Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Philipp Gassert: Marginalien zur Posse: Geht es der Ministerin vielleicht um Privatisierung?

Ulrich Herbert macht auf die gravierenden Folgen der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes aufmerksam (Süddeutsche Zeitung vom 9. Januar 2002). Doch kann es sein, dass die rot-grüne Koalition Ihre effektivsten Multiplikatoren, die "linken" Privatdozenten und Privatdozentinnen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer einfach auf die Strasse setzen will? Nein, der Ministerin muss ein höheres Ziel vorgeschwebt haben: Wir sollen privatisieren, die akademische Schattenwirtschaft ausweiten und die drittmittelgestützte Forschung endlich der die Kreativität knebelnden Aufsicht der (vermutlich konservativ dominierten) Landesrechnungshöfe entziehen. Deregulieren und die Forschung in die Freiheit entlassen, so lautet die Parole! Wie die Reaktion des "Landesverbandes Akademischer Mittelbau Bayern" auf Herberts Artikel nahelegt (vgl. "Nur keine Panikmache", Süddeutsche Zeitung, 10. Januar 2002), ist es doch ganz einfach: Suchen wir nach Wegen der Umwegfinanzierung. Unsere Verwaltung brennt geradezu darauf, ihre Kreativität mit ganz neuen Buchungstricks unter Beweis zu stellen und sich im übrigen die zeitraubende Verwaltung der Drittmittelkonten endlich vom Hals zu schaffen. Diese Reform der MIttelbewirtschaftung dürfte zu nicht unerheblichen Einsparungen in den Universitätsverwaltungen führen und dem in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation arg gebeutelten Bankensektor einen willkommenen Aufschwung verschaffen. Eröffnen wir doch ein Konto bei der Sparkasse um die Ecke, wo die Drittmittel völlig ungestört von staatlicher Aufsicht ihre segensreiche Wirkung entfalten können (und auch noch Zinsen erbringen). Wenn ich richtig informiert bin, lassen die Richtlinen der DFG, des DAAD usw. eine Abrechnung über private Konten bereits zu, sofern sich die jeweilige Univerwaltung damit einverstanden erklärt. Dass sich das Ganze auch für die Professoren und Professorinnen in Euro und Cent rechnet, haben Heidelberger Mediziner schon vor einigen Jahren entdeckt. Wie schade, dass die damals aufgedeckten Skandale dazu geführt haben, dass wir bis zum 31. Dezember 2001 gehalten waren, jeden Pfennig über die die Forschung nur hemmende Verwaltung abzurechnen. Nun ist endlich Schluss mit diesen vorsintflutlichen Kontrollmechanismen.

Philipp Gassert

(Wissenschaftlicher Assistent am privat finanzierten, aber über Unikonten abgerechneten Curt Engelhorn Lehrstuhl für Amerikanische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg)


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Philipp Gassert" <Philipp.Gassert@urz.uni-heidelberg.de>
Subject: Marginalien zur Posse: Geht es der Ministerin vielleicht um Privatisierung?
Date: 13.01.2002