Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa 1900-1939

19.-21. Januar 2000

PROGRAMM

Veranstalter:
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V., (GWZO) Luppenstraße 1b, D-04177 Leipzig, Projektgruppe Metropolen 2: Kulturelle Pluralitaet, nationale Identitaet und Modernisierung in ostmitteleuropaeischen Metropolen 1900/1930 unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Höpken

Ansprechpartner:
Dr. Andreas Hofmann Tel. 0341/97 35 574 e-mail: ahofmanm@rz.uni-leipzig.de
Dr. Alena Janatková Tel. 0341/97 35 596 e-mail: janatkov@rz.uni-leipzig.de
Dr. Hanna Kozinska-Witt Tel. 0341/97 35 596 e-mail: kozinska@rz.uni-leipzig.de
Dr. Veronika Wendland Tel. 0341/97 35 574 e-mail: wendland@rz.uni-leipzig.de

Call for papers

Das Forschungsprojekt "Metropolen II" des GWZO plant fuer Mitte Januar 2000 eine Tagung ueber die Entwicklung von Oeffentlichkeit in ostmitteleuropaeischen Grossstaedten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Veranstaltung soll Gelegenheit geben, Teilaspekte und Zwischenergebnisse der in dem Projekt bisher geleisteten Arbeit vorzustellen. Gleichzeitig soll im Sinne unseres inter- oder zumindest multidisziplinaeren Ansatzes der Horizont der in dem Projekt verfolgten sozial-, wirtschafts-, kultur- und kunsthistorischen Fragestellungen erweitert werden. Deshalb sind Vortraege aus benachbarten gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Faechern wie der Soziologie, Musikgeschichte, Ethnologie, Linguistik u.a. vorgesehen. Die Beitraege sollen in einem gesonderten Tagungsband veroeffentlicht werden.

Die Leitbegriffe unserer Tagung fordern zu einer Klaerung heraus. Was rechtfertigt es, Ostmitteleuropa unter vielen moeglichen historisch-geographischen Abgrenzungen als spezifische Geschichtsregion zu waehlen? Die am haeufigsten genannten Besonderheiten dieses Gebietes sind Multiethnizitaet und Multikonfessionalitaet, die den Ursachen zuzurechnen sind, aufgrund derer sich bis in das 20. Jahrhundert bestimmte vormoderne Strukturen der staendischen Gesellschaften in einer fuer Ostmitteleuropa typischen Auspraegung erhalten haben. Im Laufe des nationalen Bewusstwerdungsprozesses bildeten sich dort nationale Parallelgesellschaften, in denen jeweils eine ethnische Gruppe die anderen dominierte. In den ostmitteleuropaeischen Staedten waren die Mittelschichten wiederum haeufig von anderen ethnischen Gruppen gepraegt, etwa Juden und Deutschen. Aus diesem komplexen Gefuege ergab sich besonders dort eine mannigfache Verschraenkung der jeweiligen sozialen, politischen, religioesen und nationalen Zugehoerigkeiten und Identitaeten, welche die ostmitteleuropaeische Situation wohl am deutlichsten von den gleichzeitigen Gesellschaften im westlichen Europa abhebt.

In engem Zusammenhang damit steht die fuer Ostmitteleuropa typische verspaetete Bildung buergerlicher Sozialformationen. Im Anschluss an den von Habermas gepraegten Begriff der "buergerlichen Oeffentlichkeit", die sich an der westeuropaeischen Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert orientierte, sind bis in juengere Zeit vielfach Theorien vom Aufstieg und Verfall eben dieser buergerlichen Oeffentlichkeit formuliert worden, die in der Regel in eine kulturpessimistisch gefaerbte Kritik der Medienlandschaft und Oeffentlichkeitskultur der Gegenwart muenden. Solche Konzeptionen sind in juengerer Zeit in die Kritik geraten. Es waere zu ueberlegen, ob nicht die in der Geschichtsschreibung Osteuropas und Ostmitteleuropas fest etablierte Auffassung von einem blossen Defizit in der Entwicklung stadtbuergerlicher Strukturen der Region in Analogie ebenfalls bestimmte, gleichsam normative Idealvorstellungen von "Oeffentlichkeit" voraussetzt und darueber hinaus den Vergleich zwischen West und Ost eher behindert. Deshalb sollte auch bei der Untersuchung der staedtischen Oeffentlichkeit in Ostmitteleuropa nicht von vornherein qualifizierend von ihrer blossen Unterentwicklung oder gar Abwesenheit ausgegangen, sondern eher nach ihren strukturellen Besonderheiten gefragt werden, die ihrerseits als regionenbildendes Merkmal aufgefasst werden koennten.

Der Begriff der Oeffentlichkeit als solcher ist schillernd, die einschlaegige Fachliteratur staendig im Wachsen begriffen. Soziologische Ansaetze aus den 1990er Jahren schlagen zur Erforschung der Oeffentlichkeit einen systemtheoretischen Ansatz mit einer klaren Trennung der Oeffentlichkeit und der politischen Sphaere vor. Ueber eine Kombination dieses Ansatzes mit handlungstheoretischen Ueberlegungen laesst sich die empirisch gegebene Verschraenkung beider Sphaeren gleichwohl wieder herstellen, wie sie besonders an den hier wie dort auftretenden Akteuren offenkundig ist. Allerdings bringt die Systemtheorie fuer unseren staedtegeschichtlichen Blickwinkel ein besonderes Problem mit sich. Denn anders als etwa Oeffentlichkeit, Wirtschaft, Politik, Kirche oder auch Sport, Kultur und Wissenschaft laesst sich die Stadt als solche nicht als Subsystem des Gesamtsystems "Gesellschaft" definieren, weil auf sie das "System" definierende Kriterium einer genau bestimmbaren "Funktion" nicht anzuwenden ist. Das Verhaeltnis der Mitglieder des Systems zueinander bestimmt sich jeweils durch ihre Zugehoerigkeit zu einem der genannten gesellschaftlichen Subsysteme, nicht aber durch ihre gemeinsame Ansaessigkeit in einer bestimmten Stadt.

Dennoch moechten wir die Stadt als spezifischen Ort historisch-sozialen Geschehens als Feld zur Untersuchung der Oeffentlichkeitsentwicklung nicht aufgeben, weil es nirgendwo sonst zu einer solch dichten Ueberlagerung der verschiedenen gesellschaftlichen Subsysteme kommt. Vielleicht laesst sich dieser gedankliche Ansatz gerade mit Blick auf die angeschnittene Kernproblematik des historischen Untersuchungsgebiets Ostmitteleuropa fruchtbar machen, naemlich die Verschraenkung nationaler, sozialer, konfessioneller und anderer Identitaeten, aus der sich wiederum Besonderheiten in der Struktur ostmitteleuropaeischer Staedte im Vergleich zu westlichen Fallbeispielen ergeben koennten. Beispielsweise waere als Arbeitshypothese anzunehmen, dass das Verhaeltnis zwischen Stadt und Land in unserer Betrachtungsregion deutlich kontrastreicher war als im Westen - auch dieser Frage koennte methodisch auf dem Weg des Vergleichs der jeweiligen Strukturen von Oeffentlichkeit nachgegangen werden.

Die Teilnehmer der Tagung sollen an dieser Stelle keineswegs auf irgendeinen normativen begrifflichen Apparat festgelegt werden, vielmehr wird es darum gehen, die genannten Leitbegriffe als "Entwurf" aufzufassen, d.h. sie von dem je verschiedenen Ansatz der jeweiligen Fachdisziplin aufzufassen und empirisch zu fuellen. Es spricht dennoch einiges dafuer, im Vorfeld eine Reihe von Leitfragen zu formulieren, die den Teilnehmern als Angebot dienen sollen, ihre Beitraege zu strukturieren, und die der anschliessenden Diskussion erfahrungsgemaess groessere Kohaerenz geben koennen:

Literaturhinweise

Bislang feststehende Referenten und Referattitel sind:

Interessenten werden gebeten, bis Mitte Dezember ein abstract eines Referats
von etwa 60 Zeilen zu schicken.

PROGRAMM

Stadt und Öffentlichkeit
in Ostmitteleuropa 1900-1939

19.-21. Januar 2000

Tagung
des Geisteswissenschaftlichen Zentrums
Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V., Leipzig

Projektgruppe:
"Kulturelle Pluralität, nationale Identität und Modernisierung
in ostmitteleuropäischen Metropolen 1900/1930"

Tagungsort
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V.
04177 Leipzig, Luppenstr. 1 B, 1. Etg.

PROGRAMM

Mittwoch, 19. Januar 2000

14.15

Begrüßung durch Prof. Dr. Winfried Eberhard, Direktor des GWZO Leipzig

14.30

Anna Veronika Wendland, Andreas R. Hofmann (Leipzig): Stadt – Öffentlichkeit – Ostmitteleuropa. Eine Begriffsbestimmung
Städtische Dimensionen des öffentlichen Raums

15.00

Hartmut Häußermann (Berlin): Der öffentliche Raum

15.30

Johann Friedrich Geist (Berlin): Die Passage als Indikator von Öffentlichkeit

16.00

Diskussion

16.30

Kaffeepause

17.00

Andreas Fülberth (Münster): Stadtplanung als Gegenstand öffentlichen Diskurses in den Hauptstädten des Baltikums während der Zwischenkriegszeit

17.30

Vladimír Šlapeta (Prag): Brünn – die Stadt des neuen Bauens

18.00

Alena Janatková (Leipzig): Großstadtplanung und die Expertenöffentlichkeit in Prag und Brünn

18.30

Diskussion

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Donnerstag, 20. Januar 2000
Alltag, informelle Geselligkeit und Kultur als Öffentlichkeitsforen

9.00

Wolfgang Höpken (Leipzig): Öffentlichkeit und Vergnügen: Das Beispiel südosteuropäischer Hauptstädte

9.30

Miroslav Jerábek (Brünn): Das Café als soziokulturelles Phänomen im Brünn der Zwischenkriegszeit

10.00

Diskussion

10.30

Kaffeepause

11.00

Danuta Bienkowska (Lodz): Der multinationale Charakter von Lodz und seine linguistischen Ausdrucksformen

11.30

Rüdiger Ritter (Bremerhaven): Musik und Musikleben als Feld gesellschaftlicher Identitätsfindung in Warschau und Wilna vor und nach dem Ersten Weltkrieg

12.00

Diskussion

12.30

Mittagspause
Die Formierung der Öffentlichkeit mittlerer Ebene: Vereinswesen

14.00

Karel Altman (Brünn): Czech and German Clubs and Societies in Brno

14.30

Elena Mannová (Preßburg): Die Entstehung einer neuen Hauptstadt und der Wandel der Vereinsöffentlichkeit. Bratislava 1900-1930

15.00

Sabine Rutar (Münster): Arbeitervereine und die Entwicklung städtischer Öffentlichkeit in Triest vor dem Ersten Weltkrieg

15.30

Diskussion

16.00

Kaffeepause
Städtische Öffentlichkeit im massenmedialen Diskurs

16.30

Harald Binder (Wien): Medien und Öffentlichkeit in Lemberg und Krakau 1848-1914

17.00

Hanna Kozinka-Witt (Leipzig): Das Zusammenspiel von Stadträten und Presse in Krakau und Warschau 1900-1939

17.30

Andreas R. Hofmann (Leipzig): Imageprobleme einer Antimetropole. Lodz 1900/1930

18.00

Diskussion

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Freitag, 21. Januar 2000
Soziale und ethnische Partikularöffentlichkeit oder städtische Gesamtöffentlichkeit?

9.00

Dorota Glazek (Kattowitz): Die Industriestädte Oberschlesiens zwischen Polen und Preußen (vorläufiger Titel)

9.30

Esther Jonas-Märtin (Leipzig), Lothar Mertens (Bochum): Zwischen Ethnizität und Akkulturation. Ostjuden in der Leipziger Öffentlichkeit 1871-1933

10.00

Diskussion

10.30

Kaffeepause

11.00

Annett Steinführer (Leipzig): Zuwanderung und Öffentlichkeit in Brünn 1900-1930 (vorläufiger Titel)

11.30

Anna Veronika Wendland (Leipzig): Die Ethnisierung von Nachbarschaft. "Kleine" Öffentlichkeiten und nationale Zuschreibungen im Lemberg der Zwischenkriegszeit

12.00

Diskussion

12.30

Kaffeepause


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Dr. Ewa Tomicka-Krumrey" <tomicka@rz.uni-leipzig.de>
Subject: Konferenzankuendigungen
Date: 08.11.1999


Copyright ©1996-2002, H-Soz-u-Kult · Humanities · Sozial- und Kulturgeschichte

Termine 2000