Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Bericht von der Podiumsdiskussion zur Hochschulreform an der Universität zu Köln am 2.5.2002

Von Dr. Marc Frey, Abteilung für Anglo-Amerikanische Geschichte, Historisches Seminar, Universität zu Köln,
marc.frey@uni-koeln.de

Teilnehmende:

Prof. Dr. Michael Kerschgens, Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln,
PD Dr. Thomas Mergel, Sprecher der Initiative "wissenschaftlichernachwuchs.de",
Dr. Johannes Neyses, Kanzler der Universität zu Köln,
Prof. Dr. Ursula Peters, Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
Prof. Dr. Ulrich Preiss, Forschungsinstitut für Deutsches und Europäisches Sozialrecht der Universität zu Köln

Diskussionsleitung:

Prof. Dr. Walter Pape, Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln

 

Am Donnerstag, den 2.5.2002, fand an der Universität zu Köln eine Podiumsdiskussion zum Thema "Königsweg oder Sackgasse? Der wissenschaftliche Nachwuchs und das Hochschulrahmengesetz" statt. Die gut besuchte Veranstaltung befaßte sich vorwiegend mit der Juniorprofessur sowie mit der Fristenregelung des neuen Hochschulrahmengesetzes.

Ulrich Preiss erläuterte die Position des Bundesministeriums. "Alternde Nachwuchswissenschaftler", so Preiss, könnten "kein politisches Leitbild" sein. Dementsprechend ziele das neue HRG auf die Verjüngung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Preiss hob die Vorzüge der Befristung hervor und argumentierte, das neue Gesetz verschaffe Universitätsverwaltungen und WissenschaftlerInnen mehr Freiheit. Er räumte allerdings die Notwendigkeit von Übergangsfristen ein und verwies auf die kürzlich vereinbarte Regelung, der zufolge die Befristungshöchstdauer am 28.2.2005 endet. Mit Blick auf die aus Drittmitteln finanzierte Projektarbeit über die Dauer von 12 Jahren hinaus mußte Prof. Preiss auf unterschiedliche Rechtsauffassungen hinweisen. Zwar sehe das HRG durchaus die Möglichkeit projektgebundener befristeter Anstellung über die 12 Jahre hinaus vor. Allerdings könnten sich arbeitsrechtliche Risiken ergeben, da bei einem über die 12 Jahre hinausgehenden befristeten Arbeitsverhältnis faktisch der Kündigungsschutz umgangen werde. Er teile diese Auffassung nicht; das Problem müsse jedoch wohl von Arbeitsgerichten geklärt werden.

Doch arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen versuchen die Universitätsverwaltungen aus naheliegenden Gründen zu vermeiden. Die Folge ist, so Kanzler Neyses, daß die Personalabteilungen deutscher Universitäten gegenwärtig sehr genau prüfen, ob projektbezogene und durch Drittmittel finanzierte befristete Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter, die bereits 12 Jahre beschäftigt waren, überhaupt abzuschließen sind. Tendentiell gehe man restriktiv vor, insbesondere bei Sonderforschungsbereichen. Im Klartext: aus Angst vor arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen geben Personalverwaltungen deutscher Universitäten sogenannten "Altfällen" keine befristeten Verträge, auch wenn es sich um Drittmittelforschung, insbesondere im Rahmen von SFBs, handelt. In diesem Punkt bietet das neue HRG keine Rechtssicherheit, zumal die vom Bundesministerium in Aussicht gestellten Ausführungsbestimmungen juristisch nicht relevant sind.

Scharf kritisiert wurde die Befristung von Prof. Michael Kerschgens. In den Naturwissenschaften sei man auf die Tätigkeit sogenannter "erfahrener Postdocs" angewiesen. Die Befristungregelung sei kontraproduktiv, die Standortbedingungen für Forschung in Deutschland würden sich durch das Gesetz weiter verschlechtern. Dies gelte insbesondere für den Bereich "Drittmittelforschung". Dieser Position schloß sich Prof. Ursula Peters an. Aus Sicht der DFG könne die Forschung gar nicht auf erfahrene Postdocs verzichten. Es sei besorgniserregend, daß es in einigen SFBs bereits Probleme bei der befristeten Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern gegeben habe. Die DFG beobachte die Lage sehr genau.

Dr. Thomas Mergel wies darauf hin, daß die "Allokationsphase" - also die Zeit zwischen Ende der Habilitation und Antritt einer Professur - nicht selten 5 Jahre dauert. Insofern sei auch die Übergangsregelung von drei Jahren unbefriedigend. Aber ohne den öffentlichen Protest wäre es auch dazu nicht gekommen. Insofern verbuchte Mergel die Übergangsfristen als Erfolg. Grundsätzlich müsse Projektforschung erleichtert werden. Die Universitäten brauchten eine flexiblere Stellenstruktur, Förderprofessuren und vor allen Dingen eine bessere finanzielle Ausstattung.

Alle Diskutanten waren sich in der Ablehnung der Juniorprofessur einig. Selbst Prof. Preiss meinte, das Anforderungsprofil erschwere Forschung und Weiterqualifikation. Die zeitliche Überlastung, so Dr. Neyses, sei vorprogrammiert. Völlig ungeklärt sei auch die Frage der finanziellen Ausstattung einer Juniorprofessur. Wie solle man die vom HRG vorgesehenen Forschungs- und Personalmittel bereitstellen, wenn auch C-3 Professuren in der Regel keine finanziellen Möglichkeiten hätten?

Fazit: Es bestand Konsens darüber, daß mit Blick auf die Drittmittelforschung - insbesondere Sonderforschungsbereiche - dringender Handlungsbedarf besteht: die Politik hat ein Problem geschaffen, das sie nun rasch lösen muß. Eine grundsätzliche Reform befristeter Beschäftigungsverhältnisse sowie die Schaffung eines Tarifvertrages für WissenschaflerInnen wären wünschenswert, müssen jedoch mit verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben konform gehen. Allerdings: die Arbeitsgeber in Gestalt der Ministerkonferenz der deutschen Länder sind gegen ein Tarifrecht für WissenschaftlerInnen.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Marc Frey" <marc.frey@uni-koeln.de>
Subject: HRG - Podiumsdiskussion an der Universität zu Köln
Date: 07.05.2002