Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Stellungnahme der Mittelbauversammlung des Historischen Seminars der Universität zu Köln, die Anfang Februar an den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, die Bundesministerin für Bildung und Forschung sowie die Experten aus den Fraktionen gesandt wurde.

1. Die in der Neufassung des Hochschulrahmengesetzes vorgesehene Beschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf maximal 12 Jahre lehnen wir ab. Die in befristeten Beschäftigungsverhältnissen tätigen Angestellten, Assistentinnen und Assistenten sowie Privatdozentinnen und Privatdozenten tragen durch ihre Forschung wesentlich zum wissenschaftlichen Profil der Universitäten bei und leisten einen erheblichen Teil der regulären Lehrtätigkeit. Bei ständig sinkender Stellenzahl steigt in Köln die Zahl der Studierenden weiter an. Die Beschränkung der Beschäftigungsverhältnisse entfernt eine ganze Generation hochqualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Hochschulbetrieb und dezimiert Qualität und Quantität der Lehre. Wir fordern daher die Rücknahme von § 47 und § 57 des Hochschulrahmengesetzes in ihrer derzeitigen Form.

2. Besonders problematisch erscheint uns die in § 57c vorgesehene Einbeziehung der durch Drittmittel finanzierten befristeten Beschäftigungsverhältnisse in die in § 57b vorgesehene Regelung. Damit werden einerseits Drittmittelprojekte nachträglich zu Lasten der Betroffenen angerechnet; andererseits verlieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit, mit Hilfe eigener Forschungsaufträge oder -stipendien nach Ablauf der zwölf Jahre weiter an der Universität befristet arbeiten zu können. Die Gewährung von Drittmitteln würdigt die Qualität der beantragten Forschungsvorhaben und die Befähigung der Antragstellerinnen und Antragsteller. Die vorgesehene Regelung vertreibt gezielt wegweisende Forschung sowie exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der deutschen Universität. Die Einwerbung von Drittmitteln galt außerdem bislang als ein erwünschter Effekt hochschulpolitischer Reformbestrebungen und als Ausweis leistungsorientierter Forschung und Lehre. Die Beschränkung befristeter Beschäftigungsverhältnisse konterkariert diese Bemühungen auf ganzer Linie.

3. Die in § 57d vorgesehene Ausdehnung der Beschränkung befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gefährdet vollends die Lebensplanung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Qualität des Forschungsstandorts Deutschland. Grundsätzlich fehlen in der Neufassung des Hochschulrahmengesetzes jegliche Übergangsregelungen. Der Angriff auf die befristeten Beschäftigungsverhältnisse scheint in Teilen durch ein an den Realitäten an den deutschen Hochschulen völlig vorbeigehendes gewerkschaftliches Denken motiviert. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz intendiert eine restriktive Handhabung der befristeten Beschäftigung in dem Glauben, damit Arbeitnehmerrechte zu verteidigen. Vor dem Hintergrund, dass jedoch unbefristete Stellen an den deutschen Hochschulen nur in Form der raren und zunehmend dem Rotstift zum Opfer fallenden Professuren vorhanden sind und kaum eine Universitätsverwaltung das Risiko eingehen wird, in Zukunft durch das allgemeine Arbeitsrecht zu einer Entfristung von anderen Beschäftigungsverhältnissen gezwungen zu werden, verwandelt sich dieser Arbeitnehmerschutz für die große Mehrheit des wissenschaftlichen Nachwuchses in ein Gesetz zur Förderung der hochqualifizierten Arbeitslosigkeit.

4. Die Aussicht, nach zwölf Jahren ohne eine Finanzierung dazustehen, wird nicht ohne Auswirkungen auf die Motivation und das Engagement der noch beschäftigten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bleiben. Die Bestqualifizierten unter ihnen werden nach Möglichkeit ihren Weg an ausländischen Institutionen fortsetzen. Das Ergebnis wird eine allseits spürbare Abwanderung des akademischen Nachwuchses sein, die die Qualität von Forschung und Lehre an den deutschen Universitäten nachhaltig schwächt. Gerade dies sollte durch die Reform des Hochschulrahmengesetzes verhindert werden.

5. Unser Protest gegen die derzeit geplante Neuregelung bedeutet ausdrücklich nicht, dass wir uns generell einer Hochschulreform verschließen. Im Gegenteil: die immer wieder geäußerten Ziele der Verkürzung der Qualifikationszeiten, des Aufbrechens der versäulten akademischen Strukturen und der frühen Förderung von wissenschaftlicher Eigenverantwortlichkeit finden unsere volle Zustimmung und Unterstützung. Wir wenden uns allerdings gegen die gedankenlose Umsetzung dieser Ideen. Angelsächsische Modelle sind auf unterfinanzierte deutsche Massenuniversitäten nicht ohne weiteres übertragbar.

6. Wir fordern daher die unverzügliche Rücknahme von § 47 und § 57 und eine Beteiligung der Betroffenen an der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes.

Petra Schulte
Sprecherin der Mittelbauversammlung
Historisches Seminar der Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
Tel.: + 49 221 4705254
Fax: + 49 221 4705042


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Petra Schulte" <petraschulte@web.de>
Subject: Reaktion auf HRG
Date: 20.02.2002