Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Resolution des Zentrums Moderner Orient zur Reform des Hochschulrahmengesetzes

Die Neufassung der Bestimmungen zur befristeten Anstellung von Wissenschaftler/innen im Rahmen der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) stößt bei uns, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentrums Moderner Orient, auf Unverständnis, Ablehnung und Empörung. Unsere Einrichtung ist eines von drei Geisteswissenschaftlichen Zentren in Berlin. Nahezu ausschließlich in Drittmittelprojekten werden hier Forschungen zu Geschichte, Politik und Gesellschaft der Länder Afrikas, Asiens und des Nahen Ostens durchgeführt. Hochspezialisierten Forscherinnen und Forschern mit in der Bundesrepublik raren Qualifikationen wird so die Möglichkeit eröffnet, für eine begrenzte Zeit Grundlagenforschung zu betreiben.

Wir befürchten nun, dass uns nach Verlassen des Zentrums durch die Reform des Hochschulrahmengesetzes eine Fortsetzung unserer beruflichen Tätigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erheblich erschwert wird. Wegen der zumeist miserablen Stellensituation an den deutschen Universitäten wird es nur sehr wenigen vergönnt sein, eine freiwerdende Professur oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in ihrem Fachgebiet zu erlangen. Eine weitere befristete Beschäftigung nach dem neuen Hochschulrahmengesetz kommt in der Regel ebenfalls nicht in Betracht, weil die Beschäftigungsdauer an universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen darin auf maximal zwölf bzw. fünfzehn Jahre beschränkt wird. Auch eine befristete Anstellung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz stellt sich derzeit nicht als aussichtsreiche Alternative dar, gibt es doch deutliche Anzeichen dafür, dass die Universitäten nur in besonders begründeten Einzelfällen von den Möglichkeiten dieses Gesetzes Gebrauch machen werden. Erst wenn sich durch mehrjährige Rechtsprechung der Arbeitsgerichte für die Universitäten abschätzen lässt, wie Arbeitsverhältnisse nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz im universitären Bereich zu gestalten sind, mag sich dies möglicherweise zu Gunsten der Betroffenen ändern.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums Moderner Orient befürchten, dass durch die Reform des Hochschulrahmengesetzes bei gleichzeitiger restriktiver Auslegung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes durch die Universitäten in den kommenden Jahren eine ganze Generation hochqualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne jede Not aus den deutschen Hochschulen ausgeschlossen und der Arbeitslosigkeit preisgegeben, in fachfremde Beschäftigungen abgedrängt oder ins Ausland getrieben wird. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die wesentlich verschlechterten Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen begabte Universitätsabsolventinnen und -absolventen zukünftig in höherem Maße davon abhalten werden, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Aufgrund all dieser Effekte zeichnet sich mittel- und langfristig ein nachhaltiger Verlust an Fachkompetenz ab. Die "Reform" steht somit in diametralem Gegensatz zu ihren erklärten Zielen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums Moderner Orient fordern daher die Bundesregierung und die für die Bildungspolitik verantwortliche Ministerin Bulmahn auf, in einen Dialog mit den Betroffenen zu treten, deren Reformkompetenz zu nutzen und den Reformprozess an den Hochschulen zu demokratisieren. Als erster Schritt müssen jedoch unverzüglich Übergangsregelungen für promovierte und habilitierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden, die einen Qualitätseinbruch in Forschung und Lehre verhindern und die erwarteten Härten des neuen Hochschulrahmengesetzes für die unmittelbar Betroffenen sozialverträglich abfangen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums Moderner Orient (Berlin)


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Jan-Georg Deutsch" <h0208daj@rz.hu-berlin.de>
Subject: Resolution zur Reform des Hochschulrahmengesetzes
Date: 07.03.2002