Rezensiert für H-Soz-u-Kult von Konrad Canis
Das Handbuch, dessen erster Band vorliegt, soll alle Angehörigen des höheren Auswärtigen Dienstes des Deutschen Reiches zwischen 1871 und 1945 mit knappen biographischen Angaben erfassen und vorstellen: aus dem Auswärtigen Amt von den Ministern und Staatssekretären bis zu den Wissenschaftlichen Hilfsarbeitern und Referenten, aus den Auslandsmissionen Botschafter, Gesandte, Konsuln sowie Sachverständige für Handel, Wirtschaft, Kultur und Presse. Vier weitere Bände sollen im Abstand von jeweils etwa zwei Jahren folgen, so daß das Werk in etwa zehn Jahren vollständig zu benutzen ist.
Bereits an dem ersten Band läßt sich ablesen, welches wichtige Hilfsmittel das Handbuch darstellt. Das gilt erstens für Forschungsarbeiten zur Geschichte der Außenpolitik des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und des nationalsozialistischen Deutschlands. Bislang war es ein sehr zeitaufwendiges Unterfangen, Angaben zu den weniger im Zentrum des Geschehens stehenden Personen, die im auswärtigen Apparat tätig waren, zu erhalten. Zweitens ist für behördengeschichtliche Arbeiten, vor allem für eine noch ausstehende Gesamtdarstellung der Geschichte des Auswärtigen Dienstes, eine wichtige Grundlage geschaffen.
Die Benutzung des Handbuches wird durch die informative, von den Herausgebern - langjährigen leitenden Mitarbeitern des Historischen Dienstes bzw. des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes - verfaßte Einleitung erheblich erleichtert. Zum einen wird der Aufbau des Handbuches (Kriterien der Auswahl der Personen, Quellen, Grundsätze der Datenerfassung, Struktur der Biographien) beschrieben. Im zweiten Teil erfolgen behördengeschichtliche Hinweise zu Organisation und Personalstruktur des Auswärtigen Dienstes.
Die wichtigste Quelle für das Werk sind die zum ersten Mal durchgängig ausgewerteten Personalunterlagen des Auswärtigen Amtes, die weitgehend vollständig allerdings nur für die höheren Beamten und Angestellten erhalten geblieben sind, die vor 1943 aus dem Dienst ausgeschieden waren. Die Personalakten der in diesem Jahr noch aktiven Angehörigen der Behörde wurden bei einem Luftangriff vernichtet, so daß für diejenigen im Jahre 1944 von ihnen ausgefüllte Personalbögen herangezogen werden mußten.
Die Biographien selbst beschränken sich in standardisierter Form auf Daten und Fakten und verzichten auf alle Kommentare und Interpretationen. Aufgenommen sind Angaben zu den Namen, Lebensdaten, der Staatsangehörigkeit, der Konfession, den Eltern, dem Familienstand, den Kindern, dem Bildungsgang, den Tätigkeiten vor Eintritt in das Amt und ggf. nach dem Austritt aus demselben, der Parteizugehörigkeit, den politischen Ämtern und Mandaten. Danach folgen die im Zentrum der Darstellung stehenden ausführlichen Angaben zu der Karriere im Auswärtigen Dienst selbst. Abschließend stehen Angaben, die allerdings unvollständig bleiben, zu Publikationen des Beamten bzw. über ihn und Hinweise auf Nachlässe. Soweit vorhanden werden Porträts abgebildet.
Der behördengeschichtliche Teil der Einleitung beschreibt die Struktur der Leitungsebene des Auswärtigen Amtes und der Abteilungen sowie die Personalstruktur. Die Veränderungen im Leitungsbereich sowie in den Abteilungen während dieses Dreivierteljahrhunderts resultieren nur zum Teil aus den drei unterschiedlichen politischen Systemen, die aufeinander folgten. Vor allem der anwachsende Geschäftsbetrieb hat die Abteilungen sich ausdehnen lassen. Dennoch blieb die Grundstruktur in den drei Hauptperioden weitgehend erhalten. Im Kaiserreich gab es die Politische Abteilung, die Abteilung Personal und Verwaltung und die Handelsabteilung über die gesamte Zeit, die Rechtsabteilung seit 1885, die Kolonialabteilung von 1890 bis zur Einrichtung des Reichskolonialamtes 1907, die Abteilung Konsulate seit 1903 und die Abteilung Nachrichten nur während des Weltkrieges. Während der Weimarer Republik bestand nicht mehr die eine große Politische Abteilung, sondern es existierten mehrere Abteilungen, die sich nach territorialen und politischen Schwerpunkten ausrichteten. Diese Aufgliederung wurde 1936 aufgehoben und die alte Struktur der Kaiserzeit weitgehend wiederhergestellt. Diesem Abschnitt über die Abteilungen schließen sich Ausführungen über die Auslandsvertretungen und ein kurzer Abschnitt an, der auf die heutige Behördenstruktur, den Auswärtigen Dienst nach 1945, überleitet.
Das Werk stellt nicht allein Hilfsmittel dar, es besitzt für
behördengeschichtliche Analyse bereits eigenen Quellenwert. Das gilt
beispielsweise hinsichtlich der parteipolitischen Gebundenheit des Dienstes.
Die Erkenntnisse beschränken sich freilich auf die Zugehörigkeit
zur NSDAP. Denn erst nach 1933 sind die aktiven Beamten nach ihrer
Parteizugehörigkeit gefragt worden. Immerhin fällt es auf, wie
viele vor allem der jüngeren Beamten der NSDAP angehörten bzw.
in den 30er Jahren in diese Partei eintraten.
Rezensiert für
H-Soz-u-Kult
von:
Canis, Konrad,
<Canis14@aol.com>
Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Michael Lemke <lemkem@geschichte.hu-berlin.de>
Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>
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