Workshop Theoretische Fundamente der Analyse der oesterreichischen Wirtschaftsordung nach 1945

Samstag, 18. November 2000, 9.00 bis 17.00 Uhr

Dr- Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Griesgasse 17, A-5020 Salzburg

Theresia Theurl (Uni Muenster):
Neuere Ansaetze der Ordnungsoekonomik: Leistungsfaehigkeit und Grenzden
der Analyse ordnungspolitischer Regime

Juergen Nautz (Uni Kassel. Uni Wien):
Vom "Deppen" zum "Wohlstandsbuerger". Moral, Hasadeure und Oekonomie im
Nachkriegsoesterreich

Christian Dirninger (Uni Salzburg):
Zur ordnungspolitischen Dimension der Finanzpolitik in der Zweiten
Republik

Friedrich Schneider (Uni Linz):
Eine institutionenoekonomische Analyse der Reform des Internationalen
Waehrungsfonds

Ingo Pies (Uni Muenster):
Sozialstaatskrise und Arbeitslosigkeit. perspetiven Sozialer
Marktwirtschaft

Juergen G. Backhaus (Uni Maastricht):
Rechtsoekonomie und Wirtschaftsgeschichte

Roman Sandgruber (Uni Linz):
Ordnungspolitische Fragestellungen der neueren oesterreichischen
Wirtschaftsgeschichte

Moderation
Robert Kriechbaumer (Uni Salzburg; Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek


Der Workshop ist Teil eines Forschungsprojektes der
Dr.-Wilfried-Halsauer-Bibliothek mit dem Titel:

Zwischen Staat und Markt
Geschichte und Perspektiven der Ordnungspolitik in Oesterreich

Die aktuellen politischen Veraenderungen in Oesterreich spiegelten sich in den letzten Wochen und Monaten in viel diskutierten wirtschaftspolitischen
Massnahmen und darin, wie sie entstanden sind. Es stellt sich die Frage, ob ein ordnungspolitischer Wandel in Gang gekommen ist, wie er zu
begruenden ist, welche Inhalte ihn kennzeichnen und welche Konsequenzen zu erwarten sind. Fuer eine serioese Beurteilung und endgueltige
Einschaetzung dieser Entwicklungen sind freilich entsprechende Massstaebe und geeignete Analyseinstrumente unabdingbare Voraussetzung. Die
Beruecksichtigung komplexer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zusammenhaenge, die Beachtung von langfristig wirksamen
Entwicklungskraeften und die Isolierung von voruebergehenden Erscheinungen sind notwendig.

Dabei legen die veraenderten Rahmenbedingungen, die mit dem Kuerzel der "New Economy" charakterisiert werden koennen, eine Ueberpruefung der
Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt nahe. Alte Regulierungs- und Interventionspraktiken haben ihre Wirksamkeit verloren, waehrend neuer
Regulierungsbedarf entsteht. Der Staat wird in Zukunft andere Aufgaben zu uebernehmen haben als bisher. Vor allem ist davon auszugehen, dass klare
Spielregeln und verlaessliche Rahmenbedingungen zur Stabilisierung von Erwartungen, zur Verringerung von Unsicherheit und den damit verbundenen
Kosten, zur Foerderung von Innovationen und fuer einen friktionsarmen realwirtschaftlichen Strukturwandel sicherzustellen sind.

Die aktuellen oesterreichischen Geschehnisse koennen nicht losgeloest von historischen Weichenstellungen und von internationalen Entwicklungen
analysiert werden. Dies ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil in Oesterreich immer wieder ordnungspolitische Konzepte verwirklicht wurden,
die international als "Sonderweg" eingeschaetzt wurden, man denke nur an die Lohn-Preis-Abkommen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, an den Raab-
Kamitz-Kurs, den Austrokeynesianismus, die Hartwaehrungspolitik und die institutionalisierte Sozialpartnerschaft. Trotz umfangreicher Literatur und zahlreicher Studien zu einzelnen Episoden der oesterreichischen Wirtschaftspolitik in der Zweiten Republik existieren keine Arbeiten, die systematisch die Herausbildung und Veraenderung der oesterreichischen Wirtschaftsordnung unter Beruecksichtigung des internationalen Umfeldes analysieren. Ein solches Unterfangen setzt die interdisziplinaere Zusammenarbeit von Oekonomen und Historikern voraus, benoetigt theoretische Fundamente und eine empirische Absicherung.

Hoechste Aktualitaet verspricht daher ein Forschungsprojekt, das von der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek initiiert wurde und von in- und auslaendischen Wissenschaftlern geleitet wird. Mit diesem Projekt werden nicht nur inhaltlich und methodisch neue Wege beschritten, sondern es geht auch darum, in Oesterreich einen ordnungspolitischen Diskurs anzuregen. Erklaert werden sollen die Determinanten der Entwicklung der oesterreichischen Wirtschaftsordnung nach 1945 unter Rueckgriff auf Bestimmungsfaktoren, die zum Teil bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zurueckreichen. Es geht um die Isolierung von beharrenden und veraendernden Kraeften, die ordnungspolitische Konstante und Reformpotential widerspiegeln. Nicht nur die Frage eines "oesterreichischen Sonderweges" ist dabei zu stellen, sondern vor allem auch die nach der Zukunftsfaehigkeit und nach dem Reformbedarf der oesterreichischen irtschaftsordnung sowie nach wirtschaftspolitischen Handlungsspielraeumen. Einer speziellen Analyse werden dabei Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft unterzogen, in denen sich ordnungspolitische Grundhaltungen besonders deutlich niederschlagen. Dies sind die Ausgestaltung der Eigentums- und der Wettbewerbsordnung, die Sozialpolitik, die Arbeitsmarkt- und Beschaeftigungspolitik, die Finanzpolitik, die Aussenwirtschafts- und Integrationspolitik sowie die Geld- und Waehrungspolitik.

Mit der Ordnungs- und Institutionenoekonomik ist in den letzten Jahren ein oekonomisch-theoretischer Ansatz entstanden, der dafuer geeignet ist,
ordnungspolitische Regime, die aus formellen Regeln und informellen Verhaltensweisen bestehen, zu analysieren. Anders als im - laengst an seine Grenzen gekommenen - institutionenlosen neoklassischen Theoriegebaeude wird der institutionelle Rahmen einer Volkswirtschaft zum Untersuchungsgegenstand. Angesetzt wird an konkreten ordnungspolitischen Weichenstellungen unter der Beruecksichtigung von heterogenen Interessenlagen. Wirtschaftsordnungen bestehen aus (formellen und informellen) Institutionen. Sie koennen als Beschraenkungen fuer individuelles Handeln begriffen werden. Damit aber beeinflussen sie
Erwartungen und Entscheidungen und fuehren zu Handlungsmustern, die ihrerseits gesamtwirtschaftliche Ergebnisse bestimmen, also fuer die oekonomische Entwicklung einer Volkswirtschaft ausschlaggebend sind. Im Vergleich zu anderen theoretischen Ansaetzen sind zumindest zwei Vorzuege zu konstatieren. Zum einen gelingt es, die Anpassungs- und Reformfaehigkeit von ordnungspolitischen Regimen auszuloten. Zum zweiten aber ist es moeglich, Strategien fuer Situationen abzuleiten, in denen Reformen fuer viele Gruppen mit oekonomischen Nachteilen verbunden und daher nicht konsensfaehig sind, waehrend sich eine Gesellschaft damit insgesamt und laengerfristig besser stellen wuerde.

Diese Vorzuege koennen allerdings nur dann genutzt werden, wenn die Wirtschaftsordnung im Zusammenspiel ihrer Elemente, mit ihren Verbindungen
zur politischen und gesellschaftlichen Ordnung sowie in ihrem internationalen Zusammenhang und in ihrer historischen Bedingtheit (Pfadabhaengigkeit) begriffen wird. Eine solche umfassende Analyse existiert weder fuer die oesterreichische Wirtschaftspolitik noch fuer andere Volkswirtschaften. Die Anwendung des ordnungs- und institutionenoekonomischen Ansatzes beschraenkt sich haeufig auf einzelne Teilordnungen. Das geplante Forschungsprojekt dient daher nicht nur der Gewinnung inhaltlicher Erkenntnisse ueber die oesterreichische Ordnungspolitik, sondern auch dazu, die Tragfaehigkeit eines methodischen Ansatzes zu pruefen und ihn weiter zu entwickeln.

Letzteres wird im Rahmen eines Workshops "Theoretische Fundamente der Analyse der oesterreichischen Wirtschaftsordnung nach 1945" am 18.
November in den Raeumen der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek eingeleitet. Erste Ueberlegungen zu einer institutionen- und ordnungsoekonomischen
Analyse der oesterreichischen Waehrungspolitik nach 1945, der Sozialpartnerschaft sowie der Finanzpolitik in der Zweiten Republik werden
von den Projektleitern vorgestellt. Dazu kommen die Herausarbeitung ordnungspolitischer Fragestellungen der neueren oesterreichischen Wirtschaftsgeschichte und Aspekte der Rechtsoekonomie und Wirtschaftsgeschichte sowie die Sozialstaatskrise und Arbeitslosigkeit und die Reform des Internationalen Waehrungsfonds als institutionenoekonomische Anwendungsbeispiele. Experten aus dem In- und Ausland werden in dieser ersten Veranstaltung die Eignung des vorgesehenen Forschungsansatzes diskutieren bevor mit den eigentlichen inhaltlichen Arbeiten fortgesetzt wird.

Kontakt ueber
juergen.nautz@t-online.de

Univ.-Doz. Dr. Juergen Nautz
Fachbereich 10, Abt. Rechtswissenschaft
Universitaet Gh Kassel
D-34109 Kassel


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Juergen Nautz <juergen.nautz@t-online.de>
Subject: Workshop Theoretische Fundamente der Analyse der oesterreichischen Wirtschaftsordung nach 1945
Date: 09.10.2000


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