Sakralisierung der Nation und Nationalisierung der Religion in Ostmittel-, Suedost-, und Osteuropa in der Neuzeit

Tagung der Projektgruppe "Intermediaere Organisationen und demokratische Stabilitaet in Ostmittel- und Suedosteuropa in der Zwischenkriegszeit" am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas inLeipzig

vom 30.11.-2.12.2000 in Leipzig

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Bei den Prozessen der Nationalisierung der Religion und der Sakralisierung des Nation handelt es sich um miteinander zusammenhaengende, komplementaere Prozesse in der modernen europaeischen Geschichte.

Sakralisierung der Nation: Die nationalen Ideologien im 19. Jahrhundert waren - in Westeuropa wie in Osteuropa - in vieler Hinsicht mit religioesen Deutungssystemen verbunden. Dies gilt unabhaengig von der Frage, ob Nationalismus und Religion in einem Konkurrenzverhaeltnis aufgefasst werden (Nationalismus als Ersatzreligion) oder ob ein symbiotisches Verhaeltnis von Nationalismus und Religion angenommen wird.

Auf der Tagung wird der funktionale Zusammenhang von Nationalismus und Religion ebenso interessieren wie die religioese Semantik des Nationalen. Fuer die religioese Semantik des Nationalen sind nationalen Mythen religioeser Provenienz ein wichtiges Forschungsfeld. Sie haben in West- wie in Osteuropa das kulturelle Gedaechtnis der Nationen wesentlich gepraegt. Zur Profilierung der europaeischen Nationalismen dienten die Erinnerung an nationale Leistungen bei der Verteidigung des (lateinischen) Christentums ebenso wie die Besinnung auf Nationalheilige. Der ihnen gewidmete Kult nahm saekular-politische Bedeutungen an, konnte dabei aber alte religioese Bedeutungen behalten und sogar neue gewinnen, wie z.B. der Jeanne d'Arc-Kult in Frankreich oder der Hus-Kult in Boehmen zeigen. Als politische Symbole religioeser Herkunft, die der Selbstvergewisserung der Gesellschaft dienen, unterlagen sie einem steten Bedeutungswandel.

Die Sakralisierung der Nation geschah aber nicht allein durch die religioesen Sinnbezuege des Nationalismus. Der Nationalismus trat in gewisse Funktionen der Religion ein, er forderte Opfer und konnte dem individuellen Leben Sinn verleihen. Dieses Problemfeld ist vor allem im Hinblick auf das Verhaeltnis von Religion und Nation im Krieg und im Totenkult zu eroertern.

Nationalisierung der Religion: Der Prozess der Nationalisierung der Religion ist aelter als der komplementaere Prozess der Sakralisierung der Nation. Die kulturelle Homogenisierung der europaeischen Staaten begann in der Fruehneuzeit mit der Homogenierung der religioesen Kulturen. Aber erst in der Moderne war Religion der Konkurrenz saekularer, nationaler Deutungssysteme ausgesetzt. Daraus ergibt sich die Frage, wie Religion die modernen Nationalkulturen praegte und wie sie von ihnen gepraegt wurde - sei es durch die Anpassung der Traditionskirchen an nationale Deutungsmuster, sei es durch die Gruendung neuer Nationalkirchen. In diesem Zusammenhang ist auch nach den konfessionellen Konflikten zu fragen, die durch die nationale Aufladung von Religion in der Moderne neu entstanden.

Die Tagung geht von der Hypothese aus, dass sich die skizzierten Fragen grundsaetzlich an die west- wie an die osteuropaeische Geschichte in gleicher Weise richten lassen. Dennoch sind einige spezifische Bedingungen der ostmittel- und suedosteuropaeischen Geschichte zu beruecksichtigen. Beide Prozesse, die Sakralisierung der Nation und die Nationalisierung der Religion, vollzogen sich in Ostmittel- und Suedosteuropa in der Regel nicht im Rahmen bereits bestehender Nationalstaaten, sondern unter der imperialen Herrschaft des Habsburger Reichs, des Russischen Reichs, des Osmanischen Reichs und Preussen-Deutschlands. Die nationale Geltung von Religion muss sich unter diesen Bedingungen gegen die imperiale Beanspruchung der Religion durchsetzen. Die enge Verflechtung von Staat und Staatskirche in der Habsburgermonarchie wie auch im Russischen Reich uebte eine komplexe Wirkung auf den Prozess der Nationalisierung der Religion aus. Um die Aufklaerung dieser Zusammenhaenge will sich die Tagung bemuehen.

Weiter Informationen zur Konferenz finden Sie unter der Webadresse: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/konferen/kosakral.htm

Vorschlaege fuer Tagungsbeitraege mit einem Expose von etwa 60 Zeilen werden bis zum 15.9.2000 erbeten.

Veranstalter:
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. (GWZO), Luppenstrasse 1b, D-04177 Leipzig, http//www.uni-leipzig.de/gwzo

Verantwortlich:

Dr. Hans-Christian Maner, GWZO
Dr. Martin Schulze Wessel, GWZO - Martin-Luther-Universitaet Halle-Wittenberg
Dr. Norbert Spannenberger, GWZO

Exposes sind zu richten an:

Dr. Martin Schulze Wessel, Martin-Luther-Universitaet Halle-Wittenberg, Institut fuer Geschichte, Kroellwitzer Str. 44, 06120 Halle/Saale, martin.schulzewessel@planet-interkom.de

Organisatorische Fragen sind zu richten an:

Dr. Ewa Tomicka-Krumrey, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V., Luppenstrasse 1b, D-04177 Leipzig, Tel.: 0341-9735564, tomicka@rz.uni-leipzig.de


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Ewa Tomicka-Krumrey" <tomicka@rz.uni-leipzig.de>
Subject: CFP: Sakralisierung der Nation und ... - Leipzig 11/2000
Date: 21.07.2000


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