Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Ralf Blank: Stellungnahme zur Neufassung des Hochschulrahmengesetzes

Zunaechst entschuldige ich mich schon im Vorfeld dafuer, dass ich mich als ein vom HRG nicht unmittelbar Betroffener in die laufende Diskussion einmische. Das ich dennoch einen Beitrag hinzufuegen moechte, hat allerdings einen Grund. Ich bin naemlich der Auffassung, dass die derzeitige Entwicklung nicht nur die Historiker an Universitaeten tangiert, sondern auch die KollegInnen in Museen, Bibliotheken und Archiven. Diese Institutionen stellten bisher Alternativen fuer eine Universitaetslaufbahn dar, besonders im Bereich des so genannten temporaeren Mittelbaus. Infolge der grassierenden "Sparpolitik" von Kommunen und Laendern, die sich nach meiner Einschaetzung noch steigern wird, faellt diese Alternative jedoch zunehmend fort. Dazu braucht es kein Bundes- oder Landesgesetz, sondern oft nur einige Kommunalpolitiker mit Profilierungsabsichten auf dem kulturellen/wissenschaftlichen Sparsektor. Bilden Archive noch eine Pflichtaufgabe, wennglich diese Definition keinesfalls vor Stellenkuerzungen und - einsparungen und personeller Unterbesetzung schuetzt, so sind Museen in kleineren und mittleren Kommunen den Sparumtrieben der Politik gaenzlich schutzlos ausgeliefert. Besonders schoen ist es dann, wenn von der Lokalpresse noch Beifall fuer die Sparaktionen gezollt wird, um den Buergern den politischen Sparwillen vor Augen zu fuehren. Beispiele dafuer sind mir seit einiger Zeit haeufiger zu Ohren gekommen. Andere Moeglichkeiten im Museumsbereich sind Teilzeitstellen und/oder die Beschaeftigung von WissenschaftlerInnen als "Multifunktions-Manager" fuer alle denkbaren Taetigkeiten. Die alles andere als optimale Situation der Volontariate muss hier nicht besonders hervorgehoben werden. Jede/r HistorikerIn, die/der sich einer wissenschaftlichen Taetigkeit in einem Museum zuwenden moechte, um dem HRG zu entgehen, stoesst folglich auch hier an ihre/seine Grenzen.

Was haben meine "Museumsgeschichten" mit dem HRG zu tun? Ich habe mir einmal die Frage gestellt, was nun aus den KollegInnen wird, die nach zwoelfjaehriger Universitaetstaetigkeit eine fachbezogene Anstellung sowie auch eine ausreichend dotierte Position suchen bzw. benoetigen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten sowie auch eine persoenliche Befriedigung zu finden. Waren vor allem Museen bis vor einiger Zeit noch durchaus respektable Altenativen fuer eine solide Anstellung (abgesehen vom Aspekt einer "Ueberqualifizierung"), so verkuemmern auch dort die Beschaeftigungsmoeglichkeiten zusehens. Da muss man sich jetzt fragen, wo denn alle die KollegInnen hin sollen, denen eine weitere Uni-Karriere verbaut ist. Auf diese Frage gibt uns die Politik leider keine Antwort. Und wer sich jemals mit der Ministerialbuerokratie von Land und Bund auseinandersetzen musste, stimmt mir zu, dass von dort zumeist auch keine befriedigende Antwort zu erwarten ist. Insofern kann ich die Verzweiflung und Existenzangst vieler KollegInnen nachvollziehen. Hier oeffnet sich ein Mechanismus, dessen Rueckwirkungen ohne Zweifel nicht nur vor den Tueren der Lehrstuehle und Seminare halt machen wird. Vielmehr koennten die Folgen als ein Angriff auf die Geisteswissenschaften gewertet werden, denn ohne eine grundsolide Ausbildung und Foerderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Universitaeten koennen auch die Museen auf Dauer keine qualifizierten MitarbeiterInnen mehr gewinnen. Addiert man nun die Sparpolitik an den Universitaeten und in den Museen, so ist es unschwer vorstellbar, was im Endeffekt herauskommen wird.

Es ist unstrittig, dass das Bildungswesen sowohl personell als auch institutionell reformiert werden muss, um auch spaeter einen hohen Qualitaetsstandard zu gewaehrleisten. Doch erscheint mir der zurzeit eingeschlagene Weg hoechst problematisch und in der Praxis auch schwer umzusetzen. Vor allem scheinen sich die UrheberInnen ueber die Folgewirkungen nicht klar zu sein: nicht nur die Universitaeten werden betroffen sein, sondern auch andere Arbeitsbereiche und "Einsatzorte" von GeisteswissenschaftlerInnen.

Aus diesem Grund unterstuetze ich die Kritik meiner KollegInnen in den Universitaeten an der momentanen Bildungspolitik. Ich wuerde mich freuen, wenn meine KollegInnen in Museen, Bibliotheken und Archiven meine Einschaetzung teilen wuerden.

Ralf Blank

Historisches Centrum Hagen


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Ralf Blank" <ralf.blank@historisches-centrum.de>
Subject: Reaktion auf HRG
Date: 17.01.2002