Call for Papers

Workshop "Die Endkämpfe 1945 in Deutschland"

Mit Unterstuetzung des Militaergeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam und des Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrums der Marine in Muerwik ist fuer den November/Dezember 2000 ein Workshop zum Thema "Die Endkaempfe 1945 in Deutschland" geplant. Eine Fixierung wird lediglich inhaltlich stattfinden, waehrend sie methodisch moeglichst vielfaeltig und insgesamt interdisziplinaer angelegt sein soll. Ziel ist eine Forschungsstandanalyse, die eine Diskussion auf breiter Basis befoerdert, um die Problematik "Kriegsende" aus verschiedenen Perspektiven zu durchleuchten. Dazu wenden sich die Veranstalter an Qualifikanden aller Grade, die sich diesem Sujet naehern, sei es aus kultur-, operations-, alltags- oder mentalitaetsgeschichtlicher Sichtweise, unter dem Blickwinkel der Frauen- oder Geschlechterforschung usw.

Bislang wird das Kriegsende scheinbar durchweg als Annex des ausklingenden Weltkrieges begriffen, im besten Fall als schmerzhaftes aber notwendiges Durchgangsstadium verortet, durch welche der Neubeginn in Deutschland, subsumiert unter dem Terminus "Stunde Null", erst moeglich wurde. Eklatant vernachlaessigt wird dabei nicht nur die eminente Zahl an militaerischen und zivilen Todesopfern sowie die nachhaltigen Zerstoerungen, welche diese Phase noch forderte, sondern ebenso die inhaltliche wie zeitliche Verschiedenheit dieses Ereignisses. Als Eckpunkte der Chronologie werden gemeinhin die militaerischen Katastrophen im Sommer 1944 und die Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 aufgefasst. Die Zeit dazwischen erscheint in der Forschung indes als Aneinanderreihung unterschiedlicher Ereignisse, die jeweils fuer sich zum Teil Bearbeitung fanden, waehrend der Versuch, eine zusammenhaengende und umfassende Entwicklung der Geschehnisse darzustellen - ausser in Gesamtwerken zum Zweiten Weltkrieg und dort dann erneut als Epilog -, noch immer nicht unternommen wurde.

Wenn fuer diesen Mangel auch in erster Linie die duerftige Quellenlage verantwortlich gemacht werden muss, so wurde bislang kaum in Betracht gezogen, diese Luecke durch interdisziplinaere Zusammenarbeit zu schliessen oder wenigstens einzuengen. In der Konsequenz sind bis heute - insbesondere im Zuge der 50jaehrigen Wiederkehr des Kriegsendes 1995 - zahlreiche Darstellungen und Einzelstudien erschienen, doch die Mehrzahl der Erzeugnisse besteht indes eine wissenschaftliche Ueberpruefung nicht.

Der derzeitige Forschungsstand bezieht sich in seinem ueberwiegenden Teil regelmaessig auf die Memoirenliteratur hochrangiger Zeitzeugen aus den sechziger Jahren. Trotz dem die wenigen detaillierten Studien immer wieder zur Falsifizierung dort dargestellter Tatsachen gefuehrt haben, fand das Forschungsfeld - bis auf einige juengere Arbeiten - insgesamt keine weitergehende und gruendlicher recherchierende Aufmerksamkeit. Wesentliche Problemfelder wurden dabei gaenzlich ausgespart oder mit mitunter fragwuerdigen Thesen zu ueberbruecken versucht. Nicht zuletzt deshalb war es moeglich, dass weite Teile der Oeffentlichkeit eine vermeintlich tapfer "bis zur letzten Patrone" kaempfende Wehrmacht rezipierten, waehrend bspw. die enormen Verluste gerade dieser Endphase ueberhaupt nicht ins Bewusstsein vordrangen.

Somit vermittelt die bisherige Forschung den Eindruck, in den Endmonaten liege eine unentwirrbare Gemengenlage individueller und kaum fassbarer Motive wie Handlungsmaximen vor. Mit anderen Worten: Parallel zur fortschreitenden Atomisierung von Herrschaft, Staat und Gesellschaft in der Agonie des NS-Regime wuerden wissenschaftlich fassbare Groessen oder homogene Forschungsfelder zunehmend abnehmen. Kaum beruecksichtigt wurde lange Zeit, wie wenig relevante Fragestellungen von der allgemein gaengigen Perspektive ueberhaupt nicht oder nur unzureichend erfasst wurden: So waere bspw. gruendlicher zu untersuchen, wie man denn einen Krieg eigentlich zu Ende bringt, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Kriterien zutreffend eine Niederlage als solche und vom wem erkannt wird oder werden kann? War es wirklich die politische wie militaerische Fuehrung alleine, die fuer die Fortfuehrung des Krieges bis zur endgueltigen Ausweglosigkeit verantwortlich war? Lag es ausschliesslich an der Lethargie, der vorhergehenden Entmuendigung oder der sozialen Desintegration der Bevoelkerung, dass sich keine breite Verweigerungshaltung wenigstens dann durchsetzte, als alliierte Truppen taeglich tiefer in deutsches Reichsgebiet vordrangen? Taugen diese Erklaerungsmuster auch fuer die Soldaten, die ihrem Einberufungsbefehl noch 1945 Folge leisteten? Und wer ist unter dem Begriff Soldat zusammenzufassen in Zeiten, wo neben der eigentlichen bewaffneten Macht im Staat in erheblichem Ausmass den Armeebefehlshabern nicht unterstellte Kontingente wie Volkssturm, Waffen-SS und fremdlaendische Verbaende in den Krieg gefuehrt werden? Was ist unter diesen Umstaenden unter Kriegfuehrung zu verstehen, wenn ausser den militaerischen zunehmend politische Entscheidungstraeger in das Kriegsgeschehen eingreifen?

In der Regel werden diese oder aehnliche Fragen in der Forschung mit dem Hinweis auf das allgemeine Chaos beantwortet, das kaum jemand aus der durchschnittlichen Bevoelkerung in seiner gesamten Tragweite habe ueberblicken koennen; fuer die Masse der Entscheidungstraeger wird hingegen als Motiv die ominoese Eidbindung ins Feld gefuehrt, eine Untergangspsychose entwickelt oder eine hoffnungslose Resignation bzw. das Ergeben in ein vermeintlich unentrinnbares Schicksal, teilweise auch Angst oder charakterliche Defizite bemueht. Wie tragfaehig und verstaendlich diese Erklaerungen mitunter auch sind, so passen sie doch in den wenigsten Faellen derart zusammen, dass am Ende ein Gesamtbild erscheint, welches tatsaechlich als erkenntnisleitend betrachtet werden kann.

Und um die moegliche Themen- und Teilnehmerbreite anzudeuten, sei darauf verwiesen, dass z.B. auch die undurchsichtige Rechtslage in den Nach-Kapitulationstagen einer genaueren Betrachtung wert waere, ummoeglicherweise Erklaerungsansaetze fuer Verhaltensmuster von Disziplinarvorgesetzten zu finden, die Todesurteile noch nach dem 8./9. Mai 1945 durchgesetzt haben. Eine solche Untersuchung liesse tiefere Einblicke in die Bewusstseinswelt der Verantwortlichen auf der mittleren Befehlsebene zu, die bislang gaenzlich vernachlaessigt wurden. Fuer diesen Fall bspw. waere eine Beteiligung von Vertretern der juristischen Fakultaeten unabdingbar.

Der Workshop will daher den Versuch unternehmen, im Austausch von Erkenntnissen wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten unterschiedlicher Methodik und verschiedener geisteswissenschaftlicher Perspektiven bisher getrennt voneinander betrachtete und bearbeitete Themenfelder zusammenzufuegen. Dabei sollen relevante Fragestellungen erarbeitet werden, die einen neuen Zugang zur Thematik erlauben.

Interessierte richten entsprechende Abstracts und Anmeldungen bitte an:

John Zimmermann M.A.
Militaergeschichtliches Forschungsamt
Abt. Forschung, FB II
Postfach 60 11 22
14411 Potsdam
Tel.: 0331 / 9714 -542
Fax: 0331 / 9714 - 507
e-mail: mgfa-potsdam@t-online.de


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Stephan Huck" <mgfa-potsdam@t-online.de>
Subject: CFP: Workshop "Die Endkämpfe 1945 in Deutschland" / 11-12/2000
Date: 06.03.2000


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