Johannes Willms kritisiert die Proteste gegen die geplante Beschränkung befristeter Verträge für Nachwuchswissenschaftler: Man könne nicht "allen Ernstes [behaupten], dass eine solche Fristsetzung der geisteswissenschaftlichen Forschung in diesem Lande einen kaum mehr wiedergutzumachenden Schaden zufüge".
Als Doktoranden an einem hauptsächlich
über Drittmittelprojekte finanzierten Forschungsinstitut, die
Karriereentscheidungen treffen müssen, sehen wir die Situation anders. Die
Reform beruht auf guten Absichten; Willms übersieht ihre unbeabsichtigten
Nebenwirkungen. Die "sehr großzügig bemessene Frist" (Willms) ist äußerst
knapp: Selbst für diejenigen, die eine Juniorprofessur ergattern, öffnet sich
nur ein Zeitfenster von drei Jahren, in denen sie eine Vollprofessur finden
müssen. Das mag lang erscheinen; doch die bundesweit innerhalb eines solchen
Zeitraums verfügbaren Stellen lassen sich oft an einer Hand abzählen. Für
manche Spezialisierungen ist es Glückssache, wenn überhaupt etwas frei wird.
Wer kein Glück hat, der hat die Qualifikationsphase vergeblich durchlaufen.
Auch die derzeit viel geschmähte "Projektkarriere", die für die Betroffenen
eher einen willkommenen Notbehelf darstellt als ein abzuschaffendes Übel, ist
nach der Reform nicht mehr möglich. Die zunächst individuelle
Planungsunsicherheit, die so entsteht, hat kollektive Folgen, die dem
Wissenschaftssystem Schaden zufügen werden. Das betrifft zum einen das
Problem der Abwanderung: Gerade leistungsstarke Nachwuchswissenschaftler, die
auch im Ausland gefragt sind, werden diese Möglichkeit, der neuen deutschen
Risikokarriere zu entkommen, vermehrt wahrnehmen. Zum anderen droht,
besonders bei Projektmitarbeitern, die innere Kündigung: Wer weiß, dass nach
Vertragsende eine Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Laufbahn unmöglich
sein wird - ganz gleich, wie gut seine Leistungen waren - der wird kaum noch
das große Engagement aufbringen, das Projektforschung erfordert. Die Qualität
der Forschung wird durch die Reform doppelt beeinträchtigt: durch Verstärkung
des brain drain und Demotivierung der Mitarbeiter.
Es ist seit Jahren
staatliche Politik, den Anteil drittmittelbasierter Forschung zu erhöhen;
ohne qualifizierte und motivierte Mitarbeiter lässt sich diese innovative
Form der Forschung aber auf Dauer nicht betreiben.
Die Doktoranden des Graduiertenkollegs am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung, Universität Bielefeld