Wehrmachtsausstellung: Stellungnahme des Instituts fuer Geschichte der Universitaet Salzburg

[Seit dem 7. Maerz dieses Jahres gastiert die sogen. "Wehrmachtsausstellung" des Hamburger Instituts fuer Sozialforschung, in Salzburg / Oesterreich.

Die meisten unserer Abonnenten werden sich an die kontroversen Auseinandersetzungen und Demonstrationen des vergangenen Jahres vor allem im Umfeld der Muenchner Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" unter Beteiligung vieler Politiker erinnern, die sogar zu einer Debatte im Bundestag fuehrte.

Die Gegner der Ausstellung gingen ungewoehnlich emotional zu Werk, denn die Ausstellung diffamiere in ihren Augen eine ganze Generation; zwar sei die Wehrmacht 'hier und dort' aktiv an den Kriegsverbrechen beteiligt gewesen, jedoch sei die grosse Mehrzahl der Wehrmachtsangehoerigen nicht an den Ermordungen, Brandschatzungen, Pluenderungen oder anderen Kriegsverbrechen beteiligt gewesen. Auf der anderen Seite erzeugen auch die Bilder und Dokumente des Grauens aus allen von der Wehrmacht besetzten Gebieten, ergaenzt um Erleuterungen ueber die Beteiligung von Wehrmachtsangehoerigen an den Verbrechen des nationalsozialistischen Gewaltregimes, eine unmittelbare emotionale Betroffenheit bei den Besuchern.

In den letzten drei Jahren sahen in Deutschland und Oesterreich schon beinahe eine halbe Million Menschen die Ausstellung. Unstrittig markiert sie damit einem Wendepunkt im Erinnerungsgeschehen und in der Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg und zur Rolle der Wehrmacht.

Wie andernorts muessen sich die Macher der "Wehrmachtsausstellung" auch in Salzburg einer heftiger Abwehrfront zahlreicher Stadt- und Landespolitiker erwehren. Insbesondere der dortige Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger, seines Zeichen auch habilitierter Historiker des Institut fuer Geschichte der Universitaet Salzburg, vermischt seine Rollen als Historiker und OeVP- Politiker und macht Front gegen die Ausstellung. Einige Beitraege zur Kontroverse um die Salzburger "Wehrmachtsausstellung" wurden ueber unsere Partnerliste H-German verbreitet und sind unter folgenden Web-Adressen einsehbar:

18.03.98 Submitted by: Guenter Bischof <guenter.bischof@mh.sbg.ac.at>
http://h-net2.msu.edu/logs/showlog.cgi?list=h-german&file=h-german.log9803c&en t=6

24.03.98 Submitted by: Jorg Bottger <jxb171@psu.edu>
http://h-net2.msu.edu/logs/showlog.cgi?list=h-german&file=h-german.log9803d&en t=1

30.03.98 Submitted by: Alexander B. Rossino <ARossino@USHMM.Org>
http://h-net2.msu.edu/logs/showlog.cgi?list=h-german&file=h-german.log9803e&en t=1

Nachfolgend ein offener Brief des Institut fuer Geschichte der Universitaet Salzburg in dieser Angelegenheit, der uns heute zuging. R. Hohls]

Das Institut fuer Geschichte der Universitaet Salzburg hat in einer Sitzung am 27. 3. 1998 beschlossen, sich in folgender Stellungnahme eindeutig von den Aeusserungen des Landeshauptmanns Dr. Franz Schausberger, der auch Dozent am Institut fuer Geschichte ist, bezueglich der sog. "Wehrmachtsausstellung" zu distanzieren.

Dr. Schausberger hat mehrmals in Zeitungsartikeln und bei anderen Gelegenheiten versucht, die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944" zu diffamieren. Ebenso hat er oeffentlich die GestalterInnen und OrganisatorInnen als auch die BefuerworterInnen der Ausstellung am Institut fuer Geschichte (das Institut hatte die Unterstuetzung der Ausstellung einstimmig beschlossen) als HistorikerInnen mit mangelnden Faehigkeiten bezueglich Quellenkritik und Objektivitaet darzustellen versucht. Er berief sich dabei auf seine Stellung als Historiker und Universitaetsdozent (Anm.: er hat sich zwar am Institut fuer Geschichte habilitiert, jedoch nie das Fach Geschichte studiert).

Diese Stellungnahme ist als offener Brief an alle wichtigen Tageszeitungen in Oesterreich ergangen und ist auch via Internet unter folgender Adresse abrufbar:

http://www.sbg.ac.at/ges/schausberger.htm

Im Auftrag des Instituts fuer Geschichte der Universitaet Salzburg

Erwin Giedenbacher

Offener Brief des Instituts fuer Geschichte an:

Landeshauptmann

Dr. F.Schausberger
27. 3. 1998

Sehr geehrter Herr Dr. Schausberger!

Die Institutskonferenz des Instituts fuer Geschichte der Universitaet Salzburg hat am 27. 3. 1998 einstimmig beschlossen, folgenden Text an Sie und an die Oeffentlichkeit zu geben.

Das Institut fuer Geschichte hat durch Ihre Aeusserungen in der Presse (insbesondere in der "Neuen Kronenzeitung" vom 3. 3. 98 und in "Kameradschaft Aktiv" 1/2, 1998) im Zusammenhang mit der "Wehrmachtsausstellung" heftige Kritik im In- und Ausland erfahren; vor allem auch deswegen, weil Sie sich in diesen Kommentaren explizit als "Historiker" bzw. "Universitaetsdozent" bezeichneten.

Das Institut distanziert sich in aller Form von diesen Ihren Aeusserungen und ersucht Sie, kuenftig Aussagen, die Sie eindeutig als Parteipolitiker taetigen und die nicht dem universitaeren Wissenschaftsverstaendnis entsprechen, nicht mehr in einen Bezug zum Institut fuer Geschichte der Universitaet Salzburg zu bringen.

Das Institut konstatiert ferner Widersprueche zwischen Ihren Aussagen in unseren Gremien und in der Oeffentlichkeit: So sagten Sie hier eine finanzielle Unterstuetzung des Rahmenprogrammes der "Wehrmachtsausstellung" zu, lehnten diese danach jedoch oeffentlich ab.

Das Institut fuer Geschichte hat einstimmig die Durchfuehrung der "Wehrmachtsausstellung" befuerwortet. Das geschah aus dem Anliegen heraus, ein schwieriges Kapitel der Vergangenheit der kritischen Aufarbeitung zu stellen. Die damit verbundenen, z. T. schmerzhaften Erkenntnisprozesse sind uns bewusst. Die notwendigerweise hervorgerufenen Diskussionen finden in zahlreichen Begleitveranstaltungen statt. Nach unserem Wissenschaftsverstaendnis soll die Auseinandersetzung konstruktiv und offen, argumentationstechnisch und methodisch sauber, konsens- und erkenntnisorientiert erfolgen. Selbstverstaendlich erkennen wir die Pluralitaet der Meinungen an, verlangen aber eine sachgemaesse historische Ueberpruefung und eine ebensolche Darstellung.

Wir wuerden uns freuen, wenn Sie Ihr Versprechen einhielten, das Sie waehrend Ihres Habilitationsverfahrens abgegeben haben, naemlich Aussagen, die Sie als "Historiker" treffen, von denen eines Parteipolitikers saeuberlich zu trennen.

Fuer das Institut fuer Geschichte der Universitaet Salzburg

der Institutsvorstand

O.Univ.Prof. Dr. Lothar Kolmer


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Erwin.Giedenbacher@sbg.ac.at (Erwin Giedenbacher)
Subject: Wehrmachtsausstellung: Stellungnahme des Instituts fuer Geschichte der Universitaet Salzburg bzg. "Wehrmachtsausstellung"
Date: 31.3.1998


   

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