Rezensiert für H-Soz-u-Kult von Prof. Dr. Reiner Pommerin
50 Jahre nach Einberufung des Parlamentarischen Rats in Bonn ist die Forschungs- und Quellenlage so dicht, dass es Michael Feldkamp moeglich wurde, ein wichtiges Thema der Gruendungsphase der Bundesrepublik Deutschland jetzt - fast abschliessend - vorzustellen. Nach Beginn des Kalten Krieges und der vor allem in den USA erkannten Notwendigkeit, den Ausbau Westeuropas voranzutreiben, hatte der Weg einer Verfassungsdiskussion ueber die Stationen Zonenbeirat, Laenderausschuss und Deutsches Buero fuer Friedensfragen sowie durch die Beschluesse der Londoner Sechs-Maechte-Konferenz schliesslich zu den Frankfurter Dokumenten gefuehrt. Diese wurden den 11 Ministerpraesidenten der westdeutschen Laender im Juli 1948 vorgelegt.
Durch die drei Militaergouverneure wurden die Ministerpraesidenten ermaechtigt, am 1. September 1948 eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Als Ort fuer die Versammlung wurde, nicht zuletzt aufgrund des "Lobbying" der britischen Seite, die in der Brititschen Besatzungszone liegende Stadt Bonn festgelegt. Der Autor beschreibt die Zusammensetzung des Parlamentarischen Rats, die durch eine Kurzbiographie der insgesamt 77 Mitglieder dieser verfassungsgebenden Versammlung in einem Abhang noch abgerundet wird. Neben den Modalitaeten der Auswahl der Ratsmitglieder in den jeweiligen Laendern weist er auch auf die Bedeutung der von den drei alliierten Besatzungsmaechten eingerichteten Verbindungsbueros hin. Diese hatten nicht zuletzt den Auftrag, in einigen Verfassungsfragen "dezent" auf die "Vaeter" und die "Muetter" des Grundgesetzes in Bonn einzuwirken. Die Bayerische Staatskanzlei unterhielt sogar eine eigene Dienststelle in Bonn. Sie diente der Unterstuetzung der bayerischen Vertreter und sollten diesen im Rheinland wenigstens etwas "bayerische Gemuetlichkeit" vermitteln. Intensiv wird auch der Einfluss der Gewerkschaften und Kirchen auf den Gang der Verfassungsgebung nachgezeichnet. So war beispielsweise die Schaffung einer obersten Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ein deutlicher Gewerkschaftserfolg.
Neben den einzelnen Krisen innerhalb des Prozesses der Verfassungsgebung zwischen Alliierten und Deutschen, so in der Frage der Finanzgewalt des Bundes oder der Laender, wird auch die weltpolitische Gesamtsituation, vor deren Hintergrund die westdeutsche Verfassung entstand, dargestellt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass beispielsweise die Berlin-Blockade, die den Prozess der Verfassungsgebung begleitete, in der Perzeption der Abgeordneten auch fuer ihre Taetigkeit Niederschlag gefunden hat. Deutlich wird noch einmal der von den Zeitgenossen empfundene Druck, zu einer schnellen Konsolidierung des demokratischen Teils Europas.
Leider war es keinem der Abgeordneten des Parlamentarischen Rats mehr moeglich, im Jahr 1990 zu erleben, wie das "Provisorium Grundgesetz", empfohlen von der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag mit nur geringfuegigen Veraenderungen als Grundgesetz des vereinten Deutschlands beibehalten wurde. Wer ueber die Arbeit in den Fachausschuessen und die Verhandlungen im Plenum des Parlamentarischen Rats detailliert informiert werden will und zudem einen Ueberblick ueber die Zeitgeschichte der Jahre 1948/49 in Deutschland und der Welt erhalten will, sollte diese faktenreiche Buch lesen.
Rezensiert fuer H-Soz-u-Kult von:
Prof. Dr. Reiner Pommerin <pommerin@rcs.urz.tu-dresden.de>, Lehrstuhl fuer Neuere und Neueste Geschichte; Technische Universitaet Dresden
Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>
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