bereits auf dem Aachener Historikertag im September 2000 und im Umfeld auf H-Soz-Kult gab es seit dem Aufruf von Anne C. Nagel und Ulrich Sieg im Juni 2000 eine reiche und vernehmliche Diskussion, um dieses Gesetz in seinen Folgen der Marginalisierung für den sog. Wiss. "Nachwuchs" anzuprangern und zu verhindern. (1)
Die Professoren reagierten darauf größtenteils sehr hilflos, auch auf den Mitgliederversammlungen des Historikerverbandes in Aachen , und die Betroffenen solidarisierten sich, u.a. in der fächerübergreifenden Karlsruher Initiative des Nachwuchses, die fast 4000 Unterschriften zusammenbrachte. (2) Die wurde von der rot-grünen Regierung und ihrer "Bildungsministerin" runtergeputzt. Der Sprecher Thomas Mergel kann davon wie manch anderer Betroffener und Engagierter Einiges berichten.
Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen und Herr Kollege Ulrich Herbert ist aufgewacht. Immerhin die vernehmliche Stimme eines Leibniz-Preisträgers! Wo war die Solidarität an den Universitäten vorher? Ich persönlich habe fast immer nur Bedauern gehört, daß es eben in ein paar Jahren besser würde und ich nur auf meine Chance einer Berufung warten müsse. Gerade bereite ich mich wieder auf einen Probevortrag vor, nachdem jahrelang kaum mehr eine Professoren-Stelle ausgeschrieben war. Einer kriegt den Ruf und was wird aus den anderen? Wir hatten schon mal schlimme Zeiten, in denen "Menschenmaterial" zu "Schrott" und "überflüssigem Ballast" erklärt wurde.
Brain Drain, Abwanderung ins Ausland, Nachwuchsmisere, Austrocknen der Forschung und Marginalisierung des Nachwuchses, Verschleuderung von Investitionen, alles Themen, die seit anderthalb Jahren durch die Medien gehen. Hier liegt auf Seiten der Bundesregeirung ein eindeutiger Fall von Altersdiskriminierung vor. Ich warte auf den ersten Fall einer Klage bis nach Luxemburg. Aber das scheint deutsche Tradition zu werden: auch im Gender Mainsteraming ist Deutschland ja trotz des Vertrags von Amsterdam 1997 noch europäisches Entwicklungsland - wie schon heute im Schulbereich (Pisa-Studie) bald auch im Wissenschaftsbereich. Zum Glück gibt es in diesem Jahr Bundestagswahlen. Das wird leider wohl die letzte Hoffnung sein, da die Arroganz der Regierung nicht nur in diesem Fall grenzenlos ist.
Privatdozent Dr. Guido Müller
Historisches Institut der RWTH Aachen
Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Stuttgart Wiss. Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München
Email: guido.mueller@rwth-aachen.de
(1) Vgl. Aufruf gegen die Marginalisierung einer Generation vom 10. Juni 2000 von Anne.C.Nagel@geschichte.uni-giessen.de in H-NET Liste fuer Sozial- und Kulturgeschichte und dort zahlreiche folgende Reaktionen bis zum Oktober 2000. Dann verlief die Sache wohl in den Sitzungen des Vorstandes des Historikerverbandes, in die S. Palatschek und Th. Mergel auf dem Aachener Historikertag als Nachwuchs-Vertreter gewählt worden waren, während der "Nachwuchs" sich resigniert weiter mehr wissenschaftlich als politisch anstrengte.
(2) www.wissenschaftlichernachwuchs.de
·