Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Holm Sundhaussen: Hochschulrahmengesetz

Die Debatte über das neue HRG ist spät gekommen. Aber nun ist sie da. Sie konzentriert sich im wesentlichen auf die neue Befristungsregelung (§ 57). Dabei hat es sowohl Fehlinformationen (z.B. die Anrechnung von stud. Hilfskraftzeiten) wie sprachliche Entgleisungen gegeben. Die Befristung auf 12 Jahre in Verbindung mit weiteren befristeten Tätigkeiten nach dem TzBfG ist weniger dramatisch als es den Anschein hat. So erfüllen i.d.R. Drittmittelprojekte, die im sog. Normalverfahren von der DFG bewilligt wurden, die Anforderungen des TzBfG.

Was in der Debatte weitgehend untergegangen ist, aber für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Zukunft der Hochschulen von schwerwiegender Bedeutung sein wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass weniger die heute Habilitierten und sonstigen Repräsentanten des wiss. Nachwuchses zu den „Opfern“ des neuen HRG gehören als eine Gruppe, die bisher noch gar nicht existiert. Gemeint sind die künftigen JuniorprofessorInnen. Sie können nach Ablauf ihrer befristeten Beschäftigung die Hauptbenachteiligten der Reform werden. Die Aufgabenlast, mit der sie konfrontiert sind (volles Lehrdeputat, Prüfungen, Beteiligung an der akad. Selbstverwaltung, Einwerbung von Drittmitteln), schränkt die Möglichkeiten ihrer wissenschaftlichen Weiterqualifizierung drastisch ein und benachteiligt sie gegenüber wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Das Benachteiligungsszenario kehrt sich damit geradezu um. Die Chancen der JuniorprofessorInnen, vor oder nach Ablauf ihrer befristeten Beschäftigung auf eine Lebenszeitprofessur berufen zu werden, schwinden dahin. Zwar heißt es in § 44, Abs. 2, dass die zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen, die eine Einstellungsvoraussetzung für ProfessorInnen sind, „in der Regel“ im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht werden sollen. Sie können aber auch im Rahmen einer Tätigkeit als wiss. MitarbeiterIn geleistet werden. Die Bewertung erfolgt „ausschließlich und umfassend“ im Berufungsverfahren. Das bedeutet, dass wiss. MitarbeiterInnen (und eben auch Habilitierte, selbst wenn die Habilitation keine Rolle mehr spielt) bessere Berufungschancen haben als die mit Aufgaben überfrachteten und einer rigorosen Selbst- und Fremdausbeutung unterliegenden JuniorprofessorInnen. Die neue Regelung bietet den Hochschulen deutliche Vorteile im Vergleich zur bisherigen Situation: Juniorprofessuren sind preiswerter als Dauerprofessuren, sie sind befristet und sorgen für stetige Rotation und Innovation. Doch ein Großteil der JuniorprofessorInnen wird auf der Strecke bleiben. Sie sind die eigentlich Bedrohten der Reform. Aber da es sie noch nicht gibt, können sie sich auch nicht wehren. Und ein Embryonenschutz für diese Gruppe existiert ebenfalls nicht.

Prof.Dr. Holm Sundhaussen
Osteuropa-Institut, Freie Universität Berlin


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Holm Sundhaussen <sundhaus@ZEDAT.FU-Berlin.DE>
Subject: Hochschulrahmengesetz
Date: 01.02.2002