Ferner verhindert die Regelung, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über unvertretbar lange Zeiträume in befristeten Beschäftigungsverhältnissen gehalten werden. (...) Dies gilt aber auch für promovierte hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Für sie muß in absehbarer Zeit klar werden, ob sie ihre wissenschaftliche Karriere im Rahmen einer Professur fortsetzen können, ob sie von ihrer Hochschule im bisherigen Status unbefristet weiterbeschäftigt werden oder ob sie aus dem Hochschuldienst ausscheiden müssen, um den Platz für neuen wissenschaftlichen Nachwuchs frei zu machen und sich selbst rechtzeitig eine alternative berufliche Perspektive aufzubauen.
5. HRGÄndG, §57b, Abs. 1
In der Zwölfjahresregelung (plus x) liegt die Chance, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur frühen Selbständigkeit zu bringen. Mit 35 finden sie leichter eine Alternative zur Wissenschaftlerkarriere als mit 48.
Ernst-Ludwig WINNACKER, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Süddeutsche Zeitung, 11.1.2002)
Es trifft zum weit überwiegenden Teil die Geisteswissenschaftler.
Klaus LANDFRIED, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (Süddeutsche Zeitung, 11.1.2002)
Ich werde ein besonderes Augenmerk auf die Zukunft der fast 300 wissenschaftlichen Assistent/inn/en an unserer Universität richten, um eine Beeinträchtigung der Chancen dieser Personengruppe durch die Einführung des neuen Dienstrechts so weit wie möglich abzumildern. Dabei hoffe ich, daß die Entscheidungsträger auch unkonventionelle Maßnahmen der Chancensicherung für diejenigen jungen Nachwuchswissenschaftler/innen tragen werden, die mit ihrer Habilitationsabsicht den längeren, schwierigeren Weg gehen mußten.
Dieter LENZEN, Erster Vizepräsident der Freien Universität (FU-Nachrichten 01/2002)
1. Die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes durch die Bundesregierung hat inzwischen fast alle notwendigen Hürden genommen. Die Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten steht jedoch noch aus.
Das Gesetz enthält Regelungen, die auf den ersten Blick vor allem den akademischen Mittelbau benachteiligen, im weiteren Kontext aber negative Auswirkungen auf die Qualität von Lehre und Forschung in ihrer Gesamtheit haben. Es handelt sich um die Befristungsregelung (§57) und die Juniorprofessur (§44, 45). Von ihnen sind besonders die geisteswissenschaftlichen Fächer im FB Geschichts- und Kulturwissenschaften berührt sowie die Studierenden künftiger Generationen.
Das 5. HRÄndG beabsichtigt, "die Leistungs- und Innovationsfähigkeit unseres Wissenschafts- und Forschungssystems zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen und Forschungslandschaft auch im internationalen Vergleich zu sichern", wie es in der Begründung heißt. Nach unserer Auffassung werden die geplanten Maßnahmen jedoch dazu führen, daß das Gegenteil der beabsichtigten Ziele eintritt.
Einer Reform, die nichts an dem notorisch unterfinanzierten Hochschulwesen ändert, kann daher nicht der erhoffte Erfolg beschieden sein, der ursprünglich ausschlaggebend für ihre Initiierung gewesen sein mag.
2. Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, Assistent/inn/en und Oberassistent/innen, die sich gegenwärtig mit einer Habilitationsarbeit qualifizieren, sind von der neu eingeführten Befristungsregelung (§57) besonders betroffen.
Das 5. HRÄndG begrenzt die sog. Qualifikationsphase in befristeten Beschäftigungsverhältnissen insgesamt auf 12 Jahre. Bei der Berechnung wird die Beschäftigung an der Universität, in Drittmittelprojekten sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen gleichermaßen angerechnet (hinzukommen die an der FU nicht vorhandenen Stellen wissenschaftlichen Hilfskräfte). Eine Verlängerung der Befristung wird in dem Gesetz als Ausnahme betrachtet, verläßliche Übergangsregelungen, die eine Perspektive für die Zukunft bieten könnten, sind zur Zeit nicht erkennbar. Das Teilzeitmodell nach dem neuen Gesetz bietet keine akzeptable Alternative.
Die 12 Jahre sind in zwei Abschnitte aufgeteilt: für nicht-promovierte und promovierte Wissenschaftler sind jeweils sechs Jahre (in der Medizin nach der Promotion neun) als Höchstbeschäftigung angesetzt. Für Promovierte kann die sechsjährige Befristung allenfalls um jenen Zeitraum erweitert werden, den die Fertigstellung der Promotion in Anspruch nahm, soweit dieser sechs Jahre unterschreitet (Rundschreiben vom 7.1.02, Serie V, Nr. 2/02, S. 2). Bei einer Promotionszeit von bspw. 3 1/2 Jahren sind dem FU-Rundschreiben zufolge somit maximal 8 1/2 Jahre Beschäftigung möglich. Gleichzeitig ist die Abschaffung der C1 und C2-Stellen wissenschaftlicher Assistent/inn/en und Oberassistent/inn/en vorgesehen.
Die Befristung bedeutet in ihrer Substanz, daß eine gesamte Generation qualifizierter Wissenschaftler/inne/n, in deren Ausbildung kostenintensiv investiert wurde und die selbst in ihre Ausbildung investiert haben, plötzlich mit einem Haltbarkeitsdatum versehen wird. Nach dessen Ablauf ist eine Ausübung ihres Berufes in der Regel nicht mehr vorgesehen. Die Realität zeigt, daß gerade in den kleinen Fächern unseres Fachbereichs Professorenstellen sehr selten und ohne Regelmäßigkeit ausgeschrieben werden, daß die Zeit zwischen Qualifikation und Berufung durch eine befristete Beschäftigung überbrückt werden muß. Damit stellt die Drittmittelbeschäftigung die zeitweise oder dauerhaft einzige Erwerbsmöglichkeit im akademischen Bereich dar. Mit der neuen Regelung wird aber genau diese Gruppe von Nachwuchswissenschaftler/inne/n, die sich über längere Zeiträume in Drittmittelprojekten oder in außeruniversitären Forschungseinrichtungen betätigen, in die Arbeitslosigkeit gedrängt.
Trotz anderslautender Erklärungen hat die Befristungsregelung auch für die künftige wissenschaftliche Bedeutung der Fächer unseres Fachbereichs ernste Auswirkungen. Ein Großteil der Forschungen dieses Fachbereichs wird im Drittmittelsektor erbracht, welcher wiederum für die Berechnung leistungsbezogener Mittelzuweisungen bedeutsam ist. Diesem Forschungsbereich werden künftig qualifizierte Mitarbeiter/innen entzogen. Der erfolgreiche Verlauf von Projekten ist dadurch gefährdet.
3. Wir halten die gegenwärtige Regelung zur Einführung der Juniorprofessuren (JP) für nicht tragbar. Die künftigen Inhaber/innen dieser Professuren werden einer erheblichen Arbeitsüberlastung ausgesetzt sein: schrittweise volles Lehrdeputat, Betreuung und Prüfung der Studierenden, Einwerbung von Drittmitteln (dann in Konkurrenz zu den anderen JP), akademische Selbstverwaltung, Forschung - dies begleitet vom Druck einer Evaluierung, einer zeitlichen Befristung und einer keineswegs gesicherter Zukunft. Sie bilden damit eine schwächere Konkurrenz zu den habilitierten Wissenschaftler/inne/n und laufen Gefahr, nicht weiterbeschäftigt zu werden.
Widersprüchlich bleibt in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit des "tenure track" für Inhaber/innen einer JP. Diese läuft dem Ziel der Auswahl der besten Bewerber aus dem nationalen wie internationalen Bewerberfeld entgegen.
Die Ausbildungssituation für die Studierenden sehen wir durch die ausschließliche Einführung der JP als Vorläufer zur Professur ernsthaft gefährdet. Hierzu verweisen wir auf die ausführliche Stellungnahme der Ausbildungskommission vom 8.2.2002, der wir uns anschließen.
Durch die beabsichtigte Quotierung bei Berufungsverfahren ab 2010 (51% Juniorprofessuren, 49% Habilitierte) werden aber auch die bisherigen wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen, Assistent/inn/en und Oberassistent/inn/en, welche ihre Laufbahn unter völlig anderen Ausgangsbedingungen begonnen haben und ihre Qualifikation somit nicht mit der Juniorprofessur erreichen können, erheblich benachteiligt. Konkret äußert sich dies durch die geplante Abschaffung der C1- und C2-Stellen, betroffen werden aber auch die C3 und C4-Stellen sein. Dies ist insbesondere für die kleinen Fächer von höchster Bedeutung. Im übrigen verweisen wir auf Punkt 4 der Stellungnahme der Ausbildungskommission.
4. Wir sind der Meinung, daß der Schaden, den allein diese Abschnitte der Gesetzesnovelle der Wissenschaft an der Freien Universität Berlin und der Bundesrepublik Deutschland als Universitätsstandort zufügt, beträchtlich ist und abgewendet werden muß. Daher bitten wir die Mitglieder des Fachbereichsrats, unsere Anliegen zu unterstützen.
Diese bestehen darin,
"Der Fachbereichsrat unterstützt die eingebrachten Anliegen des akademischen Mittelbaus. Er beauftragt das Dekanat, im Akademischen Senat und beim Präsidium der Freien Universität in aller Deutlichkeit auf die gravierenden Auswirkungen der Novellierung des HRG hinzuweisen und auf eine Beseitigung der angesprochenen Problembereiche noch vor der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten hinzuwirken.
Beim Präsidium und den entsprechenden Organen der Freien Universität ist für den Fall des Inkrafttretens des Gesetzes in der jetzigen Form darauf hinzuwirken, daß der angekündigten Absicht, Übergangsregelungen für den betroffenen Personenkreis zu schaffen, konkrete Schritte folgen werden: namentlich betrifft dies die Schaffung bzw. Erhaltung von C2-Stellen und der nachdrücklichen Anweisung, daß die Ausnahmeregelungen der Befristungsbestimmung den realen Bedingungen der jeweiligen Fächer entsprechend großzügig ausgelegt wird.
Die Umsetzung der Einrichtung weiterer Juniorprofessuren im Fachbereich gemäß den zu erwartenden Bestimmungen betrachtet der Fachbereichsrat angesichts des drohenden Qualitätsverlusts in Lehre und Forschung als problematisch.
Der Fachbereichsrat ist über die ergriffenen Maßnahmen und aktuellen Entwicklungen zu informieren."
Berlin, 13.2.2002
Die Vertreter des akademischen Mittelbaus im FBR des FB 13 Geschichts- und Kulturwissenschaften
Dr. Maximilian Benker
Dr. Arnulf Hausleiter
Feryad Omar