Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Stefan Scheil:  Reaktion auf HRG (Stellungnahme zu Roland de Beauclair)

Roland de Beauclair schrieb:

"Ich bin enttäuscht und entsetzt über die fahrlässige Wortwahl von promovierten und habilitierten Historikern. Ebenso oder gar noch mehr bin ich enttäuscht, daß es zu den angesprochenen Fauxpas keinerlei kritische Stellungnahme in der Liste gab."

Roland de Beauclair hat sicher zum Teil recht, wenn er die aufgeregte Wortwahl vieler betroffener Nachwuchshistoriker kritisiert. Hier scheint sich m.E. neben der Kritik an der neuen Gesetzeslage auch viel latenter Ärger über die eigenen Versäumnisse vieler Privatdozenten Luft zu machen. Es ist doch nichts neues, daß es wesentlich mehr Akademiker gibt, als jemals Stellen bereit gestellt werden können, und das besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wer diese Berufe ergriffen hat, konnte sich schon vor 15 oder 20 Jahren die geringen Chancen ausrechnen, selbst bei allerbesten Leistungen jemals eine unbefristete Festanstellung erreichen zu können und damit einen Status zu erreichen, wie er in unserer Gesellschaft sonst selbstverständlich ist. Sich nur darauf zu verlassen, diesen Mangel irgendwie innerhalb der Universität mit Drittmitteln und Zeitverträgen kompensieren zu können, war zu jedem Zeitpunkt äußerst kurzsichtig und zeigt die mangelnde Bereitschaft vieler Wissenschaftler, ihre Erkenntnislust auch einmal auf sich selbst anzuwenden. Viele haben sich in der Erwartung, es werde immer so weitergehen, in eine Situation gebracht, in der eine kleine Gesetzesänderung katastrophale Folgen für sie hat. Heutzutage scheint diese Scheu vor Selbstkritik und Eigeninitiative ein äußerst deutsches Phänomen zu sein - ebenso wie der Rückgriff jeder gereizten Interessengruppe auf Anspielungen auf die totalitären Zeiten, unter Verwendung von Begriffen wie "Zwangsarbeit" und "Menschenmaterial". Dies gehört zu den post-nationalsozialistischen Topoi, die auch in Akademikerkreisen unreflektiert benutzt werden, und - wie Roland de Beauclair richtig schreibt - im Grunde eine Verhöhnung der Opfer sind.

Ich habe mich der Initiative der Nachwuchshistoriker damals angeschlossen, weil ich mir dort den Start einer offensiv geführten Debatte über die Zukunft der hoffnungslos verkrusteten Geschichtswissenschaft an den deutschen Universitäten versprochen hatte. Davon konnte in den letzten eineinhalb Jahren leider keine Rede sein. Selbstmitleid herrscht vor.

Freundliche Grüße

Dr. phil. Stefan Scheil


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Stefan Scheil" <Stefan.Scheil@gmx.net>
Subject: Re: Reaktion auf HRG (Stellungnahme Roland de Beauclair)
Date: 25.01.2002