der Absolutheitsanspruch
jeder Generation, und vor allem auch die Haerte gegenueber den eigenen Leuten
ist doch wohl auch ein essentieller Bestandteil der Naziideologie.
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In unseren Dialog-Gruppen nimmt die Frage, wie mit der Psychologie der
Taeterseite umzugehen ist, einen wichtigen Raum ein. Die kalifornische
Perspektive ist sicherlich weitaus mehr auf "spirituelle" Akzeptanz ausgerichtet
als die deutsche (wohl mehr auf "objektive" Richtigkeit und vielleicht auch
Besserwissen). Dennoch glaube dass ein wenig kalifornische "Einfuehlsamkeit",
Akzeptanz, und ein Blick ins innere unserer eigenen Gefuehle auch in dieser
Diskussion nicht Fehl am Platz waere. Ich vermisse sehr, dass einige der
Aktivisten ihre eigene Lebensgeschichte, ihre Erfahrungen mit Recht, Unrecht,
Besserwissen und die ihrer Familien hier einbringen und denke dass dies zum
gegenseitigen Verstaendnis viel beitragen koennte.
Viele Fragen, wenig Antworten.
Gern zu mehr Diskussion bereit kann ich Informationen ueber unser Institut
und die Internationale Konferenz Juedisch--Deutscher Dialoggruppen gern zur
Verfuegung stellen.
Hans Kolbe
Institute for Models of Dialogue, Remembrance, and Reconciliation
New College of California
766 Valencia St.
San Francisco, CA 94110
(415) 437-3445
email hanskolbe@aol.com
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