CALL FOR PAPERS

Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung - Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland

Eine Tagung vom 23. bis 25. Juni 2000 an der Johann Wolfgang Goethe-Universitaet in Frankfurt am Main

In juengster Zeit ist die Frage der Gemeinwohlbindung in modernen Gesellschaften verstaerkt zum Gegenstand intellektueller Debatten und wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht worden. Generell loesen Modernisierungsprozesse ueberkommene Formen der Balance zwischen der Verfolgung von Eigeninteresse und der Bindung an das Gemeinwohl auf und schaffen neue Bedingungen fuer die Bildung individueller und kulturspezifischer Auspraegungen des Spannungsverhaeltnisses zwischen Individuum und Gemeinschaft. In der intellektuellen Reflexion der Modernisierungsschuebe wurde und wird haeufig davon ausgegangen, dass das Verhaeltnis des Individuums zur Gemeinschaft problematisch geworden ist. Man kann beobachten, dass der Modernisierungsprozess mit der Zunahme der Gestaltungsmoeglichkeiten von Autonomie einhergeht, wobei zwei Perspektiven, die hierauf gerichtet werden, zu differenzieren sind. Aus der Sicht des Individuums stellt sich die Frage, wie es sich unter den neuen Bedingungen an ein Gemeinwohl binden kann, nachdem die vormals gueltigen Bezugsmuster zerfallen sind. Fuer die Gemeinschaft hingegen ruecken andere Aspekte in den Vordergrund. Wie werden moegliche entstehende soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ausgeglichen? Setzt sie darauf, kollektivistisch die neu enstehenden Gestaltungsraeume der Praxis zu schliessen oder vertraut sie darauf, dass eine Staerkung der Eigenverantwortung den Veraenderungen am ehesten Rechnung traegt?

Darueber hinaus nehmen die intellektuellen Diskurse, die zu den tatsaechlich vorliegenden Strukturtransformationen der Praxis gefuehrt werden, eine wichtige Position ein. Dienen sie der Schaerfung des Krisenbewusstseins und damit der Problemrekonstruktion oder tendieren sie dazu, notwendige Reformen aufgrund unpraegnanter Diagnosen zu verschleiern?

Die USA und Deutschland bilden zwei Extreme in der kulturspezifischen Auspraegung des Spannungsverhaeltnisses zwischen Eigeninteresseverfolgung und Gemeinwohlorientierung.

In den USA wird die Verfolgung von Eigeninteressen weit staerker gewichtet als in den europaeischen Nationen. Die Nationalstaatsgruendung erfolgte nicht durch eine Gemeinschaft, die auf ein jenen vergleichbares Mass gemeinsamer Traditionen und Erfahrungen haette zurueckblicken koennen. Staatlicherseits sind vergleichsweise wenige Arrangements hinsichtlich buergerschaftlicher Gemeinwohlverpflichtungen vorgegeben. Wie die Buerger ihren Gemeinwohlbezug realisieren, ist nicht voreingerichtet. Im Vergleich zu Deutschland ist national-gemeinschaftliches Handeln weit schwieriger zu begruenden gewesen, was sich noch heute in der Deutung des Verhaeltnisses von Individualrechten und Sozialstaat spiegelt.

In Deutschland ist die inhaltliche Fuellung des Buergerstatus schwach. Die bestehende Republik ist ohne buergerliche Revolution aus einem Obrigkeitsstaat hervorgegangen. Die Bindung an staatliche Vorleistungen ist entsprechend dazu auf der Ebene praktischer Regulierungen relativ stark, was zu einer mangelnden Ausbildung buergerschaftlicher Verantwortung gefuehrt hat. Eine positive Nationalstaatsbindung ist fragil und wird schnell durch fundamentalisierende Debatten in Frage gestellt. In Deutschland ist den Buergern viel weniger Freiraum in der Gestaltung der Balance zwischen Eigeninteresse und Gemeinwohlorientierung gegeben. Der Staat greift paternalistisch in die Gestaltung von Solidaritaetsfeldern ein.

In einer dreitaegigen Konferenz soll solchen Fragen nachgegangen werden, ob und welche Krisenphaenomene existieren, welche die Ursachen dafuer sind und welche neuen Bedingungen fuer die Realisierung von Gemeinwohl in den USA und Deutschland sich bieten. Auch historische und vergleichende Vortraege sind willkommen.

Wir bitten um die Einreichung von Vorschlaegen fuer Referate bis zum 1. Februar 2000. Die Vorschlaege sollten den Titel des Referates sowie einen Abstract mit maximal 500 Woertern enthalten. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Interessierte werden gebeten sich anzumelden.

Weitere Informationen unter: http://www.rz.uni-frankfurt.de/tagung


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Sascha Liebermann" <S.Liebermann@wiso.uni-dortmund.de>
Subject: CFP: Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung / Frankfurt/M. - 05/2000
Date: 01.12.1999


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