Nun ist es Realitaet. Hunderte von exzellent qualifizierten Wissenschaftlern werden aufgrund des neuen Hochschulrahmengesetzes in den naechsten Monaten ihren Job verlieren. Zur Rede gestellt, zuckt man im Bundeswissenschaftsministerium gelangweilt die Achseln und ergeht sich in Werbeprosa fuer den "Juniorprofessor", das "Leistungsprinzip" oder die ersehnte "Innovationskultur". An Worthuelsen herrscht jedenfalls kein Mangel, wohl aber an konkreten Vorschlaegen, wie man mit den Konsequenzen des mittlerweile beruechtigen § 57b umgehen soll.
Ulrich Herbert ist zuzustimmen, wenn er den beispiellosen Zynismus der Minsterialbuerokratie kritisiert, und er hat den rechten Ton getroffen. Denn mit vorsichtiger Taktiererei ist bei dickfelligen Buerokraten und selbstgefaelligen Hochschulpolitikern schier gar nichts auszurichten. Bei seinem engagierten Plaedoyer fuer Kettenvertraege sollte man freilich nicht vergessen, daß die Zahl wissenschaftlicher Dauerstellen in Deutschland gering ist und zudem bestaendig sinkt. Die zentrale Ursache hierfuer ist ein rigoroser Sparwille der Landesregierungen, der selbst an leistungsfaehigen und traditionsreichen Universitaeten wie Tuebingen zu drakonischen Einschnitten fuehrt. Wie immer man zur massenhaften Ueberfuehrung von Wissenschaftlern Anfang der siebziger Jahre stehen mag, ein Universitaetssystem kann ohne eine ausreichende Zahl von Dauerstellen im Funktionsbereich nicht gedeihen. Von der Studentenbetreuung bis zur Organisation der Fachbibliotheken und Labors braucht es kontinuierliche und sorgfaeltige Arbeit, die nicht gleichsam nebenher auf dem Weg zum Ordinariat zu erledigen ist.
Die Schmerzgrenze duerfte jedenfalls erreicht sein. Allein schon die Tatsache, wie menschenverachtend tuechtige Forscher "verschrottet" werden sollen, wird manchen unersetzbaren Spezialisten zur Emigration veranlassen. Vermutlich glaubt man in Regierungskreisen, es existiere ein politisches Naturgesetz, wonach Deutschlands geistes- und sozialwissenschaftliche Privatdozenten stets fuer Rot-Gruen optieren. Doch warum sollten sich die Angehoerigen der geburtenstarken Jahrgaenge fuer eine Regierung einsetzen, die ihre Lebensaussichten zerstoert? Das Wahljahr 2002 gibt immerhin die Moeglichkeit fuer einen Denkzettel. Aber vielleicht besteht noch eine kleine Hoffnung, daß eine "Allianz der Vernuenftigen", zu der gewiß auch Olaf Henkel zaehlt, das groebste Unrecht verhindert.
Dr. Ulrich Sieg, Privatdozent Universität Marburg
Dr. Anne Chr. Nagel, wiss. Angestellte, SFB Universität Gießen