Durch Zufall habe ich die Diskussion mitbekommen, die sich um den Artikel von U. Herbert "Die Posse" entwickelt hat. Ich möchte klarstellen, daß ich in keiner Weise der im Rahmen der Liste so vehement geäußerten Kritik an der Gesetzgebung inhaltlich entgegentreten möchte. Dazu wäre ich gar nicht kompetent. Mir geht es um etwas anderes. Daß die Emotionen der von der Neuregelung betroffenen oder potentiell betroffenen Personen nicht außen vor bleiben, scheint mir verständlich. So ist auch noch nachvollziehbar, daß überspitzte Ausdrücke wie der vom "Verschrotten" der Habilitanden, Privatdozenten und anderer Universitätsmitarbeiter fallen. Weniger nachvollziehbar ist schon, daß in einem Rundumschlag von R. Tosstorff von der Universität Mainz plötzlich von "Zwangsarbeit" der Privatdozenten die Rede ist:
"Es geht um den Anteil der Privatdozenten an der Lehre. Diese arbeiten ja nicht nur auf Drittmittelgeldern in der Forschung. Wenn man sich nicht mit dem bloßen Titel 'Dr. habil.' zufrieden gibt, sondern in irgendeiner Weise im Wissenschaftssektor weiterarbeitet, ist ja mit der Verleihung der 'venia legendi' die Verpflichtung zur Lehre verbunden. Diese Verpflichtung ist vom Verpflichteten üblicherweise gratis zu erbringen." "Ob diese kostenlose Lehrverpflichtung juristisch überhaupt haltbar ist, hat bisher noch keiner überprüft, nicht zuletzt, weil Privatdozenten sich eine Art irdischen Gotteslohn ausrechnen konnten. Dabei erhalten sogar Gefängnisinsassen eine geringe Entlohnung. Und das Übereinkommen 105 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Abschaffung der Zwangsarbeit (geltendes Recht!) sieht ausdrücklich das "Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit (...) als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung" vor." ("Reiner Tosstorff" <rtosstorff@hotmail.com> Date: Thu, 17 Jan 2002 10:26:37 Subject: Privatdozenten in der Lehre und die Hochschulreform. in: "H-Soz-u-Kult (Ralf Wolz)" <wolz@BBAW.DE> Date: Thu, 17 Jan 2002 12:32:13 +0100 Subject: Re: Reaktion auf HRG (3 Beitraege))
Ich habe versucht, den Beitrag als Satire zu lesen. Dieser Befund hätte mich sehr erleichtert. Aber ich fürchte, Herr Tossdorf meint es ernst. Ich möchte ihm hiermit nahelegen, sich noch einmal über den Charakter seiner Anstellung als Privatdozent Gedanken zu machen. In Tübingen jedenfalls werden die Privatdozenten nicht mit Fußfesseln an ihren Schreibtisch gekettet. Die Äußerungen sind ein Hohn gegenüber allen, die tatsächlich unter unwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden.
Dieser Beitrag wird aber noch übertroffen von Herrn G. Müller vom Historischen Institut der RWTH Aachen:
"Gerade bereite ich mich wieder auf einen Probevortrag vor, nachdem jahrelang kaum mehr eine Professoren-Stelle ausgeschrieben war. Einer kriegt den Ruf und was wird aus den anderen? Wir hatten schon mal schlimme Zeiten, in denen 'Menschenmaterial' zu 'Schrott' und 'überflüssigem Ballast' erklärt wurde." ("Guido Müller" <guido.mueller@rwth-aachen.de> Date: Thu, 10 Jan 2002 21:49:32 +0100 Subject: Re: Artikel: U. Herbert: Die Posse. An den Unis werden Massenentlassungen als Reform verkauft. in: "H-Soz-u-Kult (Borgmann)" <h0249kdx@RZ.HU-BERLIN.DE> Date: Fri, 11 Jan 2002 08:44:57 +0100 Subject: Re: Artikel: U. Herbert: Die Posse (3))
Wie kann einem Akademiker, nein überhaupt einer gebildeten Person, so ein verunglückter Vergleich passieren? Da liegen doch einige Maßstäbe schief. Ich bin enttäuscht und entsetzt über die fahrlässige Wortwahl von promovierten und habilitierten Historikern. Ebenso oder gar noch mehr bin ich enttäuscht, daß es zu den angesprochenen Fauxpas keinerlei kritische Stellungnahme in der Liste gab.
Roland de Beauclair
Student der Ur- und Frühgeschichte, Universität Tübingen
Email:
roland.de.beauclair@student.uni-tuebingen.de