Rezensiert für H-Soz-u-Kult von Schwarz, Thomas
Leopold II. von Belgien war ein zweitrangiger europäischer Monarch, dem es gelang, sein eigenes koloniales Begehren mit den Interessen der Finanzwelt zu verknüpfen und eine Internationale Afrikanische Assoziation (IAA) mit einem recht aktiven deutschen Zweig zu organisieren, die im Gefolge einer internationalen geographischen Konferenz in Brüssel 1876 als Unternehmen im Dienst der Humanität auf den Plan trat. Das Projekt wurde zum Teil eines Wettlaufs um Afrika, bei dem es um die Erfassung von Verkehrswegen und kommerziellen Möglichkeiten, von Naturschätzen und kolonisierbaren Territorien ging. Die Männer, die vor Ort gingen, zahlten oft mit dem eigenen Leben, andere mit dem Verrat ihrer wissenschaftlichen Ideale, die in Widerspruch gerieten zu ihrer imperialistischen Instrumentalisierung. Die Afrikaforschung bereitete die Gründung des Kongo-Freistaats auf der Berliner Kongo-Konferenz 1885 vor, ein Schritt, der von der Kolonialpropaganda als Maßnahme gegen den Sklavenhandel gefeiert wurde. Dass das Ziel der europäischen Anti-Sklaverei-Kampagnen aber in nichts anderem als der Verdrängung der Swahili-Araber in ihrer Funktion als wirtschaftlichen und kulturellen Konkurrenten der Europäer bestand, war allerdings schon den meisten Zeitgenossen klar. Bei dem Versuch, diesen Spagat zwischen Wissenschaft und Imperialismus auszuhalten, stellten sich bei den Forschern unverkennbar die Symptome des Wahnsinns ein, denen Fabian in seinem Buch nachgeht (31f., 57, 77, 318).
Der Autor, der an der Universität von Amsterdam Kulturanthropologie unterrichtet, baut sein Werk um den Begriff des Ekstatischen herum auf, es geht um das Draußen-Sein, um das Heraustreten aus sich selbst, für ihn eine Bedingung dafür, dass Begegnungen zwischen Europäern und Afrikanern zu mehr als nur zu physischen Zusammenstößen geführt haben. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, dass die europäischen Reisenden in Afrika ihren Gastgebern des öfteren in einem Zustand gegenübergetreten sind, den man von Wissenschaftlern nicht erwarten würde. Von selbstbeherrschter Rationalität konnte keine Rede sein, statt dessen hatten sich ihrer Affekte bemächtigt, die von gereiztem Zorn bis Verachtung reichten. Sie waren von Tropenkrankheiten, vor allem den Fieberanfällen der Malaria, zerrüttet oder standen unter dem Einfluss von Drogen, von Chinin, Morphium, Alkohol oder Opiaten - die Reise wurde zum Rausch (17f., 24, 95, 98). Als Quellen benutzt Fabian Reiseberichte über Expeditionen nach Zentralafrika, der Schwerpunkt liegt auf den Jahren von 1874 bis 1887. Sie bedienten einen lukrativen Markt, sollten gleichzeitig die Durchschnittsleser mitreißen und die spezialisierten Fachleute beeindrucken. Bevor die Reisenden anfingen, zu schreiben, waren sie selbst Leser, und zwar war nach eigenem Eingeständnis die Lektüre von Reisebeschreibungen ein nicht unwichtiges Motiv für den eigenen Aufbruch. Die stereotyp rekurrierenden Entschuldigungen der Verfasser für die mangelnde literarische Qualität ihrer Berichte führt Fabian auf den für die Romane des 19. Jahrhunderts typischen realistischen Stil zurück (328f., 332f., 341). Die Reihe der behandelten Autoren reicht um nur einige von ihnen zu nennen - von Adolf Bastian (später Direktor am Berliner Völkerkundemuseum) über Jérôme Becker (in Afrika auf Expeditionen der IAA, später im belgischen Kolonialdienst), Joseph Thomson (einem Schotten im Auftrag der Royal Geographic Society) und Otto H. Schütt (ebf. im Dienst der IAA) bis zu Hermann Wissmann (gilt als der erste, der Afrika von West nach Ost durchquert hat, später Gouverneur von Deutsch-Ostafrika) (36-42). Die Texte, die sie zum Beispiel in der Schriftenreihe MAGD vorlegten, den Mittheilungen der afrikanischen Gesellschaft in Deutschland (28), könnte man als Proto-Anthropologie bezeichnen, und es ist gerade der für den kritischen postkolonialen Blick noch relativ offen irrationale Charakter dieser Magd des Imperialismus, der einer Meta-Anthropologie helfen kann, ähnliche Symptome in der Textproduktion der entfalteten Disziplin zu entdecken.
Dass die weißen Protagonisten der Erforschung Afrikas heldenhaft allein
reisten, ist der erste Mythos, den Fabian demontiert. Umgeben waren sie vom
Tross ihrer Karawane. Auch ging es nicht wirklich ins Neuland hinein, sondern
man bewegte sich meistenteils auf bereits ausgetreten Pfaden (50, 75). Zum
Mythos des unerschrockenen Reisens gehören Bilder einer
gefährlichen Wildnis. Doch nur in den großen Flüssen
fanden die schießwütigen Europäer Nilpferde und Krokodile
als Zielscheiben, im Westen Zentralafrikas waren Wild und Vögel schon
derart selten geworden, dass die Reisenden erst nach Wochen oder Monaten
einmal ein wildes Tier sahen, das dann zumeist auch noch einer
ungefährlichen Spezies angehörte. Jagd-Anekdoten interpretiert
Fabian als gattungsbedingte Elemente der Reisebeschreibung, die den Bedarf
an Abenteuern abdecken sollten. Er findet hier in der Schilderung von
Misserfolgen durchaus auch eine selbstironische Haltung, die ihre kritische
Wirkung selbst dann zu entfalten vermag, wenn die ganze Geschichte rein fiktiv
ist aus Mangel an Wild vermutlich (125, 335). Wer glaubt, dass die
Karawane einer Expedition sich vornehmlich durch ihre Beweglichkeit auszeichnet,
erfährt das Gegenteil: Da die europäischen Reisenden so gut wie
ausnahmslos von Krankheiten (Malaria, roter Hund ...) heimgesucht wurden,
waren sie oft zu schwach zum Reisen oder selbst zum Getragenwerden. Ihr
Unternehmen war daher zum Stillstand verdammt. Das Fortkommen war von Desertion,
Befehlsverweigerung und Revolte bedroht (69, 194). Die Forscher fanden sich
regelmäßig in Situationen wieder, in denen sie von der einheimischen
Bevölkerung selbst ausgeforscht wurden, was sie ohne ihre eigene Position
zu reflektieren gern als Belästigung beschrieben. Sie beklagten
die afrikanische Neugier als Eingriff in ihre Privatsphäre und unterstellten
ihren Gastgebern im selben Atemzug, dass diese kein Konzept vom Privatleben
besäßen. Mit dieser Denkfigur entledigte man sich des Problems,
über die eigene penetrante Präsenz vor Ort zu Zwecken
wissenschaftlicher Beobachtung nachdenken zu müssen. Der
Gabentausch, eigentlich ein klassisches ethnologisches Thema, kommt in den
Quellen als eine der größten Plagen für die Reisenden
in Zentralafrika vor. Fabian berichtet von einem Fall von Paranoia, bei dem
der Forschungsreisende schließlich für alles, was auf seiner
Expedition schiefging, Afrika und die Afrikaner verantwortlich machte (70,
85, 249ff.). Für manche waren Verständigungsschwierigkeiten
Anlässe für Wutausbrüche und rassistische Beschimpfungen,
mit denen die eigene kommunikative Inkompetenz oder zumindest die Ignoranz
auf dem Gebiet semantischer Feinheiten kompensiert wurden (270).
Langsam aber sicher drohte bei einer solchen Fremdwahrnehmung, dass die Reisenden
in Zustände der Frustration, Erbitterung, Aufregung und Wut gerieten,
die in ekstatischer Gewalt gipfelten. Die Reisenden verwickelten sich offenbar
regelrecht in eine Kultur der Gewalt, inszenierten
Prügelstrafen in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt um ihre eigene
Macht zu demonstrieren. Es konnte sogar geschehen, dass die Forschungsreise
zu einer Strafexpedition mutierte (197ff., 202), um das widerspenstige Objekt
des ethnographischen Begehrens gefügig zu machen. Zumindest aber benahmen
sich die Forscher wie Schaubudenbetreiber, wenn sie sich stereotyp zu Handlungen
hinreißen ließen, die unter der Rubrik épater les
indigènes firmieren. Es ging darum, die Eingeborenen zu beeindrucken,
zu schockieren und in Furcht zu versetzen, indem man ihnen zum Beispiel einen
Phonographen präsentierte, um damit letztlich nichts anderes zu tun,
als angesichts der furchtbaren Macht des Unbekannten die eigene Macht so
weit wie nur möglich aufzublähen (146, 157f.). Man kann sich gut
vorstellen, wie sich die Forscher über den Effekt ihrer akustischen
Attacke auf den Anderen amüsierten. Dagegen empfanden die Reisenden
Tänze und vor allem die Musik der Eingeborenen, wenn sie unkontrolliert
in ihre Ohren drang, als Lärm, geeignet, sie in den Wahnsinn
zu treiben (159ff.).
Fabian unterstreicht, dass der Imperialismus ein theatralisches
Unternehmen war, eine Inszenierung mit Hilfe von Requisiten wie Tauschwaren
(die berühmten Glasperlen), von Flaggen und Uniformen, von
Militärparaden zur Schaustellung der Macht europäischer Waffen
(167f., 174). Vom Mythos einer heroischen Suche im Dienst der
Wissenschaft bleibt nach der Lektüre von Fabians Buch, das sich
als eine Kritik der imperialistischen Vernunft versteht, im Grunde
nur noch die Unvernunft übrig (79ff.). Am Ausgangspunkt
der Reise stand das Reisefieber, unterwegs machten Depressionen
und Nervenzusammenbrüche den Reisenden zu schaffen (91, 93). Solche
ekstatischen Zustände bildeten Einfallstore für die Entwicklung
von unkontrollierten Beziehungen der Europäer zu den Afrikanern, um
ihnen entgegenzuwirken, versuchten die Entdecker, sich einer
Hygiene zu unterwerfen. Nur etwa die Hälfte der Reisenden
überlebte den Aufenthalt, und auch die Versuche, die Angst vor dem Tod
durch irrationale Hoffnungen zu überwinden, zählt Fabian zu den
ekstatischen Elementen in ihrer Begegnung mit Afrika (108f.).
Das Regime der Hygiene erstreckte sich auch auf die Kontrolle
sexueller Energien. Bei dem Forschungsreisenden, der die erotische
Spannung an sich heranließ, konnte das Verhältnis zu den
Afrikanern derart außer Kontrolle geraten, dass die von ihm verlangte
Wissensproduktion ekstatische Züge annahm (114). Der Normalfall war
die Herabsetzung der Afrikaner als schmutzige Wilde, an deren
knochigen Frauen nur Hängebrüste baumeln
und die von fetten Potentaten beherrscht werden. Paradoxerweise
aber wird die Ethnographie gleichzeitig zu einer bedeutenden Lieferantin
von Soft-Pornographie, indem sie zu ihren populären Publikationen
einschlägige wissenschaftliche Illustrationen beisteuerte.
Die Überwältigung durch die exotische Schönheit rechnet Fabian
zu den ekstatischen Erfahrungen, die zumindest augenblicksweise die
Pseudorationalität eines tiefverwurzelten Rassismus durchbrechen konnten
(315f.).
Der sprachliche Imperativ verlangte von den Afrikaforschern die
Fähigkeit, mit den Afrikanern direkt und möglichst ohne die Hilfe
von Übersetzern zu kommunizieren. Dem Begehren, Informationen zu gewinnen,
stand als eine Form des Widerstandes die gezielte Desinformation gegenüber.
Das schlug sich in den Reiseberichten im Bild vom Dolmetscher als einem
verlogenen Halunken nieder. Diese Projektion hat in der Tat etwas
entschieden Irrationales und Irres, vor allem wenn man ihr
entgegenhält, dass für die Europäer ihre eigenen
Täuschungsmanöver und Manipulationen (Übervorteilung beim
Warentausch etc.) keinen Anlass für Zweifel an der eigenen Redlichkeit
boten. Um also an authentische Informationen heranzukommen, legte
man - auch durchaus als Maßnahme tropischer Hygiene -
Wörterverzeichnisse von Eingeborenensprachen an. Irgendetwas musste
man schließlich tun, um der sich bei einem Aufenthalt in Afrika
zwangsläufig einstellenden Langeweile Sinn zu verleihen. Harmlos war
diese Tätigkeit keineswegs. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts
wurde die Unterscheidung afrikanischer Sprachen ein wichtiges Instrument
der Reterritorialisierung Afrikas durch die Kolonialmächte, die
linguistische bildete die Basis für die ethnische und schließlich
die politische Segmentierung (176, 181f., 185, 278f.). Dazu kam die Kartographie
der entdeckten Gebiete. Doch dass es auch bei dieser scheinbar exakten
Wissenschaft nicht immer mit rechten Dingen zuging, zeigt der Bericht von
Schütz, der ab einem bestimmten Punkt schlicht in Fiktion umschlug -
wobei der Autor die scheinbar genauesten, aber lediglich sorgfältig
gefälschten Karten seiner Reise benutzte, um zu suggerieren, dass er
wirklich dort gewesen sei. Dort bedeutet in diesem
Fall das Land der Baschilange oder Luba, die einen Cannabis-Kult als
Gemeinsamkeit stiftendes Kulturem pflegten, um sich als politische Einheit
zu formieren. Paul Pogge, ein Teilnehmer der Expedition von Wissmann, ließ
sich bei ihnen sogar auf einer Station nieder. Als er es dem Tode nahe gerade
noch bis zur Küste schaffte, gab er die Anweisung, man möge seine
kostbaren Aufzeichnungen vernichten. Aus europäischer Perspektive scheint
er die Kontrolle über seinen Verstand verloren zu haben (208ff., 217,
232f., 272f.). Solche vereinzelten Versuche, Informationen dem Zugriff der
Kolonialmächte zu entziehen, wie sie sich bei Schütz und Pogge
finden lassen, ersparten den Baschilange allerdings nicht, in den Mahlstrom
des imperialistischen Projekts hineingerissen zu werden. Pogges und Wissmanns
Freundschaft zu den Baschilenge entstand in einer ekstatischen Situation,
als sich ihre Expedition in einer verzweifelten Verfassung befand, außer
Kontrolle infolge von Desertion, Krankheit und Geldmangel. Fabian spricht
von einer utopischen Begegnung zwischen dem Westen und Afrika auf gleicher
Ebene. Das traurige Ende verschweigt er nicht: die Expedition
reorganisierte sich und erfüllte ihre imperialistische Mission. Wissmann
tat sich später als einer der ersten hervor, die bei der
Aufstandsbekämpfung in Deutsch-Ostafrika das Maxim-Maschinengewehr einsetzte
(cf. 240f., 361, 369f.).
Indem die Afrikareisenden versuchten, den Forderungen von Museen und Sammlungen
in den Metropolen nachzukommen, konstruierten sie das ethnographische Objekt
(260). Beim Sammeln kann von Wissenschaftlichkeit keine Rede sein, rafften
die Forscher doch lediglich mehr oder weniger willkürlich zusammen,
was sich am Wegesrand gerade anbot. Wenn sie beim Produzieren von Wissen
Listen, Terminologien und Wörterverzeichnisse aufschrieben, dann ging
es dabei in erster Linie darum, ihren Bericht mit ethnographischer
Autorität auszustatten. Es kam bei ihrer Reproduktion im Bericht in
erster Linie auf einen vordergründigen Effekt beim Leser an, die sprachliche
Kompetenz der Verfasser konnte sowieso niemand überprüfen. In manche
Berichte wurden sogar ganze einheimische Texte, zum Beispiel Fabeln, Lieder
oder gar Aufzeichnungen von Dialogen in der Originalsprache montiert. Für
Fabian handelt es sich bei der Mehrzahl dieser angeblich authentischen Texte
um Zugeständnisse an die Konventionen des realistischen Schreibstils
(267f., 336).
Was kann man denn dann eigentlich noch aus diesen Texten herausziehen? -
Die Reise nach Afrika dürfte für die meisten Reisenden
zu einer Reise in ihr Ich geworden sein (130). Fabian hat einmal
mehr gezeigt, dass man aus Reiseberichten, wenn überhaupt dann am ehesten
etwas über die Mentalität ihrer Verfasser erfährt. Seine Hypothese
lautet, dass die ethnographische Realität weniger in den
verifizierbaren Behauptungen einer Reisebeschreibung als in den
Veränderungen, die sie bei Forschern als vernunftbegabten menschlichen
Wesen bewirkte, erscheine (319). Die modernen Zivilisierten, die Afrika
als primitive Wildnis imaginierten, entpuppten sich als diejenigen, die mit
aggressiver Wildheit die imperialistische Expansion vorantrieben (223). Die
Forschungsreisen als Mythos zu entdecken, soll zu einem
kritischen Verständnis der Anthropologie von heute führen.
Der Mythos von der rationalen wissenschaftlichen Forschung gibt seine eigene
Gegengeschichte überraschend bereitwillig preis, die Irrationalität
ist in zahlreichen Belegen gut dokumentiert. Da waren sie aus der Metropole
in die Wildnis gereist, ausgestattet mit hehren Instruktionen und
wissenschaftlichen Instrumenten, die dann entweder gar nicht funktionierten
oder erst manipuliert werden mussten, um zu umso zweifelhafteren Ergebnissen
zu führen. Ernsthafte wissenschaftliche Forschung, die einen längeren
Aufenthalt erfordert hätte, war unter dem Zeitdruck, der von den
Auftraggebern ausging, unmöglich zu leisten. Man konkurrierte mit den
Vertretern anderer Nationen und geriet unter diesem Druck allein schon an
den Rand des Wahnsinns. Dieses Von-Sinnen-Sein ist eine nicht
zu unterschätzende Dimension der wissenschaftlichen Produktion von Wissen
über Andere, die sich von dieser nicht ablösen lässt. Ekstase
und Wissenschaft lassen sich nicht einfach voneinander trennen, die eine
muss nach Fabian geradewegs als Möglichkeitsbedingung der
anderen begriffen werden (362-367, 371).
Der Autor legt am Ende Wert auf die Feststellung, dass der widersprüchliche
und wahnsinnige Charakter des von ihm beschriebenen Projekts der Erforschung
Zentralafrikas nicht dazu herhalten darf, die Ethnographie und den Imperialismus
aus der Affäre zu ziehen, indem man auf Unzurechnungsfähigkeit
plädiert (372). Genau das geschah, als der Tropenkoller
(ein Term, den Fabian in seinen Quellen nicht gefunden hat, der aber das
von ihm untersuchte Phänomen gut zum Ausdruck bringt, vgl. Anm. 3, S.
383f.), im kolonialistischen Diskurs des Deutschen Kaiserreichs zu den
Kinderkrankheiten der imperialistischen Expansion stilisiert
wurde. Lesern von Conrads Herz der Finsternis ist dieser irrsinnige Horror,
der den imperialistischen Eindringling nach Afrika befällt, schon ein
Begriff, das Umkippen der philanthropischen Mission in Exterminatorismus.
Zu verweisen wäre an dieser Stelle flankierend auf das Buch des
österreichischen Expressionisten Robert Müller aus dem Jahr 1915
mit dem Titel Tropen. Der Mythos der Reise. Handlungsort ist zwar
Südamerika, aber auch hier wütet der Tropenkoller in einer Expedition,
und die erklärte Absicht dieses literarischen Reiseberichts ist es,
Auskunft zum Durchdrehen der Nerven im Dschungel zu geben. Dieses literarische
Werk verfolgt damit auffällig ähnliche Ziele wie Fabians
Meta-Anthropologie. Dieser betont die Ähnlichkeiten zwischen seinen
Quellen und der Literatur, indem er sich bei der Analyse dann auch
literaturwissenschaftlicher Methoden der Ausdifferenzierung von Gattungen
bedient (cf. 321ff.). Eine Konsequenz könnte sein, die diskursiven Schranken
zwischen ethnographischen und literarischen Texten einfach auch einmal ganz
einzureißen und beide in eine komparative Betrachtung einzubeziehen.
Rezensiert für
H-Soz-u-Kult
von:
Schwarz, Thomas,
<paros@KMUCC.KMU.AC.KR>
Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Vera Ziegeldorf <ZiegeldorfV@geschichte.hu-berlin.de>
Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>
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