Deutsches Historisches Institut Warschau /
Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien

Call for Papers für eine Arbeitstagung in Obory bei Warschau, 11.-14. Mai 2000:


Zwischen Kriegen.
Nationen, Nationalismen und Geschlechterverhältnisse in Mittel- und Osteuropa 1918-1939

Ausgangspunkt:
Die feministische Forschung hat deutlich gemacht, daß eine Auseinandersetzung mit den vielfachen Verknüpfungen und Interferenzen zwischen den Begriffen “Geschlecht” und “Nation” produktiv ist. Dies gilt sowohl für die Untersuchung der unterschiedlichen Konstruktionen und Erfahrungen von Geschlechterverhältnissen wie auch für die Analyse von Konzeptionen politischer Legitimität, unter denen jene der “Nation” im 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle einnimmt. “Geschlecht” ist nicht unabhängig von den politischen, ökonomischen und kulturellen Verhältnissen, in denen es entworfen und erfahren wird, nationale Identitäten und ihre politischen und sozialen Realisierungen sind nicht geschlechtsneutral. Wir gehen vielmehr von der These aus, daß die Kategorie “Geschlecht” ein Schlüsselelement von Nationskonzeptionen und Nationalismen darstellt.

Zeit und Raum:
Dem Terminus “Zwischenkriegszeit”, der die (regional nicht gänzlich identische) Zeitspanne zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet, ist die historische Perspektive inhärent – wie die Zeitbestimmungen “Mittelalter” oder “vor der Revolution” setzt er ein Wissen voraus, das den ZeitgenossInnen nicht zugänglich war. Die Frage nach Zwischenkriegszeiten verweist daher immer auch auf vergangene Zukunftsperspektiven: auf Hoffnungen und Entwürfe möglicher anderer Verläufe der Geschichte. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war in Mittel- und Osteuropa dadurch geprägt, daß sich hier eine Vielzahl von Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen neu konstituierte, die sehr unterschiedliche politische, ökonomische und kulturelle Entwicklungen durchmachten, schwere politische und ökonomische Krisen eingeschlossen. Diese Entwicklungen wurden durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen dramatischen Veränderungen unterworfen oder überhaupt abgeschnitten. Welche Rolle dabei das Konzept der Nation spielte, und ob und inwiefern ihm die Logik des Krieges bereits in Friedenszeiten innewohnte und welche Konsequenzen dies für das Geschlechterverhältnis hatte, sind zentrale Fragen der historischen Auseinandersetzung mit dieser Zeit. Mit der Auflösung der Sowjetunion und einer Reihe von Neukonstituierungen von politischen Systemen und (national begründeten) Staaten gewinnt das historische Interesse an der Auseinandersetzung mit dieser Zeit und diesem Raum neue Bedeutungen, die von der Legitimation aktueller Nationalisierungen bis zur radikalen Kritik nationalstaatlicher Politikkonzeptionen reichen.

Ziele:
Die Tagung “Zwischen Kriegen: Nationen, Nationalismen und Geschlechterverhältnisse” will


Themenschwerpunkte:
Ausgangspunkt für die Diskussion soll zum einen die Frage nach Prozessen der Aushandlung von Geschlechterverhältnissen in den neuen, nationalstaatlich konstituierten, politischen Einheiten sein, zum anderen sollen Geschlechterbilder und geschlechtsspezifische Erfahrungen im Kontext von Nationalisierungsprozessen untersucht werden.

Aushandlung von Geschlechterverhältnissen in neuen politischen Einheiten:

Prozesse der Nationalisierung: Geschlechterbilder und geschlechtsspezifische Erfahrungen:

Die geplante Tagung schließt an eine 1998 vom DHI Warschau durchgeführte Konferenz an, bei der ForscherInnen aus Polen, Rußland, Tschechien, der Ukraine, Lettland, Deutschland und Österreich sich mit “Geschlecht und Nationalismus in Mittel- und Osteuropa 1848-1918” auseinandergesetzt haben. Um sowohl inhaltlich als auch personell für Kontinuität zu sorgen, sollen einige TeilnehmerInnen der ersten Konferenz wieder eingeladen werden. Außerdem wollen wir uns im wesentlichen auf die Auseinandersetzung mit exemplarischen Fallanalysen aus dem gleichen geographischen Raum beschränken: europäischer Teil der Sowjetunion, Baltikum, Polen, Tschechoslowakei, Deutschland, Österreich.

Simultanübersetzungen in/aus dem Russischen, Polnischen, Englischen und Deutschen werden bei der Tagung gewährleistet sein. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant.

Wir bitten um die Einreichung von Vorschlägen für Beiträge zu einem der angegebenen Fragenkomplexe.
Umfang: 1 Seite
Sprachen: Englisch, Deutsch
Termin: 31. 7. 1999
Adressen: Deutsches Historisches Institut Warschau (Sophia Kemlein)
Institut für Zeitgeschichte Wien (Johanna Gehmacher)
Rückantwort: bis 15. 9. 1999
Medien: Folien, Dias, Videos etc. sind willkommen; konkrete technische Bedürfnisse bitte frühzeitig mit den Veranstalterinnen abklären

Dr. Sophia Kemlein
Deutsches Historisches Institut Warschau
PKiN, XVII p., Plac Defilad 1, skr. 33
PL 00-901 Warszawa
Tel. +48 22 6567182
Fax. +48 22 693 7006
e-mail: kemlein@dhi.waw.pl

Dr. Johanna Gehmacher
Institut für Zeitgeschichte/Univerität Wien
Spitalgasse 2-4 (Hof 1)
A-1090 Wien
Tel. +43 1 427741210
Fax: +43 1 42779412
e-mail: johanna.gehmacher@univie.ac.at

Vorläufiges Programm

Donnerstag, 11. Mai 2000
Ankunft
17.00 Kulturpalast
Abfahrt des Busses nach Obory

18.30 Eröffnung
19.00 Marta Bohachevsky-Chomiak
Geschlecht und Nation

Freitag, 12. Mai 2000

Teil I: Aushandlung von Geschlechterverhältnissen in neuen politischen Einheiten

9.00 Andrea Feldman, Zagreb/Kroatien
Imaging Yugoslavia. Women and the Ideology of Yugoslavism (1918-1939)

9.45 Myroslava Djadjuk, Lemberg/Ukraine
Politicization of the Ukrainian Women’s Movement in the Interwar Period

10.45 Pause

11.15 Claudia Kraft, Leipzig/Deutschland
Das Eherecht im neuen polnischen Nationalstaat

12.00 Anna Zarnowska, Warschau/Polen
Chancen und Grenzen politischer Partizipation von Frauen im wiedererrichteten polnischen Staat

13.00-15.00 Pause

15.00 Ol’ga Zdravomyslova, Moskau/Rußland
Towards a Construction of Citizenship: Soviet Woman and Soviet Man in the Period of
„Building of Socialism in One Country“ (1926-1939)

15.45 Pause

16.15 Kerstin Jobst, Hamburg/Deutschland
Zusammenfassung Teil I

17.15 Pause

Teil II: Prozesse der Nationalisierung: Geschlechterbilder und geschlechtsspezifische Erfahrungen

17.30 Angela Koch, München/Deutschland
Geschlechtsspezifische Codierungen in revisionistischen Texten nach dem Ersten Weltkrieg

18.15 Marion de Ras, Niederlande/Neu Seeland
Wandervogel Girls’ Bodies as Political Metaphor

Sonnabend, 13. Mai 2000

9.00 Tatiana Osipovich, Portland/USA
The „New Woman“ in Early Soviet Union Fiction: Bolshevik Ideology and Popular Mythology

9.45 Elena Gapova, Minsk/Belarus
One Nation, Two Ideologies: Engineering Women in Soviet and Western Belarus

10.45 Pause

11.15 Martin Schulze-Wessel, Halle/Deutschland
Geschlecht und Nation als Praxis und Vorstellung: Die Gründung der Tschechoslovakischen Kirche

12.00 Ann-Catrin Östman, Turku/Finland
Finnish Citizens on Swedish Soil. Gender, Yeomanry and the Construction of a Minority Identity

13.00-15.00 Pause

15.00 Gertrud Pickhan, Leipzig/Germany
„Wo sind die Frauen?“ Diskussionen um Weiblichkeit, Männlichkeit und yidishkeyt im
Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund („Bund“) in Polen

15.45 Dietlind Hüchtker, Berlin/Germany
Gedächtnispolitik – Galizien als Produkt von Erinnerungen

16.30 Pause

17.30 Bozena Choluj, Warschau/Polen – Elizabeth Harvey,Liverpool/England
Zusammenfassung, Abschlußdiskussion

Sonntag, 14. Mai 2000
10.00 Abfahrt des Busses nach Warschau, Besichtigung der Stadt
Abreise

Konferenzsprachen: Englisch, Deutsch, Polnisch, Russisch

Konferenzort:
Dom Pracy Twórczej im. Boleslawa Prusa
ul. Literatów 2, PL 05-520 Obory
Tel. +48 22 7564106, Fax + 48 22 7540107


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Sophia Kemlein" <kemlein@pandora.dhi.waw.pl>
Subject: Conference: Between Wars - Obory 05/2000
Date: 04.05.2000


Copyright ©1996-2002, H-Soz-u-Kult · Humanities · Sozial- und Kulturgeschichte

Termine 2000