Der Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland ist ins Gerede geraten. Vor einigen Wochen erst hat die PISA-Studie den Deutschen in Sachen Schulbildung nur einen mittelmäßigen Rang im internationalen Vergleich bescheinigt. Jetzt steht mit dem zu Beginn des Jahres in Kraft tretenden Hochschulrahmengesetz ein neuer Schrecken ins Haus. Frau Bulmahn und das Bundesministerium für Bildung und Forschung sind angetreten, die seit Humboldt größte Universitätsreform auf den Weg zu bringen. Namentlich sollen Leistung befördert, die Karrierewege beschleunigt und die Abhängigkeiten junger Nachwuchswissenschaftler durch die Einführung der "Juniorprofessur" beseitigt werden. Das alles klingt vernünftig, ist es aber nicht. Das aus drei Gründen:
Erstens: Die Juniorprofessur kann die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen. Wissenschaftliche Forschung lebt von Spezialisierung und der notwendigen Konzentration auf den Forschungsgegenstand, nicht aber von Aktivismus und feuilletonistischen Schnellschüssen. Genau das steht den künftigen Juniorprofessoren aber bevor. Durch die vollständige Einbindung in Lehr- und Prüfungsaufgaben, Studienbetreuung, Drittmitteleinwerbung und Fakultätsverwaltung wird ihnen nicht genug Zeit bleiben, um sich auch wissenschaftlich durch fundierte Arbeiten weiterzuqualifizieren. Der Deutsche Hochschulverband und diverse Fakultätentage haben das in ihrer Kritik besonders des letzten Jahres immer wieder deutlich formuliert.
Zweitens: Verbunden mit der als Modernisierung verkauften Reform steht in den nächsten zwei bis drei Jahren eine der gößten Entlassungswellen an den deutschen Hochschulen bevor. Betroffen davon sind all die Wissenschaftler, die noch nach den alten Bedingungen (vor der Einführung der Juniorprofessur) ausgebildet wurden oder noch ausgebildet werden. Sie sind in der Regel durch Habilitation, zahlreiche Veröffentlichungen und Erfahrungen im Einwerben von drittmittelfinanzierten Forschungsgeldern als hochqualifizierte Wissenschaftler ausgewiesen. Die Weigerung der Hochschulverwaltungen, aufgrund neuer Befristungsregelungen ihre Verträge zu verlängern, kommt einer sinnlosen Verschleuderung von Steuergeldern in Milliardenhöhe gleich, die man in deren Ausbildung investiert hat. Auch spricht diese Politik dem immer wieder vollmundig beschworenen Leistungsprinzip Hohn, das man mit der Einführung der Juniorprofessur meint durchsetzen zu können.
Drittens: Der Wissenschaftsstandort Deutschland steht mit dem neuen Hochschulrahmengesetz endgültig in der Gefahr, ins Mittelmaß abzurutschen. Nach einer Einschätzung des Freiburger Historikers Ulrich Herbert in der Süddeutschen Zeitung wird durch die bevorstehenden Massenentlassungen vermutlich ein Viertel der bisher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschung künftig wegfallen. Hinzu kommen unzählige, von anderen Stiftungen und Geldgebern finanzierte Projekt- und Auftragsforschungen. Ohne diese hochspezialisierte und auf hohem Niveau arbeitende Forschung wird den chronisch unterfinanzierten Universitäten über kurz oder lang der Atem ausgehen. Die Wissenschaftspolitik der rotgrünen Bundesregierung ist trotz gegenteiliger Absichten zur Zeit dabei, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu demontieren.
Frank-Michael Kuhlemann
Privatdozent an der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld