Constantin Goschlers Bemerkungen beduerfen einer Korrektur: Das neue HRG regelt die Befristung von Beschaeftigung im, wenn man das so nennen will, universitaeren Ausbildungsgang. Diese Regeln bedeuten nicht, dass man danach nicht mehr befristet beschaeftigt sein kann!!
Ausdruecklich sagt der Regierungsentwurf (§ 57 b, Abs. 2, 3): "Nach Ausschoepfung der nach diesem Gesetz zulaessigen Befristungsdauer kann die weitere Befristung eines Arbeitsverhaeltnisses nur nach Massgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gerechtfertigt sein." Dieser § 57 b hat fuer eine Menge Verwirrung gesorgt, und Goschler hat den Passus so interpretiert wie viele andere auch. Nach der Lektuere des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), das zum 1.1.2001 in Kraft treten wird, sieht die Sache freilich differenzierter aus. Danach gibt es naemlich eine Reihe sachlicher Gruende, die eine Teilzeitbeschaeftigung rechtfertigen (§ 14, 1 TzBfG). Das waeren "insbesondere" (der Terminus ist wichtig, weil er anzeigt, dass damit nur Beispiele genannt sind!) [und die folgenden Beispiele sind keine vollstaendige Abschrift des Gesetzestextes. Ich fuehre nur die fuer uns relevanten auf]
- Wenn der Bedarf an der Arbeitsleistung nur voruebergehend besteht. Das koennte etwa der Fall sein, wenn man voruebergehend Lehrkapazitaet braucht, weil sich unvermutet viele Studenten eingeschrieben haben. Oder eine Lehrstuhlvertretung.
- wenn die Befristung im Anschluss an ein Studium oder eine Ausbildung erfolgt, um den Uebergang in den Beruf zu erleichtern. Das ist knifflig. Nach Aussage von Vertretern des Bildungsministeriums kann das auch bedeuten, dass man befristet beschaeftigt wird, um sich auf eine Professur bewerben zu koennen. Wenn das stimmt, dann waeren die Habilitierten aus dem Schneider. Wir glauben das aber nicht, weil damit eine Art Automatismus impliziert waere, dass ein/e Habilitierte/r auch Professor/in wird.
- wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Also etwa eine befristete Stelle zur Vorbereitung des Jubilaeums der Humboldt-Universitaet.
- wenn die Verguetung aus Haushaltsmitteln erfolgt, die haushaltsrechtlich fuer eine befristete Beschaeftigung bestimmt sind. Das ist der entscheidende Passus. Er sagt naemlich nichts anderes, als dass Drittmittel, die ja per se nur befristet sind, einen sachlichen Grund fuer eine Befristung darstellen. Im alten HRG, ebenfalls § 57, stand der Passus noch expliziter; hier war naemlich das Wort "Drittmittel" ausgesprochen. Das neue HRG hat den Passus fallengelassen, weil die Regelung im TzBfG deutlich genug sei.
Diese Interpretation wurde bestaetigt durch ein Gutachten von Thomas Dietrich (ehem. Praesident des Bundesarbeitsgerichts) und Ulrich Preis (Arbeitsrechtler in Hagen und Duesseldorf): "Befristete Arbeitsverhaeltnisse in Wissenschaft und Forschung", das m.W. auch im Druck erschienen ist. Allerdings stellt diese Regelung keinen Freibrief dar, insbesondere dann, wenn ein Mitarbeiter jahrelang an derselben Uni oder demselben Institut mit im wesentlichen denselben Forschungsaufgaben beschaeftigt ist, auch wenn diese Aufgaben drittmittelfinanziert sind. Wenn man also zehn Jahre an ein und demselben Projekt arbeitet, das von verschiedenen Geldgebern finanziert wurde, dann wird es schwierig. Keine Probleme sehe ich dann, wenn man drei Jahre ein DFG-Projekt zur Sozialstruktur der SPD in der Weimarer Republik macht, dann ein VW-Projekt zur Ostpolitik in den 50er Jahren, dann ein Thyssen-Projekt zur Geschichte der Hochschulpolitik in Baden-Wuerttemberg.
Es ist also weiterhin moeglich, als Habilitierter befristet beschaeftigt zu
sein. Dennoch hat Constantin Goschler auch recht. Denn
1. Es fallen alle universitaeren Stellen weg. Das gilt insbesondere fuer
die bisherigen Uebergangsstellen, die Hochschuldozenturen oder
Oberassistenturen nach C2, die den Juniorprofessuren zugeschlagen
werden sollen. Man kann auch nicht an dem Institut, an dem man
habilitiert hat, danach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter befristet
beschaeftigt sein.
2. Das oben Beschriebene ist der Gesetzestext, der beschreibt, was
erlaubt und moeglich ist, d.h. ohne das Risiko, dass jemand sich einklagt.
Es kann aber keiner eine Univerwaltung dazu zwingen, jemanden
anzustellen, wenn sie vor irgendwas Angst hat. In Baden-Wuerttemberg
z.B. werden ehemalige Assistenten - C2 ausgenommen - prinzipiell nicht
mehr angestellt, obwohl das moeglich waere.
Das Hauptproblem liegt also zunaechst darin, dass keine befristete Regelbeschaeftigung fuer die Uebergangszeit nach der Habilitation mehr vorgesehen ist und auch die bisherige Praxis, um die Kettenvertragsregelung zu umgehen (naemlich: an einer anderen Universitaet weiterzumachen), unterbunden wird. Darin liegt u.E. die besondere Haerte fuer die Generation, die jetzt habilitiert oder schon habilitiert ist. Effektiv wird die einzige Moeglichkeit in Drittmittelprojekten bestehen. Eine Fakultaet kann nicht mehr sagen: wir wollen den behalten, bis er eine Professur hat. Das zweite Problem liegt in der Realisierung der bestehenden gesetzlichen Moeglichkeiten: Duerfen und Wollen ist oft ein Unterschied. Hier wird viel darauf ankommen, wie man auf die Hochschulverwaltungen einwirkt, denen diese Gesetzeslage oft nicht einmal klar ist. Die Einstellungspraxis unterscheidet sich von Uni zu Uni, welbst wenn die Rahmenbestimmungen (etwa in einem Bundesland) identisch sind. Hier muss man auf die Formulierung der landesrechtlichen Umsetzung achten und die eigene Hochschulleitung und - verwaltung von der Moeglichkeit ueberzeugen.
Fuer diejenigen, die sich dazu weiter informieren wollen:
Am naechsten
Freitag, 19.10.2001, 15.30-18.00
findet eine Anhoerung statt, die von der Dienstleistungsgewerkschaft
Ver.di und dem Doktorandennetzwerk Thesis.de veranstaltet wird und an
der eine Reihe von Initiativen und Organisationen teilnehmen, u.a.
Wissenschaftlichernachwuchs.de und die Bundesvertretung
Akademischer Mittelbau.
Ort: Humboldt-Universitaet, Hauptgebaeude, Hoersaal 2097
Eine gesonderte Einladung wird noch ueber H-Soz-u-Kult ergehen. Wir
wuerden uns ueber eine rege Teilnahme freuen.
Weitere Informationen und unsere Forderungen finden Sie ausserdem auf
unserer Homepage www.wissenschaftlichernachwuchs.de
PD Dr. Thomas Mergel