Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Mark Häberlein: Debattenbeitrag zum HRG

Bei der Lektüre der Debattenbeiträge zur HRG-Novelle fiel mir der Freiburger Kabarettist Jess Jochimsen ein, der sich satirisch mit den "Leiden" eines Kindes der 68-er Generation auseinandersetzt. Nach der letzten Bundestagswahl, so Jochimsen, sei er glücklich und zufrieden in dem Bewusstsein zu Bett gegangen, dass der Kohl nun abgewählt sei - und am nächsten Morgen mit der schrecklichen Gewissheit aufgewacht, seine Eltern gewählt zu haben. So ähnlich dürfte es vielen rot und grün wählenden Nachwuchswissenschaftler(inne)n gegangen sein, die meinten, für Projekte wie den Atomausstieg zu stimmen, und die nun feststellen, dass diese Bundesregierung ihnen selbst eine viel kürzere Restlaufzeit zugedacht hat als den AKWs. Nicht die geringste Ironie in diesem Trauerspiel besteht meiner Ansicht nach darin, dass ein in Intellektuellenkreisen nicht gerade hoch geschätzter FDP-Bildungsminister in den 1990er Jahren drei milliardenschwere Hochschulsonderprogramme für den Wiedereinstieg von Frauen aufgelegt hat, in denen sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen nach der Erziehungsphase weiterqualifiziert haben, die nun von der so ungemein um Gleichstellung bemühten rot-grünen Regierung gleich mitverschrottet werden. Mehrere Größen der Historikerzunft haben indessen nicht nur die Skrupellosigkeit der Politik und die Arroganz mancher Hochschulfunktionäre gegeißelt, sondern auch den einzig möglichen Ausweg aus der Misere gewiesen (für den sich wissenschaftlichernachwuchs.de schon seit längerem stark macht): ein Förderprogramm für den hochqualifizierten Nachwuchs durch Förderprofessuren nach dem Vorbild des "Fiebiger-Programms" der 1980er Jahre und unbefristete, personengebundene Hochschuldozenturen. Auf die Forderung nach einem solchen Förderprogramm sollten sich meines Erachtens - neben der Rücknahme der unsäglichen 12-Jahres-Regel in §57b HRG - jetzt alle Anstrengungen konzentrieren. Jede(r) Betroffene sollte nach Kräften dazu beitragen, dass dieses Thema auf der Tagesordnung von Hochschulen und Verbänden bleibt und nicht wieder in der Versenkung schwindet, wenn sich der erste Sturm der Entrüstung gelegt hat. Und warum sollten wir nicht in einem Wahljahr "unseren" lokalen Abgeordneten und Bundestagskandidat(inn)en klar machen, dass wir sie am 22. September vor allem an diesem Thema messen? Windenergie, artgerechte Tierhaltung und betriebliche Mitbestimmung mögen schöne und wichtige Themen sein, aber hier geht es unmittelbar um unsere Existenz.

Apl. Prof. Dr. Mark Häberlein
(Heisenberg-Stipendiat der DFG)

Historisches Seminar der
Universität Freiburg
KG IV, Werthmannplatz
79085 Freiburg


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Mark Haeberlein" <mark.haeberlein@geschichte.uni-freiburg.de>
Subject: HRG
Date: 22.01.2002