Fachtagung anlaesslich des 20jaehrigen Bestehens des Arbeitskreis
Stadterkundungen beim Landesjugendring Berlin
am Donnerstag, den 30. November 2000, 10-18 Uhr
in der Internationalen Begegnungsstaette Jagdschloss Glienicke,
Koenigstrasse 36b, 14109 Berlin
Anmeldeschluss 14.11.2000
Programm
10.00
Begruessung, Einfuehrung. Kaethe Kruse, Leiterin der IB Jagdschloss
Glienicke
10.30
Impulsreferat mit anschliessender Diskussion. Thomas Lutz,
Gedenkstaettenreferat der Stiftung Topographie des Terrors
12.30
Mittagessen
14.00
Einfuehrung in die Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe 1: Politische Bildung zum Thema Nationalsozialismus und
gesellschaftlicher Wandel. Leitung und Einfuehrung Thomas Lutz.
Arbeitsgruppe 2: Welche Auswirkungen hat der zunehmende zeitliche Abstand
zum Thema auf die Herstellung von (biographischen) Bezuegen? Leitung und
Einfuehrung Ulla Kux, Aktion Suehnezeichen.
Arbeitsgruppe 3: Erinnerungsarbeit und/oder antirassistische Bildung
Leitung und Einfuehrung Prof. Hajo Funke, FU Berlin.
Arbeitsgruppe 4: Politische Bildung zum Thema Nationalsozialismus in der
interkulturellen Gesellschaft. Leitung und Einfuehrung Michael Schwandt,
freier Mitarbeiter der IB Jagdschloss Glienicke
14.30
Arbeitsgruppen
16.30
Abschlussplenum mit Bericht aus den Arbeitsgruppen
18.00
Ende der Tagung
18.30
Jubilaeumsempfang
Grusswort des Bundestagspraesidenten Wolfgang Thierse (angefragt)
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Infos zu den Inhalten der Arbeitsgruppen der Tagung
Arbeitsgruppe 1: Politische Bildung zum Thema Nationalsozialismus
und
gesellschaftlicher Wandel
Im Geschichtsbild und der oeffentlichen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit
hat seit den 80er Jahren ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden. Das
Thema wird weniger tabuisiert, die gesamtgesellschaftliche Dimension der
NS-Herrschaft und damit die Verstrickung der Personen, Organisationen und
Institutionen in dieser Zeit sind staerker ins Blickfeld geraten. Damit scheinen
sich Forderungen, mit denen alternative Konzepte politischer Bildung, wie
z.B. der Stadtrundfahrten, seit den 70er Jahren angetreten sind, durchgesetzt
zu haben. Es stellt sich nun einerseits die Frage, wie sich dieser Wandel
in den Koepfen von Jugendlichen niedergeschlagen hat, und andererseits, ob
die alternativen Konzepte ueberfluessig geworden sind bzw. wie sich diese
Ansaetze zu populaerwissenschaftlichen Behandlungen des NS z.B.
im Fernsehen oder im Kino unterscheiden oder unterscheiden sollten.
Arbeitsgruppe 2: Welche Auswirkungen hat der zunehmende zeitliche
Abstand
zum Thema auf die Herstellung von (biographischen) Bezuegen?
Der zeitliche Abstand zum Geschehen der NS-Zeit wird immer groesser, der Kontakt mit den ZeitzeugInnen und eigene direkte biographische Bezuege der Jugendlichen gehen zunehmend verloren. Welche Bedeutung hat das Thema NS-Herrschaft angesichts dieser Tatsache fuer junge Menschen noch? Ordnet er sich wie jedes andere historische Ereignis in eine laengst vergangene, abgeschlossene und nicht mehr relevante Geschichte ein? Inwieweit nehmen Jugendliche gesellschaftliche Debatten zu diesem Thema, etwa um das Holocaust-Mahnmal oder die Entschaedigung von ZwangsarbeiterInnen ueberhaupt wahr? Was bedeutet eine solche Entwicklung fuer den Umgang mit dem Thema NS-Herrschaft in der politischen Bildung?
Arbeitsgruppe 3: Erinnerungsarbeit und/oder antirassistische Bildung
Das Politische der Bildungsarbeit zum Thema NS-Herrschaft besteht in der
Annahme, dass die Beschaeftigung mit der Vergangenheit Relevanz fuer die
Gegenwart hat. Einerseits bezieht sich dies auf die noch gegenwaertige
Vergangenheit, andererseits besteht der Anspruch, dass die Beschaeftigung
mit Geschichte den wachsenden rechten Tendenzen in der Gesellschaft
entgegenwirken kann. Es stellt sich nun die Frage, ob die Beschaeftigung
mit der Geschichte des NS ueberhaupt ein adaequates Mittel darstellt, um
heutige Probleme zu bearbeiten. Bedeutet es eine Instrumentalisierung des
NS, daraus Folgen fuer heute ableiten zu wollen, bzw. schadet man damit sogar
dem eigenen Anliegen? Ist vielleicht eine antirassistische Arbeit gefordert,
die sich weitgehend vom historischen Objekt NS loest? Oder ist eine
politisch-historische Bildungsarbeit anzustreben, die sich enger am historischen
Gegenstand des NS, seinen historischen Ursachen und Folgen orientiert und
erst gar nicht den Anspruch erhebt, gesellschaftliche Probleme heute anzusprechen
(historische Bewusstseinsbildung)? Es ist also zu fragen, was im Mittelpunkt
antifaschistischer Bildungsarbeit stehen und worin das paedagogische Ziel
ausserschulischer Bildungsmassnahmen liegen sollte.
Arbeitsgruppe 4: Politische Bildung zum Thema Nationalsozialismus
in der
interkulturellen Gesellschaft
In diesem Land und vor allem in Berlin lebt eine wachsende Zahl von jungen
Menschen nichtdeutscher Herkunft. Sie haben keinen biographischen Bezug zum
NS, sind aber haeufig mit Ausgrenzung und Rassismus konfrontiert. Es stellt
sich hier die Frage, welche Bedeutung die eigene Identitaet oder auch die
eigene sozial-kulturelle Lage fuer die Auseinandersetzung mit dem NS hat.
Hat die Beschaeftigung mit dem NS die gleiche Relevanz fuer Menschen
nichtdeutscher Herkunft, und wenn ja, worin liegt diese und wie ist sie zu
vermitteln? Schliesslich fragt sich, ob Identitaet ueberhaupt eine brauchbare
Kategorie ist, um die Beschaeftigung mit dem NS zu begruenden. Politische
Bildungsarbeit hat sich zu Identitaeten als Selbstzuschreibungen und Produkt
von Erfahrungen sowie als gesellschaftliche Konstruktionen und Projektionen
kritisch zu verhalten. Daraus erwaechst die Frage, mit welchen Konzepten
antifaschistische Bildungsarbeit in einer zunehmend interkulturellen Gesellschaft
arbeiten kann und muss.
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