Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Bericht von einer Anhörung zum HRG im Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages, 17.04.2002

Am 17.4. hat im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschaetzung des Deutschen Bundestages eine Anhoerung zum HRG stattgefunden. Anlass waren verschiedene Antraege zu neuen Initiativen (Masterstudiengang, Gebuehrenfreiheit), die am 24.4. abschliessend beraten werden; den breitesten Raum nahm allerdings die "Befristung" ein, obschon hierzu kein Gesetzentwurf vorlag. In der Presse wurde nur kursorisch berichtet. Daher moechte ich Ihnen ueber diesen - wissenschaftspolitisch und biographisch bekanntlich entscheidenden - Punkt den Stand der Dinge mitteilen, wie er sich mir als Zuhörer darbot.

Vorab die gute Nachricht: Das Bohren dicker Bretter, die Proteste und Diskussionen scheinen nicht gaenzlich sinnlos, die Dinge sind immerhin in Bewegung geraten.

Das Procedere sieht vor, dass jede Fraktion maximal 2 Fragen an die (von den Fraktionen eingeladenen) Sachverstaendigen stellen kann. Waehrend sich die Vertreter der CDU/CSU hiervon nur sparsam Gebrauch machten, und die der PDS sich eher fuer Details interessierten, waren die Fragen, die aus dem Regierungslager kamen, hoechst aufschlussreich. Denn entgegen der bisherigen Uebung, die betroffenen Wissenschaftler und Justiziare gnaedig zu bescheiden, sie haetten die Weisheit des Gesetzgebers nicht erfasst ("Panikmache" etc.), wurde hier endlich die Kritik punktuell aufgegriffen.

Dr. Eckardt (SPD) und Dr. Loske (B90/G) wollten wissen, ob Drittmittelforschung im Rahmen des § 14 TzBfG noch gewaehrleistet ist, oder ob es dazu einer Aenderung des HRG (§ 57) bedarf. Ähnlich fragte Tauss (SPD) nach der Rechtslage; Flach (FDP) brachte einen Wissenschaftstarif ins Spiel. Heiterkeit auf der Zuschauerbank erntete Loske, als er seine Einsicht, "der wissenschaftliche Arbeitsmarkt (hat) seine eigenen Gesetze", mit der Frage verband, wie denn die "Wartezeit" zwischen Habilitation und Professur zu "überbruecken" sei. Dies mag in der Tat eine weltfremde Einengung des sozialen Blickes auf normalbiographische Karrieremuster verraten, indes war durchaus der gute Wille im Regierungslager spuerbar (jedenfalls bei den Abgeordneten, die das Wort fuehrten).

Wenn denn ein solches Anhoerungsverfahren tatsaechlich der Meinungsbildung dient, muss dieser gute Wille durch die Sachverstaendigen enorm bestaerkt worden sein. Denn die Anworten zeigten eine seltene Einmuetigkeit. Die befragten Experten (u.a. Dr. Giesecke, Fraunhofer; Koehler, GEW; Prof. Landfried, HRK; Neumann, WZ Berlin; Prof. Priddat, Witten/Herdecke; PD Schmitt, Bielefeld; RA Zeissig, Berlin) stimmten grosso modo in drei Punkten ueberein: 1.) eine 12-jaehrige "Qualifikationsphase" ist als Regelfall sinnvoll. 2.) Es muessen brauchbare "Uebergangsregelungen" her. 3.) Projekt- bzw. Drittmittelforschung darf nicht durch den Bund torpediert werden; da die Rechtslage unsicher ist, ist das TzBfG oder das HRG entsprechend zu novellieren und/oder langfristig ein spezieller Wissenschaftstarif anzustreben. Landfried, der noch unlaengst in flapsiger Manier die Bulmahn-Novelle verteidigt hatte, zog das Fazit: "besser befristet als arbeitslos!" Die Wertbezuege, die den Stellungnahmen zugrunde lagen, konnten dabei unterschiedlicher kaum sein. Entsprechend waren die Akzente und die Wortwahl (ordnungs)politisch gefaerbt. So betonte Koehler die Notwendigkeit einer "nachhaltigen Personalpolitik", die auch wieder einen Mittelbau schaffen muesse, waehrend Priddat fuer ganz neue "Kontraktformen" in der Wissenschaft plaedierte. Umso eindruckvoller die Uebereinstimmung in den drei Kernpunkten. Ein prinzipiell abweichendes Votum gab einzig Prof. Lipke vom LAG Niedersachsen (!), indem er die Bulmahn-Preis´sche Sicht wiedergab: wer nach 12 Jahren nicht Professor/in ist oder werden will, ist auszumustern; im übrigen (und im Widerspruch dazu) sei Projektforschung durch das TzBfG gedeckt.

Ginge es also nach der breiten Mehrheit der Sachverstaendigen und wohl auch etlicher Parteienvertreter im Ausschuss, stuende einer Reparatur des HRG in diesem Punkt nichts mehr im Wege. Indes, zum Schluss die schlechte Nachricht: Der Einfluss der Parlamentarier ist bekanntlich begrenzt. Nach allem, was gespraechsweise zu erfahren war und was bislang aus dem Bunker des Bildungsministeriums verlautbart wurde, ist nicht damit zu rechnen, dass Edelgard Bulmahn ihr wissenschafts-, arbeitsmarkt- und parteischaedigendes Verhalten einer Ueberpruefung unterzieht. Zumindest bis zum Herbst wird weiter par Ordre du Mufti regiert. So bleibt nur die Hoffnung auf einen Amtswechsel, sei es aufgrund neuer Mehrheiten oder eines Revirements. Bis dahin jedenfalls ist die rechtliche Ausgestaltung von Projektforschung der Findigkeit der Betroffenen und den Arbeitsgerichten ueberlassen.

PD Dr. Hasso Spode
FU Berlin - WS-IfT


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

Date: 25.04.2002