Debatte um die Reform des Hochschulrahmengesetzes

Situation der Nachwuchswissenschaftler nach der in Aussicht gestellten Novellierung des HRG

Eine Resolution

Der SFB 434 "Erinnerungskulturen" an der Justus-Liebig-Universität Gießen hat auf seiner Mitgliederversammlung am 8. Februar 2002 zur 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes folgende Stellungnahme beschlossen:

Das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) gefährdet die drittmittelgestützte Forschung an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Der in diesem Gesetz enthaltene § 57 b sieht die Beschränkung der befristeten Beschäftigung auf maximal zwölf Jahre (sechs Jahre vor, sechs Jahre nach der Promotion) vor. Sind diese zwölf Jahre ausgeschöpft, ist eine befristete Anstellung nur noch über die Anwendung des Teilzeitarbeits- und Befristungsgesetzes möglich, ein Ausweg, der von den Universitätsverwaltungen aber wegen hoher arbeitsrechtlicher Risiken schon im Vorfeld abgewehrt wird. Von dieser Neuregelung werden Einzelförderung und Forschungsverbünde wie die Sonderforschungsbereiche und Schwerpunktprogramme der DFB gleichermaßen betroffen sein. Postdoc-Projekte, die aufgrund von Aufgabenstellung und Methode erfahrene WissenschaftlerInnen erfordern, wird es zukünftig aufgrund der Befristungsklausel nicht mehr geben können.

Das neue HRG stellt eine unbillige Härte insbesondere für die an Universitäten und Forschungseinrichtungen bereits vorhandenen PrivatdozentInnen und HabilitandInnen dar, für die noch nicht einmal Übergangsregelungen vorgesehen sind. Sie werden vielmehr mit Maßnahmen konfrontiert, die bei Beginn ihrer Ausbildung nicht absehbar waren. Ihnen wird die Überbrückung der Zeit zwischen Habilitation und Berufung, die gegenwärtig aufgrund der angespannten Stellensituation leicht mehrere Jahre dauern kann, auf qualifizierten befristeten Stellungen im Wissenschaftsbereich unmöglich gemacht. Darüber hinaus ignoriert das Gesetz auch die inzwischen verbreitete Dauer-Existenz zahlreicher WissenschaftlerInnen in befristeten Positionen - in der fragwürdigen Annahme, die vorgesehene Änderung des Gesetzes würde die wissenschaftlichen Einrichtungen dazu bringen, mehr Dauerstellen zu schaffen. Sie sollen nun zwangsweise einem Markt überantwortet werden, der sie mit ihren spezifischen wissenschaftlichen Qualifikationen nicht aufnehmen kann.

Das Gesetz läuft faktisch auf ein Berufsverbot in der Wissenschaft hinaus. Die Mitglieder des Gießener Sonderforschungsbereichs befürchten einen empfindlichen Einbruch der wissenschaftlichen Leistungen, wenn für forschungsintensive Drittmittelprojekte künftig keine erfahrenen WissenschaftlerInnen mehr zur Verfügung stehen werden. Die Zukunft der Sonderforschungsbereiche ist im Kern bedroht! Daher fordern die Mitglieder des Gießener Sonderforschungsbereichs "Erinnerungskulturen":

- Ersatzlose Streichung der 12-Jahres-Klausel als Qualifizierungsphase im neuen Hochschulrahmengesetz

- Einrichtung von "Fiebiger-Programmen" zum Abbau des derzeitigen Überangebots an herausragenden WissenschaftlerInnen an den Universitäten

- Schaffung eines auf die besonderen Verhältnisse an Universitäten und wissenschaftlichen Instituten zugeschnittenen Arbeitsrechts

Prof. Dr. Günter Oesterle,
Dr. Claudia Althaus,
Dr. Anne Nagel


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Beate Ackermann <Beate.Ackermann@geschichte.uni-giessen.de>
Subject: Resolution zum HRG
Date: 19.02.2002