H-Soz-u-Kult Review-Symposium:

Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus


Diskussion


Stellungnahme zum Diskussionsbeitrag von Klaus Popa im Rahmen des Review-Symposiums 'Versäumte Fragen',
veröffentlicht über H-Soz-u-Kult am 18.01.2000

von

Irmline Veit-Brause, Rüdiger Hohls und Konrad H. Jarausch
Email: <ivb@deakin.edu.au>

Für seinen Diskussionsbeitrag zum Review-Symposiums 'Versäumte Fragen' adaptiert Klaus Popa als programmatischen Titel ein aus den Zusammenhang gerissenes Zitat aus dem Interview mit Hans-Ulrich Wehler: "Lieber einmal zu viel die Klappe auftun, als einmal zu wenig. [...]". In den vergangenen Tagen haben wir uns mehrfach gefragt, ob wir auf die in Popas Beitrag enthaltenen Anwürfe, Unterstellungen und polemischen Spitzen reagieren sollen oder nicht besser die 'Klappe halten' und dem kritischen Urteil der kundigen Leser vertrauen, wie schon in der Vorbemerkung der Moderatorin empfohlen. Eingegangene Fragen und Kommentare lassen es geboten erscheinen, diese Vorbemerkung etwas zu verdeutlichen. Als Moderatorin des Symposiums bzw. Herausgeber des Interviewbandes und als Redaktionsmitglieder von H-Soz-u-Kult möchten wir folgende Punkte anmerken:

1) Klaus Popa apostrophiert uns Herausgeber und mittelbar auch die an den Interviews maßgeblich beteiligten Studierenden zu Erfüllungsgehilfen einer im Hintergrund agierenden sogen. 'HJ-Generation', deren 'verfahrene Lage' der Interviewband 'aufpolieren' sollte. Dazu ist anzumerken, dass Popa die wissenschaftsgeschichtlichen Intentionen der am Interviewprojekt Beteiligten missversteht, obwohl diese in den Einleitungs- und Begleittexten deutlich ausgewiesen werden.

2) Der in Teilen aufgeregte Sprachduktus, die gelegentlichen aggressiven Untertöne und polemischen Spitzen in Popas Text erschweren eine Reaktion auf seine Ausführungen. So werden beispielsweise von Popa als Vertreter der 'HJ-Generation' namentlich Hans und Wolfgang Mommsen und Hans-Ulrich Wehler benannt, wobei Popa dazu als Referenz auf den Beitrag von Ralph Jessen verweist, obwohl es dort für den angeführten Zusammenhang keine Entsprechung gibt. Weiter schreibt Popa, dass die Technik der Paradigmenbildung der 'HJ-Generation' einem Denkstil entspringen würde, der seine Wurzeln vor 1945 habe. So konstruiert Popa einen Gegensatz zwischen den sogen. 'Alten', denen angeblich die Fachethik abhanden gekommen sei, und den 'Jüngeren', die sich daran gemacht hätten, dem 'bisher kultivierten Bild vom Nationalsozialismus' zu widersprechen. Wir halten Popas Art des altersbezogen Generalisierens für ahistorisch. Zudem sind nach unserer Kenntnis viele Argumente Popas wissenschaftshistoriorgraphisch überzogen und seine Argumente für eine neue Art von Geschichtsschreibung unausgereift. Außerdem würden wir uns mit Blick auf die 'libel laws' angelsächsischer Länder in Deutschland mehr Zurückhaltung bei persönlichen Formulierungen wünschen.

3) Verschiedentlich sind wir in den vergangenen Tagen gefragt worden, warum der Beitrag von Klaus Popa seitens der H-Soz-u-Kult-Redaktion wegen Verletzung der vorgegebenen 'Spielregeln' für Listenbeiträge nicht zurückgewiesen wurde. Schließlich stände es jedem Autor frei, an anderer Stelle zu publizieren, und sei es auf seiner eigenen Homepage. Die Moderation des Review-Symposiums hatte die australische Wissenschaftshistorikerin Irmline Veit-Brause uebernommen und Peter Helmberger übernahm in diesem Fall als Revieweditor 'nur' den Part des technischen Redakteurs. Die Entscheidung über die Veröffentlichung von Symposiumsbeiträgen lag und liegt bei Frau Veit-Brause.

4) Vermutlich können die meisten Redakteure einer Zeitung, Zeitschrift oder eines Online-Forums davon berichten, dass Autoren bei Ablehnung eines Textes oder bei kritischen Anmerkungen zu eingereichten Beiträgen häufig beleidigt reagieren und der Vorwurf von 'Zensur' erhoben wird. Im Unterschied zu einer Zeitung oder Zeitschrift kommt dieser Umstand bei einem Online-Forum wie H-Soz-u-Kult noch viel eher zum Tragen. Auf der anderen Seite gehört es gerade zu den Stärken von Online-Foren, dass spontane Diskussionsbeiträge beigesteuert werden können. Da sind naturgemäß die Grenzen fließend. Das Review-Symposiums war zudem mit der Frage, warum sich die bundesdeutschen Historiker erst so spät der Geschichte ihrer eigenen Disziplin während der NS-Zeit gestellt hätten, in ein Diskussionsumfeld eingebunden, dass mit dem latenten Vorwurf des "Schweigekartells" belastet ist. Als Moderatorin wollte ich diesem Vorwurf nicht neue Nahrung liefern und vertraute im übrigen dem Urteilsvermögen der sachkundigen Leser. Die historischen Sachfragen und auch die wissenschaftshistorischen und -theoretischen Probleme, die in und durch dieses Buch aufgeworfen worden sind, werden weiter diskutiert werden müssen, über dieses Review Symposium hinaus.

Berlin und Melbourne, den 31.01.2001


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